Renaissance der Atomkraft

Biden dreht Putins Geldhahn zu – doch EU-Länder sind an Russlands Uran gefesselt

  • Lars-Eric Nievelstein
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Mehrere westliche Länder nähern sich wieder der Atomkraft an. Dabei steht Russland im Weg. Das Land beherrscht den globalen Uranmarkt.

Washington – Schon vor Jahren hatte der ehemalige US-Präsident Barack Obama den Weg in Richtung Atomkraft eingeschlagen, um den CO₂-Ausstoß zu verringern. In Europa haben erst kürzlich mehrere Länder bekannt gegeben, größere Anstrengungen in die Atomkraft legen zu wollen. Sowohl die USA als auch Europa stehen dabei vor dem Problem, sich von Russlands Präsident Wladimir Putin zu lösen. Dafür gibt es jedoch Lösungsansätze.

USA verbieten russisches Uran – es sei denn, die Energie wird knapp

Um langfristig aus der Abhängigkeit zu russischem Uran zu entfliehen, hat der US-Präsident Joe Biden nun ein Importverbot gegen angereichertes russisches Uran verhängt. Angesichts dessen, dass der Ukraine-Krieg bereits seit mehr als zwei Jahren tobt und die USA auch bei Öl und Gas kaum gezögert hatten, scheint dieser Schritt sehr spät zu kommen. Allerdings sind die USA bis zu einem gewissen Grad von Russland abhängig. Im Jahr 2022, so teilte es die US Energy Information Administration mit, kamen zwölf Prozent aller Uran-Importe, die ihren Weg in die USA fanden, aus Russland. Nur Kasachstan (25 Prozent) und Kanada (27 Prozent) lieferten mehr.

Russlands Präsident Wladimir Putin (Symbolfoto). Mehrere westliche Länder nähern sich wieder der Atomkraft an. Dabei steht Russland im Weg. Das Land beherrscht den globalen Uranmarkt.

Im Frühjahr 2022 hatte das russische Unternehmen Rosatom den Markt beherrscht – fast die Hälfte der globalen Anreicherungskapazitäten befanden sich in Russland. Kurz gefasst: Die USA hatten drastische Auswirkungen auf die Energieversorgung des Landes gefürchtet, für den Fall, dass die Importe zum Erliegen gekommen wären. Das neue Gesetz umfasst neben dem Importverbot auch Subventionen für die US-amerikanische Atomindustrie. Insgesamt gewährt es dem Bereich Urananreicherung 2,7 Milliarden US-Dollar für Investitionen. Laut dem Spiegel ist jedoch auch ein Schlupfloch vorgesehen, falls es zu Versorgungsengpässen kommt: In dem Fall darf das Energieministerium eine Ausnahmeregelung gegen das Importverbot einsetzen.

Debatte um Atomkraft tobt weiter: Mit Kernkraft zur CO₂-Neutralität

Für die USA ist die Atomkraft auch wegen der Klimaziele ein großes Thema. Aktuell holen die Staaten das AKW „Palisades“ zurück ans Netz, das vorher stillgelegt gewesen war. Im Klimaaktionsplan von 2015 hatte Barack Obama festgelegt, dass die Regierung „alle geeigneten Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels“ einsetzen wolle. Im Jahr 2014 hatte Atomkraft noch rund 60 Prozent des CO₂-freien Stroms innerhalb der USA erzeugt.

„Da Amerika den weltweiten Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft anführt, ist die kontinuierliche Entwicklung neuer und fortschrittlicher Nukleartechnologien zusammen mit der Unterstützung derzeit in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie für saubere Energie“, hatte das Weiße Haus damals erklärt. Unter anderem sollte der Plan Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Europäische Länder planen den Atomeinstieg – Deutschland bleibt beim AKW-Aus

In Europa haben sich zuletzt mehr Länder für den Wiedereinstieg in die Atomkraft ausgesprochen. Der Konsens: Kernenergie soll ein dauerhafter Bestandteil in Europas Energiemix sein. So hatten es die Teilnehmer des im März von der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA ausgerichteten Atomgipfels mitgeteilt. Unter anderem wollen Polen, Frankreich, die Niederlande und Belgien auf die eine oder andere Weise neues Engagement in der Atomkraft zeigen. Kernenergie ist außerdem im europäischen Net Zero Industry Act (NZIA) verankert, der verschiedene Maßnahmen bündelt, um den CO₂-Ausstoß des Kontinents zu senken.

In Deutschland dagegen steht der Atomausstieg fest. Zu groß war vor allem nach der Katastrophe im japanischen Fukushima die Sorge der nuklearen Sicherheit. Die letzten drei Anlagen stehen seit 2023 still. Erst im Mai hatte es deutliche Kritik am Bundeswirtschaftsministerium gegeben, weil wichtige Informationen zum Atomausstieg nicht beachtet oder gar absichtlich verschleppt worden seien, am Ausstieg aus der Atomkraft hatte das nichts verändert.

Russland beherrscht den Markt für Uran: EU-Ländern binden sich an Putin

Sowohl die USA als auch Europa stehen dabei vor dem Problem, dass Russland nicht nur beim angereicherten Uran die Nase vorn hat. Auch bei den Anlagen selbst hat Moskau ihre Finger im Spiel. Zahlreiche Druckwasserreaktoren aus sowjetischer oder russischer Bauart stehen in der Europäischen Union (EU), darunter in Ungarn, Bulgarien, Tschechien und Finnland. Frankreich hat ebenfalls Verträge mit Rosatom, Ungarn lässt Rosatom gleich ein ganzes Werk auf EU-Land bauen. Das Bundesumweltministerium warnt nach Spiegel-Informationen in einem noch unveröffentlichten Gutachten vor Gefahren, die sich aus der zu engen Kooperation mit Rosatom für die europäische Sicherheit ergeben. Nicht nur, dass eine solche Kooperation Geld nach Moskau spült – sie macht den Kontinent angreifbar für Sabotage.

Ungarn hatte sich schon 2014 vertraglich an Russland gebunden, um eine Finanzierung über zehn Milliarden Euro für den Bau von Atomreaktoren zu erhalten. Ungarn soll den Kredit, so berichtete es die World Nuclear Association, über 21 Jahre hinweg zurückzahlen – ab 2026. Bis frühestens 2047 ist das Land also an Russland gebunden.

Die Niederlande wiederum beziehen ihr Uran hauptsächlich aus den USA, einen kleineren Teil aus China. Frankreich dagegen schickt seit 2021 Uran nach Russland, um es dort anreichern zu lassen (laut World Nuclear Association). Polen importiert noch nichts; das Land will erst in den Dreißigerjahren in die Atomkraft einsteigen.

Die Washington Post hatte zuletzt gewarnt, dass Rosatom direkt in Putins Angriffskrieg verwickelt ist. Zum Beispiel habe der Konzern bei der Kaperung des ukrainischen Kraftwerks Saporischschja mitgewirkt.

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