Gamechanger für Energiewende
Dank historischem Fund: So will Norwegen Europas Energiekrise stoppen
VonPeter Siebenschließen
Aus dem Nichts ist in Norwegen eine Batterieindustrie entstanden. Ein Ziel: Unabhängigkeit Europas von China. Auch Deutschland spielt dabei eine Rolle.
Oslo – Manchmal kommt einfach alles zusammen. Und wenn es gut läuft, spricht man dann von einer glücklichen Fügung. In Norwegen deutet sich eine solche Fügung gerade an – sie könnte ein echter Gamechanger für die Energiewende in ganz Europa sein.
Gamechanger bei Batterien fürs E-Auto, Energiewende und Unabhängigkeit von China
Innerhalb weniger Jahre haben norwegische Tüftler eine Batterieindustrie aus dem Boden gestampft. Ein Ziel: Mehr Unabhängigkeit Europas von Asien und vor allem China. Von dort stammen gut 70 Prozent der weltweit produzierten Batterien. Immer mehr davon werden im Zuge der Energiewende benötigt: für Elektroautos, Schiffe und zum Speichern von grüner Energie aus Solaranlagen und Windkraft.
Ausweg aus der Energiekrise: Riesiges Vorkommen Seltener Erden in Norwegen entdeckt
China hat einen Vorteil: Dort gibt es große Vorräte an Rohstoffen, die man für die Produktion von Batterien sowie für Solaranlagen und Elektromotoren benötigt. Einer der Stoffe: Seltene Erden, die in Europa nicht oft vorkommen. Kürzlich hat das norwegische Bergbauunternehmen Rare Earths Norway (REN) aber ein gigantisches Seltene-Erden-Vorkommen entdeckt. Nahe der Stadt Ulefoss in Südnorwegen liegen knapp neun Millionen Tonnen des Rohstoffs im fünf Kilometer großen Fens-Feld unter der Erde – die mit Abstand größte Lagerstätte Europas. Der Fund dürfte entscheidend dazu beitragen, den Kontinent unabhängig von Rohstoff-Importen aus China zu machen.
Das bringt auch die noch junge norwegische Batterieindustrie ihren Zielen ein großes Stück näher, die einerseits teilweise die Rohstoffe für die Produktion braucht, andererseits auf grüne Energie für ihre Anlagen setzt, die ohne Seltene Erden undenkbar ist. Eines der aufstrebenden Unternehmen hat den symbolträchtigen Namen Morrow Batteries: ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Morgen.
Nachhaltige Batterien für E-Autos und Schiffe
„Wir wollen die Batterie-Produktion so nachhaltig wie nur möglich machen“, sagt Morrow-CEO Lars Christian Bacher. Die Firma sitzt im schicken Osloer Viertel Bjørvika, direkt an der Akrobaten-Brücke, die aussieht, wie moderne Kunst und Kulisse für zahlreiche Instagram-Selfies ist. Drinnen im Büro: Viel Glas, Designermöbel und Funktionsarbeitsplätze. Der Chef arbeitet da, wo gerade Platz ist.
2021 wurde Morrow gegründet – mitten in der Pandemie. Ein enormes Risiko für ein Start-Up, oder? „Es gab ein paar Herausforderungen beim Aufbau der Organisation und so weiter, aber ich glaube, wir haben das ganz gut gemacht“, sagt Bacher lapidar. Wenn in Norwegen gegründet wird, dann hemdsärmelig. „Wir probieren einfach. Und wenn es nicht klappt, probieren wir was anderes“, sagt der Unternehmenschef.
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Die Belegschaft ist international, das betont man hier gern. Über 170 Menschen arbeiten bei Morrow, aus 34 Nationen. Das hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass Fachkräfte im dünn besiedelten Norwegen selten sind. Noch ist das Start-Up in einer Frühphase. Eine erste Produktionslinie in Südkorea diente der Forschung und wird jetzt nach Norwegen verlegt. Im August soll in Arendal in Südnorwegen die Massenproduktion losgehen, dort entsteht eine erste Gigafactory. Erste Verträge mit Kunden gibt es schon, darunter Zughersteller und Schifffahrtsunternehmen.
Siemens hilft bei der Batterie-Produktion mit Know-how
In der Schiffsbranche werden Batterien immer wichtiger. Im Oslo-Fjord etwa fahren seit Jahren elektrisch angetriebene Passagierschiffe zwischen den Inseln. Wie große Eisschollen gleiten die 40 Meter langen und 15 Meter breiten weißen Katamarane lautlos übers Meer. Und die großen Kreuzfahrtschiffe dürfen schon bald nur noch in die norwegischen Fjorde einfahren, wenn sie emissionsfreie Elektromotoren an Bord haben.
Bacher hat aber noch eine andere Kundengruppe im Blick: „Wir hätten gerne deutsche Automobilhersteller.“ Schon jetzt arbeitet der Batterieproduzent mit einem deutschen Konzern zusammen: Siemens soll helfen, die Produktion der Batterien zu optimieren. „Wenn wir davon sprechen, nachhaltig zu werden, geht es nicht nur um Wasserkraft und grünen Strom. Sondern es geht vor allem auch darum, möglichst wenig Ausschuss zu produzieren“, erklärt Bacher. Man wolle Batterien künftig ohne Rohstoffverlust produzieren. Das Know-how und die deutsche Gründlichkeit würden sehr gut zu diesem Ansatz passen, findet Bacher.
Zulieferer-Industrie: „Materialauswahl beeinflusst Ladegeschwindigkeit maßgeblich“
Um die eigentliche Batterieproduktion wächst derweil in Norwegen eine Zulieferer-Industrie. Die Firma Vianode etwa arbeitet an der nachhaltigen Produktion von Komponenten für Batteriezellen. „Es ergibt wenig Sinn, die umweltfreundlichsten Batterien der Welt zu produzieren, wenn die Einsatzstoffe auf der Anoden- und Kathodenseite nicht nachhaltig produziert werden“, sagt Stian Madshus, Verkaufsleiter bei Vianode.
Lithium-Ionen-Batterien bestehen meist aus vier Hauptkomponenten: einer negativ geladenen Anode, einer positiv geladenen Kathode, einem Elektrolyten und einem Separator. Bei der Anode, die aus synthetischem Grafit hergestellt wird, kommt Vianode ins Spiel. „Die Materialauswahl bei der Anode beeinflusst Ladegeschwindigkeit, Kapazität und Lebensdauer einer Batterie maßgeblich“, erklärt Madshus, während er einen kleinen Glaszylinder gegen das Licht hält, in dem ein dunkles Pulver schimmert.
2021 hat das Tochterunternehmen der norwegischen Industrieriesen Elkem, Hydro und Altor ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Kristiansand eröffnet, um genau dieses Grafit-Pulver zu entwickeln, das Batterien effizienter machen soll. „Damit steigern wir die Effizienz und Langlebigkeit von Batterien deutlich“, sagt Stian Madshus. „Nach und nach können wir so eine vollständige Batterie-Wertschöpfungskette innerhalb Europas aufbauen.“
Rubriklistenbild: © Julian Stratenschulte/dpa


