Apotheke
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Die Versorgung der Bevölkerung mit Apotheken wird dünner. (Archivbild)

Lieferengpässe im Herbst

„Bei jedem zweiten Rezept“ Probleme – In Deutschland fehlen 500 Medikamente

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Deutschland bezieht die Mehrzahl von Medikamenten mittlerweile aus dem Ausland. Das führt gerade zu Problemen – Apotheken beklagen landesweit Lieferengpässe.

Frankfurt – Deutschland ist abhängig vom Ausland, auch bei Medikamenten ist das der Fall. Vor allem Generika werden zunehmend nicht mal mehr in Europa hergestellt, sondern in Asien, allen voran in China. Wie der Bundesverband der Apothekerverbände in einer Analyse der Arzneimittellandschaft im Jahr 2024 feststellt, stammten 41 Prozent der Fertigarzneimittel aus Indien, 13 Prozent aus China. 33 Prozent wurden aus unterschiedlichen Ländern in Europa bezogen, darunter auch Deutschland (wo nur zwei Prozent hergestellt werden).

Lieferengpässe bei Medikamenten: Apotheken schlagen Alarm vor dem Winter

Entsprechend empfindlich reagiert das System hierzulande auf Lieferengpässe. 2023 hat der Apothekerverband unter ihren 26 Partnerverbänden in Europa gefragt, wer von Lieferengpässen bedroht war. 100 Prozent der Befragten gaben an, bei Antibiotika mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen.

Ganz aktuell schlagen Apotheker und Apothekerinnen wieder Alarm: Die Apotheken könnten „nicht mehr in vollem Umfang ihrem hoheitlichen Auftrag nachkommen, die Menschen in Deutschland mit Arzneimitteln zu versorgen“, sagte der Vorsitzende des hessischen Apothekerverbands, Holger Seyfarth, auf der Jahreshauptversammlung des Verbandes.

Die „massiven Lieferengpässe“ betreffe „Hunderte von Medikamenten, darunter Insuline, Antibiotika und Krebsmedikamente“, so Seyfarth. Die Situation verschärfe sich zusehends.

Das Problem bestätigte auch Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, gegenüber der Rheinischen Post: „Ein Ende der Lieferprobleme ist nicht absehbar. Besondere Sorgen bereitet uns, dass jetzt schon sehr viele Antibiotika nicht lieferbar sind. Und die kalte Jahreszeit mit vielen Atemwegsinfektionen hat noch gar nicht begonnen. Auch viele Antibiotikasäfte für Kinder sind betroffen“. 500 Medikamente seien als nicht lieferbar gekennzeichnet.

Wichtige Antibiotika in Deutschland nicht lieferbar: Versorgung von Millionen Patienten bedroht

Thomas Preis nennt als Beispiel die Antibiotika Doxycylin und Azithromycin. Diese Waren sollen bald aus Kamerun geliefert werden, Patienten müssten bald also englischsprachige oder französische Packungsbeilagen lesen. Doxycylin wird zur Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Bronchitis, aber auch Magen-Darm-Infekten oder bei Borreliose eingesetzt. Es ist ein Breitbandantibiotikum. Azithromycin wird ebenfalls bei Atemwegserkrankungen verschrieben, aber auch zur Behandlung von Mittelohrentzündungen oder bei Chlamydieninfektionen. Beide Produkte werden verstärkt in China hergestellt.

„Bei jedem zweiten Rezept müssen Apotheken nach Alternativen suchen, damit die Versorgung der Patienten gesichert bleibt. Täglich sind so bundesweit 1,5 Millionen Patienten betroffen“, sagte der Verbandschef in Nordrhein weiter.

Apotheken verschwinden in Deutschland: 2024 Rekordtiefstand erreicht

Erst im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung ein Gesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen, dass genau dieses Problem angehen sollte. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wirkt aber laut Apothekern und Apothekerinnen nicht.

Noch dazu kommt das Apothekensterben, das die Gesundheitsversorgung weiter unter Druck setzt. Im ersten Halbjahr 2024 ist die Zahl der Apotheken in Deutschland um 283 auf den neuen Tiefstand von 17.288 gesunken. Auf 100.000 Einwohner kommen lediglich 21 Apotheken. In der Bundeshauptstadt Berlin liege die Apothekendichte mit 19 sogar weit unter dem europäischen Durchschnitt (32). Aufgrund des demografischen Wandels und der wachsenden Zahl älterer Menschen im Land brauche es Branchenverbänden zufolge aber deutlich mehr Apotheken.