Altersarmut und Depression
„Einsamkeit ist die neue Armut“ – Wenn die Rente nicht zum Leben reicht
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Mehr als ein Viertel der deutschen Rentner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Viele trauen sich nicht, um Hilfe zu bitten. Der Verein „Ein Herz für Rentner“ greift ihnen unter die Arme.
Berlin – Wie aktuelle Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen, liegt die durchschnittliche Bruttorente aktuell bei 1.550 Euro. Auch wenn viele Rentner damit auskommen, gibt es einen erheblichen Teil derer, die unter die Armutsgrenze fallen. Von der Regierung müssten entsprechende Impulse kommen, die Kritikern zufolge jedoch ausbleiben. Vielen Rentnern unterhalb der Armutsgrenze bleibt nur die Hilfe von Dritten.
| Durchschnittliche Rente in Deutschland (Stand 2023) | 1.550 Euro |
| Armutsgrenze in München (Stand 2023) | 1.540 Euro |
| Rentner mit weniger als 1.000 Euro im Monat (Stand 2021) | 4,9 Millionen |
Kurswechsel bei der Altersarmut?
Wie die Situation rund um die Altersarmut konkret aussieht, hat zuletzt das Statistische Bundesamt ermittelt. Laut der Wiesbadener Behörde hatten im Jahr 2021 rund 4,9 Millionen Rentner ein persönliches monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro. Dabei liegt der Anteil der Frauen deutlich höher: Bei ihnen sind es 38,2 Prozent. Der Anteil der Männer unterhalb der Armutsgrenze im Rentenalter liegt dagegen bei 14,7 Prozent. Hinzu kommt, dass die Armutsgrenze je nach Wohnsitz deutlich schwanken kann. In München etwa beträgt sie 1.540 Euro.
Allerdings gibt es Anzeichen für einen Kurswechsel. „Die Situation wird sich in den kommenden Jahrzehnten aber etwas verschlechtern, da zunehmend auch Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien und einer längeren Beschäftigung im Niedriglohnbereich in Rente gehen“, warnt ein Sprecher des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) auf Anfrage. Dies werde sich in deren Rentenhöhe widerspiegeln.
„Einsamkeit ist die neue Armut“
Ein Bericht von Deutschlandfunk Kultur zeigte jüngst am Beispiel eines Paars im Rentenalter, wie verschiedene Schicksalsschläge zur Altersarmut führen können. Kinder, Jobwechsel und eine Scheidung sorgten dafür, dass das Paar nicht viel in die Rente einzahlen konnte. Ein betrügerischer Anlageberater brachte sie außerdem um einen Teil ihres Ersparten.
Neben den finanziellen Engpässen wartet zunehmend ein psychologischer Feind auf die Rentner in Altersarmut. „In jedem zweiten Antrag lesen wir von Depressionen und Angstzuständen“, sagt Sandra Bisping, Gründerin und 1. Vorsitzende des Vereins ‚Ein Herz für Rentner e.V.‘, dazu. „Viele haben, auch bedingt durch Inflation, am 20. des Monats nichts mehr zu essen. Sie haben am Tag nicht mehr als 7-10 Euro zur Verfügung.“ Wenn etwas kaputtgeht oder eine Nachzahlung ansteht, sei ihre Existenz gefährdet. „Einsamkeit ist die neue Armut.“
60.000 Euro monatlich von ‚Ein Herz für Rentner‘
Der Verein existiert bereits seit 2017. Er unterstützt Rentner ab 58 Jahren, die in Deutschland gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben – außerdem müssen sie zwischen 500 Euro und 960 Euro Rente erhalten. Sandra Bisping zufolge sind Frauen ab 70 Jahren, die mindestens zwei Kinder haben, von der Untergrenze ausgenommen. Die Rentner erhalten vielfältige Hilfe von Brillen und Medikamenten, über Patenschaften und Obstboxen, bis hin zum Deutschlandticket und Zahnbehandlungen.
Monatlich gibt der Verein bis zu 60.000 Euro an Senioren weiter. Pro Jahr sind es mehrere Hundert Unterstützungshilfen. „Viele benötigen mehrmals oder regelmäßig im Jahr Hilfe“, erklärt die Gründerin Bisping. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Menschen nicht vergessen, die so viel für unser Land getan haben. Sie verdienen unsere größte Unterstützung und unseren Respekt.“
Für das neue Jahr steht zuletzt eine Rentenerhöhung bevor. Die konkrete Steigerung wird erst im Frühjahr feststehen, aktuell ist von einer Erhöhung um 3,5 Prozent die Rede. Auch für die kommenden Jahre sind kleinere Steigerungen vorhergesagt.
Rubriklistenbild: © Fotorechte: Ein Herz für Rentner e.V.
