Synthetisches Gas
Mit Subventionen „viel Geld verdienen“: – US-Unternehmer geht auf Jagd nach Habecks Fördergeldern
VonAmy Walkerschließen
Mit seinen Klimaschutzverträgen will Habeck es Unternehmen leichter machen, ihre Prozesse zu dekarbonisieren. Doch das verleitet offenbar auch zwielichtige Firmen zur Subventionsjagd.
Berlin – Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht wieder mal unter Druck. Ihm wird offenbar vorgeworfen, Fördergelder aus ideologischen Gründen nur für bestimmte Projekte zuzulassen – während andere Technologien außen vor gelassen würden. Im konkreten Fall geht es um sogenanntes synthetisches Erdgas, auch SNG oder eNG genannt. Das ist Erdgas, das aus biogenem CO₂ und grünem Wasserstoff hergestellt wird. Es wird als klimaneutrales Gas verkauft und viele Unternehmen sehen darin ein Potenzial, ihre Prozesse zu dekarbonisieren - und wollen dafür im Rahmen von Habecks neuen Klimaschutzverträgen gefördert werden. Umweltverbände und Naturschutzorganisationen schlagen jedoch Alarm.
Synthetisches Erdgas gilt als „klimaneutral“ - Umweltverbände zweifeln an Effizienz
Die chemische Formel von Erdgas, auch einfach Methan genannt, ist CH4. Um es künstlich herzustellen, braucht man Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffdioxid (CO₂). Damit das entstandene Gas als klimaneutral gelten kann, muss der Wasserstoff mittels erneuerbarer Energien hergestellt sein („grüner Wasserstoff“) und das CO₂ muss aus einer biogenen Quelle kommen. Beispiele dafür wären CO₂, das bei der Müllverbrennung entsteht oder im Gärungsprozess von Bioabfällen. Danach kann das Gas ganz genau so verwendet werden wie konventionelles Erdgas, es ist chemisch gesehen das gleiche Gas.
Doch aus Sicht der Umweltorganisationen klingt das alles besser, als es ist. „Es [SNG, Anm. d. Red] ist energetisch und ökonomisch vollkommen ineffizient, blockiert den Wasserstoffhochlauf und ist ohne mehrfache Förderungen nicht konkurrenzfähig“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Naturschutzbund Deutschland (NABU), World Wildlife Fund for Nature Deutschland (WWF) und dem Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR). „Die Förderung von synthetischem Methan wäre ein großes Transformationshemmnis, da sie die nötigen Investitionen und Innovationen für den Umstieg auf erneuerbare Energien bremst“, heißt es darin weiter.
US-Firma stellt SNG her - Herkunft des CO₂ ist zweifelhaft
Widerstand kommt von Unternehmen, die sagen, sie hätten aktuell keine andere Alternative als SNG für die Dekarbonisierung. Oder sie betonen, dass das Gas als Brückentechnologie zum Einsatz kommen soll, bis zum Hochlauf des Wasserstoffnetzes, was noch viele Jahre dauern wird. „Wir sollten die vorhandene Erdgasinfrastruktur als Chance sehen, nicht als Risiko. Wir reden hier über Milliardenwerte, die wir auf dem Weg zur Klimaneutralität nutzbar machen können“, wird ein nicht weiter genannter Manager im Handelsblatt zitiert. Und auch aus der SPD kommt Zuspruch für das synthetische Gas. „Wir verfügen über die Technologie und die Infrastruktur. Es wäre töricht, die enormen Potenziale nicht zu nutzen“, zitiert die Zeitung den SPD-Mann Bengt Bergt.
Aus informierten Kreisen ist nun zu hören, dass Habeck und sein Ministerium jetzt darüber nachdenken, SNG doch noch im Rahmen der Klima-Verträge zu fördern. Entsprechend alarmiert reagieren nun die Gegner der Technologie.
