„Auf den Kapitän kommt es an“
Mehr Wachstum für Deutschland – doch Habeck und Lindner streiten schon wieder
VonLisa Mayerhoferschließen
Die Ampel-Regierung ist sich einig, dass die schwächelnde deutsche Wirtschaft wieder angekurbelt werden muss. Doch bei der Finanzierung sind sich Habeck und Lindner uneins.
Berlin – Deutschlands Wirtschaft steckt in der Flaute. Die Industriestaatenorganisation OECD hat die Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft für dieses Jahr nach unten korrigiert. Man erwarte einen Zuwachs von 0,3 Prozent, teilte die in Paris ansässige Organisation am Montag mit. Im November war die OECD noch von einem Wirtschaftswachstum in Deutschland von 0,6 Prozent in diesem Jahr ausgegangen.
Für die Ampel-Regierung wird es nun Zeit zu handeln – doch mal wieder gibt es Streit darum, wie die Wirtschaft angekurbelt werden soll. Vor allem bei der Frage, wie die Maßnahmen für Wirtschaftswachstum finanziert werden sollen, gibt es keine Einigung.
Wirtschaftsplan: Lindner will Soli streichen – Habeck will Sondervermögen
Das Hauptproblem: Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben eine Steuerreform für Unternehmen ins Spiel gebracht, sind sich jedoch bei der Finanzierung uneinig. Und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will erstmal das Wachstumschancengesetz abwarten. Doch nach der Reihe:
Habeck hatte am Donnerstag im Bundestag ein Sondervermögen vorgeschlagen, um strukturelle Probleme zu lösen. Er nannte etwa die Möglichkeit, Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen. Lindner lehnte ein Sondervermögen ab, es bedeute neue Schulden.
Der Finanzminister wünscht sich stattdessen ein „Dynamisierungspaket“, das die Bereiche Arbeitsmarkt, Klimaschutz, Energiepreise, Bürokratie und Steuern umfassen soll. Er schlägt dabei vor, den Solidaritätszuschlag für Unternehmen zu streichen. Das hätte laut Lindner auch den Vorteil, dass Länder und Gemeinden nicht belastet würden. Man müsse dann aber über die Gegenfinanzierung miteinander sprechen.
Der Solidaritätszuschlag
Der Soli wurde 1991 – ein Jahr nach der deutschen Einheit – eingeführt und sollte den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern mitfinanzieren. Er wurde bis 2020 als Zusatzabgabe von 5,5 Prozent auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer erhoben, um die Lasten der Wiedervereinigung zu finanzieren. Seit 2021 müssen ihn nur noch Spitzenverdiener und Körperschaften zahlen. Im vergangenen Jahr erbrachte der Soli dem Bund Einnahmen von rund zwölf Milliarden Euro.
Habeck zeigte sich mit Blick auf den Soli-Vorschlag skeptisch. Den Soli ganz zu streichen, würde das Haushaltsloch vergrößern, sagte der Vizekanzler in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Auch die beiden Vorsitzenden von SPD und Grünen, Saskia Esken und Ricarda Lang, lehnten den Lindner-Vorstoß ab.
Kanzler Scholz will Fokus aus Wachstumschancengesetz
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich am Montagabend zurückhaltend zu der Debatte gezeigt. Er forderte, sich zunächst darauf zu konzentrieren, das Wachstumschancengesetz durch den Bundesrat zu bekommen. „Das ist praktisch, anfassbar und wirkt schnell“, sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Ministerpräsidenten Gabriel Attal.
Das Wachstumschancengesetz sieht Entlastungen für Unternehmen von sieben Milliarden Euro pro Jahr vor. Im Bundesrat läuft derzeit ein Vermittlungsverfahren zu dem Vorhaben. Die unionsgeführten Länder machen ihre Zustimmung von der Rücknahme der Streichung der Subventionen für Agrardiesel abhängig. Habeck moniert allerdings, dass das Gesetz nun kleiner ausfällt als gedacht und deshalb nur eine „homöopathische“ Wirkung hätte.
„Es besteht eine krasse Uneinigkeit zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium“
Ifo-Präsident Clemens Fuest mahnte nun die Ampel-Spitzen, sich auf eine wirtschaftspolitische Strategie zu einigen. „Es besteht eine krasse Uneinigkeit zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium und dadurch eine extreme Verunsicherung“, sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts bei einer von der Industriestaatenorganisation OECD organisierten Diskussionsrunde.
Zwar habe auch in den vorherigen Regierungen eine wirtschaftspolitische Strategie gefehlt. „Das war nur nicht so schlimm“, sagte Fuest. „Denn auf den Kapitän kommt es an, wenn das Schiff im Sturm ist und nicht, wenn man durch ruhige Gewässer fährt.“
Mit Material von dpa und Reuters
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