Tarifkonflikt
Millionenkosten wegen Bahn-Streik: Wie viele Ausstände schafft die GDL noch?
VonLisa Mayerhoferschließen
Hannes Niemeyerschließen
Bei der Bahn wird wieder gestreikt, diesmal in Rekordlänge. Nach Einschätzung eines Experten fährt die GDL damit einen riskanten Kurs – und muss auf ihre Streikkasse achten.
Update vom 25. Januar, 15:10 Uhr: Die GDL streikt wieder – und dieses Mal besonders lange. Da stellt sich für viele Bahn-Reisende die Frage: Wie lang kann die Lokführergewerkschaft GDL weiter streiken? Lässt sich ein Ausstand wie der aktuelle noch einmal wiederholen?
Vor allem die Antwort auf die Frage, wie gut die Streikkasse der GDL gefüllt ist, ist ein wohlbehütetes Geheimnis der Gewerkschaft. Es gibt einige Faktoren, die für die Streikausdauer der GDL entscheidend sind: Zieht die GDL den momentanen Streik bis Montagabend durch, kommt sie in der laufenden Tarifrunde bereits auf so viele Streikstunden wie 2021. Damals rief die Gewerkschaft zu drei längeren Streiks auf, die sich im Güterverkehr auf etwas mehr als 260 Stunden summierten. Mit den beiden Warnstreiks 2023 und den beiden Streiks im laufenden Jahr sammelt die GDL bis Montagabend, 18.00 Uhr, 264 Streikstunden im Güterverkehr.
Dass die GDL damit für die laufende Tarifrunde am Limit angekommen ist, lässt sich daraus aber nicht schließen. In einer sehr langwierigen Tarifrunde von September 2014 bis Mai 2015 streikte die GDL im Güterverkehr für mehr als 420 Stunden.
Die Streikkosten einer Gewerkschaft entstehen vor allem beim Streikgeld, das den Streikenden gezahlt wird. „Wir zahlen 10 Euro pro Stunde und maximal 100 Euro Streikgeld pro Schicht, dann ist Schluss“, sagte Weselsky kürzlich in einem Stern-Interview. „Die Einbußen der Kolleginnen und Kollegen sind größer. Das wissen sie, aber sie können auch rechnen. Wenn sie anschließend eine Einkommenserhöhung von 150 oder 210 Euro monatlich mehr haben, wissen sie, für was sie streiken.“ Streikgeld muss nicht versteuert werden.
Über die Streikbeteiligung wurde zuletzt wenig bekannt. Die GDL verhandelt bei der Bahn für rund 10.000 Beschäftigte. Selbst wenn nur die Hälfte dieser Beschäftigten regelmäßig gestreikt hat, dürften die Streikgeld-Kosten bei inzwischen mehr als 10 Arbeitskampftagen bereits in die Millionen gehen. Die Bahn kostet jeder Streiktag nach Konzernangaben 25 Millionen Euro. (lma/dpa)
Bayern-Chef der GDL befürchtet weitere Streiks
Update vom 25. Januar, 13:40 Uhr: Uwe Böhm, der Landesvorsitzende der GDL Bayern, macht im Interview mit dem Münchner Merkur wenig Hoffnung auf eine rasche Einigung zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführer-Gewerkschaft. „Das Verhalten der DB-Chefetage macht uns rasend. Und tatsächlich belügt (DB-Personalvorstand) Seiler die Presse, wenn er sagt, die DB biete jetzt eine Absenkung der Arbeitszeit an. Na klar, wenn das Personal es selbst mit Einkommensverlusten zahlt“, sagte Böhm. Er befürchte, dass es noch einen weiteren Streik geben werde. „Die DB stellt sich fürchterlich an. Dabei hat die GDL mittlerweile mit 18 Unternehmen sehr gute Tarifabschlüsse erzielt – für 10.000 Eisenbahner insgesamt.“
Tarif-Experte: GDL fährt zunehmend riskanten Kurs
Update vom 25. Januar, 10:30 Uhr: Der Rekordstreik der Gewerkschaft GDL ist in vollem Gange, viele Züge stehen still. Allerdings fährt die GDL damit nach Einschätzung eines Experten einen zunehmend riskanten Kurs. „Nach diesem Streik muss man unbedingt wieder miteinander sprechen, am besten unter der Anleitung eines unabhängigen Moderators“, sagte der Tarif-Experte Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) der Deutschen Presse-Agentur.
Die GDL müsse vermeiden, dass sich die öffentliche Meinung gegen die Lokführer wendet. Dies sei ein wichtiger Einflussfaktor, wenn es darum gehe, die eigenen Mitglieder bei der Stange zu halten. „Eine weitere Streikrunde ohne vorherige Verhandlungen könnte ein mediales Desaster für die GDL werden. Das könnte auch ein Kipppunkt für die Streikbereitschaft der Mitglieder werden“, meinte Lesch.
