Zulassungen bei Elektroautos schrumpfen

„Gar kein Auto kaufen“ – Zweifel bei Elektroautos und Verbrennern

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Die Autoindustrie befindet sich in einer Krise. Elektroautos büßen an Popularität ein, die Zukunft wirkt unklar. Ein Experte rät vom Erwerb ab.

Berlin – Das Umfeld für deutsche Automobilhersteller wandelt sich derzeit drastisch. Strengere Umweltauflagen kollidieren mit technologischer Machbarkeit; einige Autobauer haben bereits vorgewarnt, dass die Klimaziele der Bundesregierung zu hoch gesteckt seien. Gleichzeitig sorgen chinesische Hersteller für Preisdruck, insbesondere bei den Elektroautos durch den chinesischen Giganten BYD. Wofür sollten Kunden sich entscheiden – Verbrenner oder Elektroauto?

Weder Elektroauto noch Verbrenner – Krise in der Automobilindustrie?

„Ich würde mir gar kein Auto mehr kaufen“, verriet der Autohaus-Verkaufsberater Sven Mummenhoff der Zeit vor einigen Tagen. Damit meinte er sowohl die klassischen Verbrenner als auch die neueren Elektroautos. Zu viele Fragen seien offen – zum Beispiel die nach dem Strompreis, die nach dem Benzinpreis, die nach der Förderung. Kurz gesagt, sind schlicht zu viele Variablen offen, die Kunden berücksichtigen müssten.

Ein Elektroauto an einer E-Tankstelle (Symbolfoto). Die Automobilindustrie steckt in der Krise. Elektroautos verlieren an Boden, die Zukunft scheint ungewiss. Ein Berater rät vom Kauf ab.

„Ich würde leasen, also quasi mieten, und dann in drei oder vier Jahren noch einmal schauen, was die Weltlage macht“, erklärte der Berater. Diese Stimmung der Unsicherheit hat längst um sich gegriffen: Privatleute und Firmen kaufen im ganzen Land nicht mehr so viele Autos wie vor 2020. Das Jahr gilt für viele Branchen als Umbruchjahr; das Jahr 2019 als neuer Standard für das, was sie wieder erreichen wollen. Das Produktions/Verkaufsniveau von 2019 zu erreichen oder zu übertreffen, heißt, Erfolg zu haben.

„Desaster“ bei Elektroautos – Nachfrage bricht deutlich ein

Vor einigen Jahren sah es noch danach aus, als ob der Weg für die Elektromobilität endgültig geebnet sei. Lange hatte die EU die Förderung von Elektroautos im sogenannten „European Green Deal“ festgeschrieben, im europäischen grünen Deal. Die Bundesregierung hatte Elektroautos noch gefördert – bis sie den „Umweltbonus“ im Dezember 2023 abrupt gestoppt hatte. Jetzt stecken die Elektroautos in der Krise; schlimmer noch als der Gesamtmarkt.

„Das große Elektroauto-Desaster“ titelte zum Beispiel das Fachmagazin Autor, Motor & Sport dazu. „Die Entwicklung bei den Elektroautos kann man unumwunden als Desaster bezeichnen“. Der Verkauf von reinen Elektroautos ist im Juli 2024 massiv eingebrochen; noch rund 30.800 neue Pkw mit batterieelektrischem Antrieb (BEV) erhielten die Zulassung. Das bedeutet einen Einbruch um 36,8 Prozent gegenüber Juli 2023, berichtete der ADAC unter Berufung auf Daten des Kraftfahrt-Bundesamts. Hybrid-Fahrzeuge machten dagegen einen Sprung: Ihr Absatz wuchs um beinahe ein Fünftel auf rund 80.000 Neuzulassungen (auch Juli 2024).

Dass Elektroautos irgendwann dominieren werden, sei Akteuren innerhalb der Branche bewusst. Allerdings ist nicht klar, ob diese Entwicklung tatsächlich zu den auf EU-Ebene gesteckten Zielen passen wird. Im Jahr 2030 muss etwa die Hälfte aller Autos elektrisch betrieben sein. Der Autoverkäufer Mummenhoff weiß das auch – trotzdem sei es nicht sein Job, Kunden „auf Elektro umzustimmen“. Die Anreize dazu müssten von „weiter oben“ kommen.

Autobauer setzen auf Technologie-Offenheit – Verbrenner als Alternative für Elektroautos

Was uns zum klassischen Verbrenner führt. Der Anteil der Benziner an den Neuzulassungen betrug im Juli 35 Prozent, Fahrzeuge mit Dieselantrieb machten 18,1 Prozent aus. Vonseiten mehrerer Autohersteller war bereits zu hören, dass sie auf „Technologie-Offenheit“ setzen. Toyota zum Beispiel will nicht komplett auf Elektroautos umschwenken, sondern auch im Zeitalter der Elektroautos Verbrenner anbieten. BMW macht es genauso: Weil der Fokus auf eine Antriebsart zu riskant sei, investiert der Autohersteller in beide Richtungen.

„In der Autoindustrie haben inzwischen viele realisiert, dass unsere Vorgehensweise der bessere Ansatz ist“, erklärte der Toyota-Wissenschaftler Gill Pratt gegenüber dem Portal Edison. Für den Vielfältigkeits-Ansatz des japanischen Herstellers gebe es keine technologische Alternative. Das liege unter anderem am noch immer stockenden Ausbau der Elektro-Infrastruktur. Ein manchen Teilen der Welt werde es „vermutlich bis zu mehreren Dekaden“ dauern, bis die Verbreitung von Elektroautos Fahrt aufnehme.

„Man muss diese Arbeitnehmer in neue Branchen bringen“ – Rüstung statt Automobilindustrie?

Trotz der „Elektro-Krise“ steckt die Autoindustrie in einem grundlegenden Wandel. Moritz Schularick, Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, prognostizierte in einem Interview einen Niedergang der großen Autobauer. „Autozulieferer und Stahlindustrie verlieren Mitarbeiter. Man muss diese Arbeitnehmer in die neuen Branchen bringen. Das passiert bereits in der Militärtechnologie, daraus werden wir gesamtwirtschaftlich Vorteile ziehen.“

Gleichzeitig menetekelte er: „Die Chance, dass die drei großen deutschen Autohersteller, BMWVW und Mercedes-Benz, dieses Jahrzehnt in dieser Form überleben, sind gering.“ Konkreter wurde er dabei nicht.

Laut dem Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) war die Pkw-Inlandsproduktion zuletzt leicht gestiegen. Gegenüber dem Juli 2023 stand bei der Herstellung ein Plus von 13 Prozent auf dem Papier. Allerdings blieb das erste Halbjahr 2024 hinter dem Vorjahreszeitraum zurück: Vier Prozent weniger Pkws verließen die Fabriken als im Jahr 2023. Verglichen mit 2019 produzierten die deutschen Autohersteller sogar 15 Prozent weniger Pkw.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Michael Gstettenbauer