Teure Klimaziele

Die Energiewende wird noch teurer: 650 Milliarden müssen ins Stromnetz fließen

  • Markus Hofstetter
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Die Energiewende wird teuer, der Ausbau der Stromnetze kostet viele Milliarden. Die bisherigen Investitionen müssten mehr als verdoppelt werden.

Düsseldorf – Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Doch um diese zu erreichen, muss das Stromnetz in den kommenden Jahren massiv aus- und umgebaut werden. Die Energiewende hat seinen Preis. Laut einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, belaufen sich die Kosten bis 2045 auf rund 651 Milliarden Euro.

Energiewende erfordert Milliardeninvestitionen in den Netzausbau: Jährliche Investitionen müssen sich verdoppeln

Das bedeutet, dass in den kommenden Jahren jeweils rund 34 Milliarden Euro für den Aus- und Umbau des Stromnetzes notwendig sind. Damit müssten sich die jährlichen Investitionen mehr als verdoppeln. Im Jahr 2023 waren es gerade einmal 15 Milliarden Euro.

Die hohen Kosten führen die Autoren der Studie auf den steigenden Anteil erneuerbarer Energien zurück, die aus dem Norden in die Industriezentren im Süden transportiert werden müssen. Zudem soll die deutsche Wirtschaft dekarbonisiert und Verkehr, Industrie und Gebäude elektrifiziert werden.

Damit Deutschland die ehrgeizigen Klimaziele erreichen, müssen einer Studie zufolge 650 Milliarden Euro in den Ausbau der Stromnetze investiert werden. (Symbolbild)

Teure Energiewende: Kosten für Übertragungs- und Verteilnetze sind etwa gleich hoch

Die Milliardeninvestitionen verteilen sich auf zwei Ebenen. Zum einen geht es um das laut Bundesnetzagentur 38.000 Kilometer lange Übertragungsnetz der vier privaten Netzbetreiber, in dem der Strom auf Höchstspannungsebene durch Deutschland fließt. Untersucht wurden drei Szenarien, die sich vor allem durch den Grad der Elektrifizierung und den Einsatz von Wasserstoff unterscheiden. Je nach Szenario steigt der Bruttostromverbrauch zwischen 2023 und 2045 von 525 auf 1080 bis 1300 Terawattstunden. Die Kosten liegen in allen Szenarien bei 328 Milliarden Euro.

Die zweite Ebene ist das Verteilnetz, das den Strom lokal an Haushalte und Unternehmen weiterleitet. Nach Berechnungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat das deutsche Stromnetz eine Länge von rund 1,9 Millionen Kilometern. Für die insgesamt 865 Versorger kommt die Studie auf einen Investitionsbedarf von 323 Milliarden Euro bis 2045.

Energiewende erfordert Milliardeninvestitionen in den Netzausbau: Es könnte noch teurer werden

Die Gesamtkosten könnten aber auch höher ausfallen. Risikofaktoren sind der Studie zufolge steigende Rohstoffpreise, Engpässe bei Komponenten wie Transformatoren oder Leitungen sowie Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren.

Für die Verbraucher sind das schlechte Nachrichten. Sie müssen den Netzausbau über ihre Stromrechnung finanzieren. Laut BDEW zahlen Privathaushalte derzeit im Schnitt ein Netzentgelt von 11,53 Cent pro Kilowattstunde. Das ist schon jetzt fast ein Viertel des gesamten Strompreises.