Denn: Geliefert werden soll das SNG aus dem Ausland, hierzulande gibt es (noch) keine Unternehmen, die das Gas herstellen. Eines der großen Unternehmen ist die US-Firma TES, die das Gas nach Wilhelmshaven liefern will. Doch aus Sicht der Umweltorganisation Bellona Deutschland ist die Geschäftsidee des Unternehmens eher fragwürdig. „Dieses Unternehmen lobbyiert scheinbar seine potenziellen Industriekunden massiv, damit diese sich für Fördergelder im Rahmen der Klimaschutzverträge einsetzen. Dabei soll TES bereits Subventionen durch das IRA [Inflation Reduction Act, Anm. d. Red] in den USA erhalten“, sagt Georg Kobiela, politischer Leiter von Bellona Deutschland, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Außerdem ist nicht klar, ob das von TES verwendete CO₂ wirklich biogen, geschweige denn nachhaltig, sein wird“, sagt er weiter.
Der CEO von TES, Marco Alverà, macht auch keinen Hehl daraus, dass er in Deutschland und anderswo hauptsächlich auf Subventionsjagd geht. In dem Podcast „Cleaning Up“ sagt er offen: „Es kann viel Geld mit dem Stapeln von Subventionen verdient werden. Man bekommt eine Subvention fürs Einfangen des CO₂, eine für die Herstellung der Erneuerbaren, eine Subvention für die Herstellung von Wasserstoff. Und ratet mal was, man kann es exportieren und dann können wir noch Subventionen in Europa bekommen“.
SNG herzustellen wäre sehr teuer und ineffizient
Auch gibt Alverà im Gespräch mehr oder weniger zu, dass sein Gas aktuell zumindest nicht aus biogenem CO₂ hergestellt wird. Auf die direkte Frage, ob sein Gas fossiles CO₂ verwendet, sagt er: „Es könnte biogen sein“. Und er gibt zu, dass das Gas am Ende doch wieder in die Atmosphäre gelangt – egal wie oft er behauptet, einen „CO₂-Kreislauf“ herstellen zu wollen. Höchst fraglich also, ob das SNG dieser Firma wirklich klimaneutral ist – oder nur ein Geschäftsmodell, das auf das Abgreifen von Subventionen beruht.
Zu dieser Conclusio kommt auch der Journalist Michael Liebreich, der das Interview in dem Podcast mit Alverà geführt hat. In einem ausführlichen LinkedIn-Post nach Veröffentlichung der Podcastfolge geht er auf das Thema SNG nochmal vertieft ein. Und er weist darauf hin, wie exorbitant teuer das SNG sein muss.
Das betont auch Georg Kobiela im IPPEN-Gespräch: „Es ist schon sehr teuer, grünen Wasserstoff herzustellen. Es wäre unheimlich ineffizient, danach noch SNG herzustellen, was ja auch noch zusätzlich Energie kostet, und als ‚Drop-In-Fuel‘ schlicht analog zu Erdgas in der deutschen Industrie einzusetzen“. Dann der Import nach Europa, das Einspeisen ins Gasnetz - für was genau?
Klimaneutrale Gase sind nicht grundsätzlich abzulehen
Kobiela und Bellona Deutschland betonen jedoch auch, dass es einen Platz für synthetische Gase in der Dekarbonisierung gibt. „SNG ist aber eine Nischenlösung, die nicht großflächig – und insbesondere nicht in direkt elektrifizierbare oder auf Wasserstoff umstellbare Anwendungen – verwendet werden sollte“. Auch Stoffe wie E-Kerosin lehnt die Organisation nicht ab, es sei „unstrittig“, dass diese Gase ihren Beitrag leisten müssen. „Der energetische und somit wirtschaftliche Aufwand, diese Kraftstoffe klimaneutral herzustellen, lässt jedoch einen großflächigen Einsatz auf absehbare Zeit nicht sinnvoll erscheinen, schon gar nicht in Regionen wie Mitteleuropa“, so deren Position.
Die Unternehmen, die sich erhoffen, mittels SNG - zumindest das von TES - ihre Prozesse schneller zu dekarbonisieren, werden durch die aggressive Vermarktung also offenbar auf einen Irrweg geführt. Trotzdem ist das Wirtschaftsministerium wohl gespalten. Insbesondere die Behauptung einiger genervter Manager laut Handelsblatt-Bericht, dass Habeck und sein Wirtschaftsministerium ideologisch getrieben seien und deshalb SNG von den Förderungen ausschließen wollen, setzen den Minister unter Druck. Eine Entscheidung darüber, ob das synthetische Gas im Rahmen der Klimaschutzverträge zugelassen werden soll, soll bald gefällt werden.
Rubriklistenbild: © Imago/Fotomontage
