Gemischte Reaktionen
Frau testet, ob das Bürgergeld tatsächlich zu hoch ist, und zieht ein klares Fazit
VonJana Stäbenerschließen
Eine Nutzerin auf TikTok wagt den Versuch und lebt drei Monate lang mit nur 502 Euro Bürgergeld pro Monat. Funktioniert das? Wir haben ein Interview mit ihr geführt.
Zum Jahreswechsel 2024 stieg das Bürgergeld um etwa zwölf Prozent. Seitdem erhält ein Single ohne Kinder statt 502 Euro 563 im Monat, neben den Kosten für Miete. Die Inflation der letzten zwei Jahre war der Auslöser für diese Anpassung, wie Bundesminister Hubertus Heil (SPD) damals erklärte. Schon bei der Ablösung des ALG II, bekannt als „Hartz IV“, im Januar 2023 stieg der monatliche Betrag, den Langzeitarbeitslose bekommen, um 50 Euro.
Dementsprechend umstritten war die Erhöhung Anfang 2024 von 502 auf 563 Euro. Bürgergeld „reize nicht zur Arbeit an, sondern eher zum Nichtarbeiten“, sagen Unions-Politikerinnen wie Julia Klöckner (CDU). Ihre Partei will die Bürgergeldregeln deutlich verschärfen, kündigte Generalsekretär Carsten Linnemann 2024 an. Die Ampel-Regierung ging inhaltlich in eine ähnliche Richtung und kündigte damals für 2025 keine Bürgergeld-Erhöhung an.
„Wer arbeiten geht, muss stets deutlich mehr in der Tasche haben, als jemand, der vom Geld der Steuerzahler lebt“, sagte damals FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Dass das zutrifft, zeigt diese Bürgergeld-Rechnung. Doch wie ist das eigentlich wirklich, mit – damals noch 502 Euro – zu leben? Die 36-jährige Marketing-Projektmanagerin Kathrin hat das im Winter 2023 in einem Bürgergeld-Experiment getestet. BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA hat mit ihr gesprochen.
@frugal_ist Es geht wieder los #bürgergeldexperiment #frugal_ist #sparen #frugalismus #finanziellefreiheit #hartz4 ♬ Originalton - frugal_ist
TikTokerin wagt Bürgergeld-Experiment: Wie lautet ihr Urteil?
Kathrin ist auf TikTok unter dem Namen @frugal_ist unterwegs. Sie gibt dort Tipps, wie man früh in Rente gehen kann und im Alltag möglichst viel spart. Bereits 2021, als es noch Hartz IV gab, startete sie ein mehrmonatiges Bürgergeld-Experiment. „Es hat mich einfach interessiert, ob ich damit klarkommen würde“, erzählte sie BuzzFeed News Deutschland.
Ihre Lebensumstände als kinderlose Single in einer kleinen Wohnung eignen sich gut für einen Vergleich. Was ist ihr Fazit nach dem Bürgergeld-Experiment? „Für mich war es ausreichend, es erlaubt aber definitiv keine großen Sprünge.“ Worüber sie sich dennoch ärgert: Dass viele Menschen in schlecht bezahlten Jobs am Ende nicht viel mehr übrig haben. „Das darf nicht sein.“
Bürgergeld-Experiment: „Merke enormen Unterschied zu Hartz4“
Kathrin betonte im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland mehrfach, dass sie mit ihrem Experiment nicht moralisieren wolle. „Mir ist wichtig zu sagen, dass ich die Höhe des Bürgergelds mit meinem Experiment nicht bewerten will. Die Situation ist von Mensch zu Mensch sehr individuell und nur weil ich mit dem Geld gut klargekommen bin, muss das nicht für alle gelten“, sagte die 36-Jährige.
Sie wolle vielmehr aufzeigen, wo sie auch bei diesem geringen Einkommen in Höhe von 502 Euro (563 Euro seit 2024) Einsparpotenzial sieht und was für sie als „Normalo“ besonders schwierig ist. In ihrem TikTok-Video (siehe unten) zeigt sie sich schockiert über die 1,80 Euro, die Bürgergeld-Empfänger monatlich für Bildung erhalten. Mit ihrem Experiment möchte sie auch testen, ob sie es trotz Bürgergeld schafft, etwas zu sparen.
Im Vergleich zu ihrem Hartz IV-Experiment bemerkte sie beim Bürgergeld-Experiment einen deutlichen Unterschied. Bei Hartz IV konnte sie teilweise sogar 100 Euro pro Monat sparen. „Aber das war auch während Corona, also in einer Zeit, in der man nicht viel unternommen hat“, erklärte sie. „Jetzt ist nicht nur die Pandemie vorbei, auch die Lebensmittelpreise sind viel höher. Im ersten Monat meines Bürgergeld-Experiments hatte ich am Ende nur etwa 40,30 Euro übrig.“
@frugal_ist Tag 1 des #Bürgergeldexperiments #frugalismus #finanziellefreiheit #hartz4 #sparen ♬ Originalton - frugal_ist
„4000 Euro in einem Jahr sparen“: Welche Reaktionen das Bürgergeld-Experiment auslöst
Auf ihr Hartz IV-Experiment erhielt Kathrin viele Reaktionen. Diese waren sehr gemischt, berichtete sie BuzzFeed News Deutschland. Von Jobcenter-Mitarbeitern, die ihr Ratschläge gaben, wofür sie zusätzlich Geld beantragen könnte, bis hin zu traurigen Geschichten von Familien, die mit Hartz IV überhaupt nicht über die Runden kommen.
Einige Empfänger reagierten jedoch positiv auf ihr Experiment. Und nicht nur sie – auch Menschen mit normalem Einkommen wurden durch Kathrins Umgang mit Geld beeinflusst. „Eine Familie hat mir geschrieben, dass sie dank meiner Tipps 4000 Euro in einem Jahr einsparen konnte“, berichtete Kathrin. Die Tatsache, dass sie Menschen dazu inspirieren könne, weniger zu konsumieren (egal ob Bürgergeld-Bezieher und -Bezieherinnen oder „Normalos“), freue sie sehr.
Rubriklistenbild: © @frugal_ist TikTok