Ein Ort zwischen Kohle, Atomkraft – und Fossilien

Kohlekraftwerk Naughton bei Kemmerer Wyoming
Wer mit dem Auto aus Richtung Salt Lake City nach Kemmerer kommt, erblickt zuerst das riesige Kohlekraftwerk Naughton. © IPPEN.MEDIA
Ortschild City of Kemmerer Wyoming USA
Etwas mehr als 2400 Menschen leben aktuell in der Stadt Kemmerer – der Bau des Atomkraftwerkes könnte einen Einwohner-Boom auslösen.  © IPPEN.MEDIA
erste Laden der Modekette „JC Penney“ in Kemmerer, Wyoming
In seiner Gründungszeit war Kemmerer dank der Kohle ein Boomtown. Das brachte Geld in den Ort. Davon zeugt auch der erste Laden der Modekette „JC Penney“ – mittlerweile gibt es in den USA über 600 Filialen. © IPPEN.MEDIA
stock exchange bar kemmerer wyoming for sale
Im Ortskern von Kemmerer liegen Niedergang und Aufbruch nah beieinander: Die „Stock Exchange Bar“ sucht seit längerem einen Käufer... © IPPEN.MEDIA
„Fossil Fuel Coffee“ Kaffeehaus in kemmerer Wyoming usa
...nicht weit davon entfernt „Fossil Fuel Coffee“ – ein liebevoll eingerichtetes Kaffeehaus mit eigenem Merch. © IPPEN.MEDIA
Kohle Kraftwerk Naughton in Kemmerer (Wyoming)
Im Kraftwerk Naughton in Kemmerer (Wyoming) wird aus Kohle und Gas Energie gewonnen – doch das Ende der Anlage ist schon beschlossen. © IMAGO/Jim West
Kohlezug der Union Pacific Eisenbahn in kemmerer Wyoming
Tag und Nacht fahren schwere Kohlezüge durch Kemmerer: 60 Prozent der Kohle wird direkt verstromt, der Rest geht an die Trona-Minen, die den Brennstoff zur Herstellung von Natriumkarbonat benötigen.  © IPPEN.MEDIA
Visualisierung Atomkraftwerk in Kemmerer, Wyoming,
So soll das Atomkraftwerk in Kemmerer, Wyoming, eines Tages aussehen. Der Pilot-Reaktor benötigt weniger Platz als wassergekühlte AKWs. © Terra Power
Fossil Butte Monument near Kemmerer Wyoming
Die Landschaft um Kemmerer ist karg, aber atemberaubend weit. Im Boden verbirgt sich nicht nur Kohle. © IPPEN.MEDIA
Fossil Butte National Monument“ nahe Kemmerer Wyoming
„Fossil Butte National Monument“: In der Region um Kemmerer befand sich vor 50 Millionen eine riesige Seenlandschaft. Fossilien in gigantischer Anzahl zeugen bis heute davon. © IPPEN.MEDIA
Wolfsbarsch Priscacara serrata Fossil aus dem Eozän Fundort Kemmerer Wyoming
Typischer Fossilien-Fund aus der Region um Kemmerer: Ein Wolfsbarsch, der vor über 50 Millionen Jahren in der damaligen Seenlandschaft lebte. © Carola Vahldiek / imageBroker / Imago

Energiewende erfordert Milliardeninvestitionen in den Netzausbau: Wie kann der Ausbau günstig finanziert werden?

Hier setzt der zweite Schritt des Forschungsvorhabens an. Die Studienautoren wollen untersuchen, wie sich die Investitionen am besten finanzieren lassen und der Ausbau möglichst kostengünstig erfolgen kann. Denn es geht nicht nur darum, die Haushalte zu entlasten, sondern auch die Wirtschaft. Schon jetzt stöhnen stromintensive Unternehmen unter den hohen Energiekosten.

„Es geht zum einen um bezahlbare Strompreise für die privaten Verbraucher, zum anderen um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen energieintensiven Industrie und somit um die Zukunft vieler Industriearbeitsplätze“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, dazu. Für das Gelingen und die Akzeptanz der Energiewende seien ein hohes Tempo beim Netzausbau und eine Deckelung der Netzentgelte notwendig.

Dass die Autoren der Studie möglicherweise nicht übertreiben, zeigt eine weitere Studie, die im April 2024 veröffentlicht wurde. Das Energieberatungsunternehmen ef.Ruhr schätzt die Gesamtkosten sogar auf 732 Milliarden Euro. Davon entfallen 301 Milliarden Euro auf das Übertragungsnetz und 431 Milliarden Euro auf das Verteilnetz.

Rubriklistenbild: © Federico Gambarini/dpa