Fataler Mangel

Kita-Desaster mit Auswirkungen: Wirtschaft fühlt den Stress

  • VonMax Schäfer
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Der Mangel an qualifiziertem Personal in Kitas hat Konsequenzen. Sie sind instabil. Das Problem erstreckt sich weit über die Kinderbetreuung hinaus - bis weit in die gesamte Wirtschaft.

Frankfurt – Die Kinderbetreuung in Deutschland steckt in der Krise. Noch dazu stehen Kitas immer wieder in der Kritik. Sie seien zu wenige Stunden am Tag geöffnet, hatte Monika Schnitzer, Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft, kürzlich kritisiert. „Sie sind nicht zuverlässig, schließen zu viele Wochen im Jahr“, sagte die sogenannte Wirtschaftsweise den Funke-Zeitungen. „Man kann sich auf die Kitas nicht verlassen.“ Was für Eltern und Kinder ärgerlich ist, hat auch Folgen für die Wirtschaft.

Kita-Krise zwingt Eltern in Teilzeit: „Keine Wahl, als seine Arbeitszeit zu reduzieren“

Denn: Eltern stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung – während zahlreiche Stellen unbesetzt sind. Letztendlich trifft das vor allem Frauen, die überwiegend die Sorgearbeit in den Familien übernehmen. „Wir haben ein System, bei dem wir Teilzeit massiv fördern“, sagte auch Schnitzer. Denn das System der Kinderbetreuung beruhe darauf, dass man Großeltern einbeziehe oder sich privat einen Babysitter organisiere, wenn man es sich leisten könne. „Wer das nicht kann, hat keine Wahl, als seine Arbeitszeit zu reduzieren.“

Zementiert werde die Teilzeit-Arbeit von Frauen etwa durch das Ehegattensplitting, „an dessen Reform sich niemand traut“, sagte die Wirtschaftsweise. „Dieses Zusammenspiel ist fatal.“ Damit bleiben Optionen für die Wirtschaft ungenutzt. „Durch Fehlanreize vor allem für Frauen und Ältere liegen bislang erhebliche Erwerbspotenziale brach“, erklärten auch Ökonomen des Ifo-Instituts in einer Analyse.

Bessere Kinderbetreuung könnte Fachkräftemangel vorbeugen – und kriselnde Wirtschaft stützen

Die Forschenden aus München hatten dabei ausgewertet, wie der Fachkräftemangel gemildert werden könnte. Neben Änderungen an der Rente stand dabei die Beteiligung von Frauen an der Erwerbsarbeit im Vordergrund. 200.000 Stellen könnte das Ende des Ehegattensplitting bringen.

Bei einer besseren Kinderbetreuung könnten 58.000 zusätzliche Kräfte für den Arbeitsmarkt gewonnen werden, hatten die Ifo-Ökonomen festgestellt. Das Potenzial ist noch größer, wenn die neuen Kitaplätze „vornehmlich in Mantelregionen“ geschaffen würden. Gemeint sind vor allem Großstädte im Westen. Denn bisher sind laut Statistischem Bundesamt lediglich 27 Prozent der Mütter mit Kindern unter sechs Jahren in Vollzeit tätig, bei den Vätern sind es 91 Prozent. Die Erwerbstätigenquote der Frauen lag 2023 bei 49,1 Prozent.

Doppelter Mangel: In Kitas fehlen über 400.000 Plätze

Dazu müssten jedoch 400.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden. Hier zeigt sich das Problem. Denn diese Plätze fehlen derzeit. Nach dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung fehlen diese allein im Westen. Dort gibt es demnach einen Bedarf von 385.900 Plätzen. Im Osten sind es 44.700 Plätze.

Die Kommunen bemühen sich zwar, die mehr Plätze zu schaffen und neue Einrichtungen zu eröffnen. Dazu werde jedoch Personal von bestehenden Kitas abgezogen, erklärt die Gewerkschaft Verdi. Die Personaldecke werde damit immer dünner und der Personalmangel wachse.

125.000 pädagogische Mitarbeitende fehlen in Kitas – das schadet der deutschen Wirtschaft

Denn auch bei den Kitas selbst herrscht ein Fachkräftemangel. Laut dem Paritätischen Gesamtverband sind im Schnitt pro Einrichtung 2,6 Stellen vakant. Bundesweit über 125.000 vorhandene Stellen von pädagogischen Mitarbeitenden in Kindertageseinrichtungen sind damit unbesetzt. Laut Verdi müssen 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte in deutschen Kitas eingestellt werden – allein um den überdurchschnittlich hohen Krankenstand durch Vertretungskräfte aufzufangen. Bereits jetzt hat die Entwicklung dazu geführt, dass immer weniger Fachkräfte in den Kitas arbeiten.

Die Arbeitsbelastung der Fachkräfte in den Kitas hat Folgen. Besonders die psychische Belastung ist hoch und führt zu Ausfällen. Laut DAK-Gesundheit hatten Beschäftigte in Kitas 2023 mit 534 Arbeitsunfähigkeitstagen pro 100 Versicherten die meisten Krankheitstage auf dem Arbeitsmarkt. Kitas seien dadurch nicht mehr zuverlässig geöffnet, Öffnungszeiten verkürzt und kindgerechte Bildungsarbeit könne nicht mehr stattfinden.

Wirtschaftsweise Schnitzer fordert deshalb mehr Personal und Geld für die Kitas. So könne man viel zusätzliche Arbeitszeit gewinnen. Auch Verdi fordert eine Verbesserung des Personalschlüssels und ein Sondervermögen für Kitas.

Rubriklistenbild: © Christoph Soeder/dpa