Nullrunde gefordert
Zoff nach Lindners Ansage zum Bürgergeld: „Anpassung wird nicht in Politik-Talkshows festgelegt“
VonAmy Walkerschließen
Im kommenden Jahr soll es nach dem Willen von Finanzminister Christian Lindner keine weitere Erhöhung des Bürgergeldes geben. Auch der Sozialminister hält das für möglich.
Berlin – Kaum hat die Auszahlung des erhöhten Bürgergeldes begonnen, wird auch schon über die nächste Anpassung nachgedacht. Nach der Erhöhung um satte zwölf Prozent - und der darauffolgenden Debatte, ob sich Arbeit angesichts dessen noch lohne – wirbt Finanzminister Christian Lindner (FDP) für eine Nullrunde im Jahr 2025. Also: Keine Erhöhung des Bürgergeldes im nächsten Jahr.
Lindner will Mechanismus zur Anpassung des Bürgergeldes überarbeiten
Der Regelsatz sei zum 1. Januar dieses Jahres sehr stark gestiegen, sagte der FDP-Politiker am Donnerstagabend (25. Januar) in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Ich sage, er ist überproportional stark gestiegen, denn als er festgelegt worden ist, ist man von einer ganz anderen Inflationsrate für den Januar 2024 ausgegangen.“ Die Konsequenz werde nach seiner Erwartung sein, dass es zum 1. Januar 2025 eine Nullrunde geben werde, „um die überproportionale Erhöhung wieder einzuarbeiten.“
Das Bürgergeld ist zu Jahresbeginn im Vergleich zu 2023 im Schnitt um rund zwölf Prozent gestiegen. Für Alleinstehende bedeutet das ein Plus von 61 auf 563 Euro im Monat. Erwachsene, die mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenleben, bekommen 506 Euro. Für Kinder und Jugendliche liegen die Sätze je nach Alter zwischen 357 und 471 Euro.
Hintergrund der Erhöhung sind gestiegene Lebenshaltungskosten, die bei der Berechnung der Regelsätze berücksichtigt werden. Der Regelsatz für das Bürgergeld wird jährlich an Preise und Löhne angepasst und berücksichtigt auch die Inflation. Lindner hatte zuletzt gefordert, die Methode zur Berechnung des Bürgergeldes zu überprüfen, damit die Inflation nicht überschätzt werde.
Bürgergeld-Erhöhung 2025 fällt laut Hubertus Heil „sehr, sehr niedrig“ aus
Auch Sozialminister Hubertus Heil (SPD) erwartet, dass im kommenden Jahr das Bürgergeld nur wenig angepasst wird. Im Dezember 2023 kündigte er eine Erhöhung an, die „sehr, sehr niedrig“ ausfallen dürfte – solange die Inflation wie erwartet niedrig bleibt. Ökonomen gehen davon aus, dass sich diese im Jahr 2024 ungefähr halbieren dürfte. 2023 lag die Rate bei 5,9 Prozent.
Auch jetzt wiederholte Heil als Reaktion auf Lindners Forderungen nach einer Nullrunde, dass sich das Bürgergeld nach der Preisentwicklung richtet. „Wenn jetzt die Inflation deutlich sinkt, wird die nächste Anpassung entsprechend niedrig sein,“ sagte er dem Spiegel. Es würde sich aber weiterhin nach dem gesetzlichen Existenzminimum richten – und werde nicht „gewürfelt“, wie er weiter sagte. „Da die für das Existenzminimum ausschlaggebenden Preise, etwa bei Lebensmitteln und Strom, im vergangenen Jahr stark gestiegen sind, gab es eine deutliche Anpassung des Bürgergelds.“
Sollten sich die Prognosen bewahrheiten, könnte bei einer Inflationsrate von drei Prozent eine Erhöhung des Bürgergeldes um 16,89 Euro auf 579,89 Euro gerechtfertigt sein. Bei einer Erhöhung um zwei Prozent würden Empfänger 11,26 Euro mehr bekommen, als heute.
Kritik an Lindner-Vorstoß vom Sozialverband: „Lindner wirft mit Nebelkerzen“
Im Januar hat das Bürgergeld als zentrale Sozialreform der Ampel-Regierung Hartz IV in seiner alten Form ersetzt. Die Regelsätze waren bereits zu Beginn des Jahres 2023 um etwa 50 Euro gestiegen. Durch die Reform wird die Höhe der Leistungen schneller an die Preisentwicklung angepasst als zuvor. Früher wurde die Inflation nur sehr verzögert berücksichtigt. Jetzt wird das Lohn- und Inflationsniveau für die Regelsätze des Folgejahres bis zum zweiten Quartal des laufenden Jahres berücksichtigt.
Der Vorstoß Lindners stößt beim Sozialverband SoVD auf Kritik. „Christian Lindner wirft beim Thema Bürgergeld zum wiederholten Male mit Nebelkerzen. Die Anpassung wird nicht etwa in Polittalkshows festgelegt, sondern folgt klaren im Gesetz stehenden Kriterien wie der Inflation und der Lohnentwicklung“, sagt die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier unserer Redaktion. „Die ohnehin knappen Leistungen für die Ärmsten infrage zu stellen und über Nullrunden zu spekulieren, ist unverschämt und vertieft die gesellschaftliche Spaltung.“
Zum wiederholten Male fordert Engelmeier, an anderer Stelle zu sparen und fordert einen höheren Spitzensteuersatz. „Anstatt Einsparungen immer zuerst bei den Schwächsten zu fordern, ist es an der Zeit, Lösungen auf der Einnahmeseite zu präsentieren und Riesenvermögen und höchste Einkommen stärker zu besteuern.“
Mindestlohn steigt weniger deutlich - heizt die Bürgergeld-Debatte an
Doch durch die Reform des Bürgergelds wird zunehmend deutlich, dass beim Mindestlohn ein klarer Mechanismus für die Anpassung fehlt. Dadurch rückt das Bürgergeld-Niveau schneller an das des Mindestlohnes heran, sodass der Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt wird, arbeiten würde sich weniger lohnen. In Studien lässt sich das zwar immer wieder widerlegen – doch die Debatte bleibt.
Über die Höhe des Mindestlohns entscheidet alle zwei Jahre die Mindestlohnkommission. Diese besteht aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, die gemeinsam zu einer Einigung kommen müssen. 2023 gab es zum ersten Mal keinen einstimmigen Beschluss. Wegen einer einzigen Stimme setzte sich der Arbeitgebervorschlag durch, weshalb 2024 der Mindestlohn um nur 3,42 Prozent auf 12,41 Euro steigen soll. 2025 steigt er dann auf 12,82 Euro.
Mit Material von dpa
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