Experte: Weitere Streikrunde ohne Verhandlungen könnte Desaster für GDL werden
Mit schärferer öffentlicher Kritik stehe perspektivisch auch die finanzielle Unterstützung der GDL beim Streikgeld durch den Deutschen Beamtenbund in Frage. Dessen Verantwortliche hätten die GDL bereits im Bahn-Tarifkonflikt 2015 zu einer Schlichtung gedrängt.
„Anders als mit einem Moderator kommt man in der momentanen Situation einfach nicht mehr weiter“, sagte der Gewerkschaftsforscher Lesch. Die Deutsche Bahn habe dies frühzeitig angeregt. Die GDL lehnt bislang ein solches Verfahren bislang ab.
Ein Problem seien die verhärteten Fronten, so Lesch. So lehne es die Bahn nach Angaben der GDL ab, einen Tarifvertrag bei der Instandhaltung mit der GDL auszuhandeln. Die GDL macht dies wiederum zur Vorbedingung neuer Verhandlungen, schildert Lesch. Unter Anleitung eines Moderators bestehe die Chance, derartige Konfrontationslinien erst einmal nach hinten zu stellen und zunächst Dinge auf die Agenda zu setzen, bei denen sich eine Einigung einfacher erzielen lässt. Dies sei notwendig, um überhaupt wieder in Gespräche zu kommen. (lma/dpa)
Weselsky klärt im Bahn-Streik der GDL auf über „Mär, die hier getrieben wird“
Erstmeldung vom 24. Januar: Und wieder stehen die Züge still. Sechs Tage lang tritt die Lokführergewerkschaft GDL in den Streik, legt den Bahnverkehr in Deutschland lahm. Start ist bereits am Dienstagabend um 18 Uhr im Güterverkehr, der Personalverkehr folgt am Mittwochmorgen um 2 Uhr. Ärger und Verspätungen sind vorprogrammiert. Für Kunden gelten dann besondere Ticket-Rechte.
Der Arbeitskampf ist wie immer heiß diskutiert, nicht nur in der Bevölkerung. Gleichgültigkeit breitet sich aus, gleichzeitig wächst aber auch bei vielen das Unverständnis. „Wir sind diejenigen, die mehr über die Kunden nachdenken und die Wirkung unseres Streiks auf die Kunden als das Bahn-Management“, behauptet Gewerkschaftsführer Claus Weselsky im ZDF-Interview allerdings. Auf die Verhandlungsverantwortlichen der Deutschen Bahn, sowie die Politik-Verantwortlichen ist er jedoch gar nicht gut zu sprechen.
Bahn-Streik der GDL: Weselsky zu komplizierten Verhandlungen – „andere Seite macht das sehr geschickt“
Der „rote Riese“, wie Weselsky die Bahn nennt, habe ein „störrisches Management, das zum wiederholten Male versucht, das Rad neu zu erfinden und unsere grundrechtlichen Errungenschaften abspenstig macht“. Warum man trotz des Gegenangebotes der Bahn – immerhin stehen dort 13 Prozent mehr Gehalt und eine Stunde weniger Arbeitszeit zu Buche – nicht verhandeln wolle, will Moderatorin Nazan Gökdemir von Weselsky wissen. Seine Antwort: „Weil die andere Seite das sehr geschickt macht“.
Der GDL-Chef erklärt, die 13 Prozent seien erst zustande gekommen, nachdem man angeboten habe, die Wochenarbeitszeit um eine Stunde abzusenken. „Die Absenkung wird dann vollzogen, wenn genügend Personal an Bord ist“, erklärt Weselsky die Einschränkung. Andere Arbeitgeber hätten die Wochenarbeitszeit-Absenkung im Tarifvertrag verankert. Anders bei der Bahn um Vorstand und Verhandlungsführer Martin Seiler. Der versuche, sich hier „ein Hintertürchen offenzuhalten“.
GDL-Bahn-Streik: Weselsky klärt auf über „Mär, die hier getrieben wird“
Dass das ganze Problem also durch Personalprobleme zustande gekommen sei, verneint Weselsky allerdings vehement. Laut ihm sei es eine „Mär, die hier getrieben wird“, die besage, es gäbe ohnehin Fachkräftemangel, weshalb eine Wochenarbeitszeit-Absenkung im direkten Bereich „Gift“ sei.
Offen für Verhandlungen seien Weselsky und die GDL trotzdem, allerdings erst „wenn das Angebot der Deutschen Bahn AG es wert ist und keine Einschränkung beinhaltet“. Schuldzuweisungen in der Bahnstreik-Diskussion sind derweil nicht neu. Bereits beim letzten Bahn-Streik verriet eine DB-Sprecherin ein Detail, das „der Herr Weselsky gerne verschweigt“. (han)
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