Interview

EcoFinia-Chef über Schoko-Engpässe: „Der Druck ist groß“

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Die Kakaohersteller stehen unter Druck. Im Laufe des Jahres könnte es zu Verteuerungen kommen. Ein Bochumer Hersteller kritisiert die großen Player.

Bochum – Die Kakaobohnen werden knapp. Sowohl der Preis als auch die Lieferung von Kakaobohnen sorgen derzeit beim Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) für Kopfschmerzen. Missernten in den großen Anbauländern in Afrika sollen diese Knappheit weiter verschärfen. Laut Gerrit Wiezoreck, Geschäftsführer des Bio-Schokoladenherstellers EcoFinia aus Bochum, hat jedoch noch andere Effekte für die Preissteigerung im Auge.

Herr Wiezoreck, es heißt, es gibt eine Kakaobohnenkrise. Bis Sommer ist vorausgesagt, gibt es weniger Kakaobohnen als sonst. Welche Auswirkungen hat das auf die Verbraucher?

Wenn die Nachfrage weiterhin hoch bleibt, aber das Angebot sich quasi reduziert, wird es in den Lieferketten an den verschiedenen Stellen zu Engpässen führen. Das bedeutet nicht, dass wir flächendeckend leere Regale sehen. Allerdings kann es punktuell durchaus zu Lieferausfällen kommen. Und der zweite Aspekt ist, dass natürlich eine starke Nachfrage bei einem reduzierten Angebot dazu führt, dass die Preise entweder weiterhin so hoch bleiben oder sich – im schlimmsten Fall – weiter erhöhen.

Wie ist die Krise bei EcoFinia angekommen?

Bei uns ist die Krise wie bei jedem anderen Marktteilnehmer auch angekommen. Wir merken, dass sich die Kakaopreise deutlich verteuern werden, gerade zum zweiten Halbjahr. Die meisten Marktteilnehmer sind noch für das erste Halbjahr gedeckt, ein paar vielleicht auch noch für Q3/2024. Das heißt, wir haben erstmal eine Preiskrise, die wir auf unsere Produkte leider umwälzen müssen.

Gerrit Wiezoreck, Geschäftsführer von EcoFinia, in der Dominikanischen Republik. Die Kakaohersteller stehen unter Druck. Im Laufe des Jahres könnte es zu Verteuerungen kommen. EcoFinia kritisiert die großen Player.

Der zweite Punkt ist, dass es durch die Preiskrise zu einer Verfügbarkeitskrise kommt. Den Marktteilnehmern nutzt es dann nichts mehr, langfristige Verträge zu haben, zu vielleicht noch günstigeren Preisen, die man vor einem halben (oder ganzen) Jahr abgeschlossen hat. Denn zu diesen Preisen bekommt man jetzt keine Bohnen mehr.

Warum nicht?

Es ist so, dass wir die Bohnen in dieser sehr komplexen Lieferkette unter Umständen nicht mehr zu den alten Preisen kaufen können, obwohl es dort bestehende Verträge gibt. Die Marktteilnehmer im Ursprung (von Kleinbauern bis hin zu kleineren Unternehmen) verkaufen links und rechts zum Spotmarkt sehr teuer und sehr lukrativ Kakaomengen, die – vertraglich zugesichert – eigentlich anderen Partnern angehören. Oder anders gesagt, große europäische Weiterverarbeiter fahren gezielt Produzenten an und versuchen kurzfristig den Kakao zu kaufen. Dieses Phänomen beobachten wir auch entlang unserer Wertschöpfungskette, obwohl wir sehr viel auch mit Direktpartnerschaften arbeiten.

Darum sehen wir schon jetzt verspätete Lieferungen und kleinere Lieferausfälle. Ganz einfach, weil erstens weniger Kakao da ist, und zweitens der vorhandene Kakao zu aktuellen Börsenpreisen verkauft wird, verschwindet, versickert oder zurückgehalten wird.

Der Hauptauslöser scheinen aktuell Missernten zu sein. Heißt das, wir müssen die nächste gute Ernte abwarten, ehe sich diese Krise lockert?

Es ist ein Zusammenspiel aus auf der einen Seite fundamentalen Faktoren wie wirklich schlechteren Ernten, gerade in Westafrika und dem El Nino-Effekt „on Top“, und einer relativ konstant gestiegenen Nachfrage. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass wir derzeit relativ viele Finanzmarktteilnehmer im Markt haben und dass die Börse quasi voll mit Spekulanten und auch Hedgefonds ist, die dieses Geschehen weiter befeuern und weiter treiben.

Diese Spekulanten treiben also zusätzlich die Preise?

Das heißt, wir haben derzeit auf jeden Fall nicht eine nachhaltige Kakaopreis-Abbildung, wie sie die Erntedaten hergeben, sondern wir haben eine riesengroße Emotionalität im Markt. Es gibt Marktteilnehmer, die das gerade versuchen auszunutzen und zu bespielen. Das erklärt beispielsweise auch, warum wir gerade diese Jahrhunderthochs an den Kakaomarktbörsen haben. Die sind definitiv nicht nachhaltig.

Gerrit Wiezoreck, Geschäftsführer von EcoFinia, in einer Plantage in der Dominikanischen Republik.

Aber der Hauptfaktor sind die großen Ernten in Westafrika. Die starten meist so in Richtung September und Oktober. Bis dahin gehen wir davon aus, dass das Niveau weiterhin sehr angespannt bleibt.

EcoFinia bezieht die Bohnen größtenteils aus der Dominikanischen Republik – wie sieht es da aus?

Wir hatten da eigentlich gute und starke Ernten. Nur wirft jetzt der globale Kakaomarkt ein Auge auf diese Region. Es gab jetzt zum Beispiel Missernten in Peru und in Bolivien, in Ecuador ebenfalls. Viele betroffene Marktteilnehmer drängen jetzt in den dominikanischen Markt und kaufen ihn leer. Zudem drängen die großen Marktteilnehmer, die zumeist auf dem afrikanischen Markt aktiv sind, in den lateinamerikanischen Markt.

Ist das erlaubt?

Vorsichtig formuliert, haben wir ein Problem. Die großen Unternehmen fahren die Bauern und Produzenten teilweise einzeln ab und kaufen dort Bio-Kakao, der zu konventionellem Kakao verarbeitet wird. Wir hatten eigentlich gute und solide Ernten, aber der Druck auf dem Markt in der Dominikanischen Republik und auf dem Bio-Kakao-Markt ist groß.

Was heißt Bio-Kakao für Sie?

Wir haben Agrarlandschaften, die komplett ohne externe chemische Düngemittel auskommen. Keine Pestizide, keine Fungizide. Außerdem bedeutet die Bio-Zertifizierung, dass es auf den Plantagen eine viel größere Biodiversität gibt. Da wachsen Schattengewächse, andere Fruchtbäume, die Plantagen brauchen eine ganz andere Bewirtschaftung und Komposthaltung.

Liegt die Zukunft der Schokoladenhersteller in der Biobohne?

Das liegt am Verbraucher. Wenn er weiter nach nachhaltiger Schokolade und besonders Bio-Schokolade fragt, dann ja. Die Kernfrage wird sein, dass wir vermutlich nicht alle Mengen, die die Welt an Schokolade benötigt, in Bio-Schokolade abwickeln können. Dafür braucht sie zu viel Fläche – wie ich eben sagte, wegen der Biodiversität. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Bio-Schokolade eine große Zukunft hat.

Interview: Lars-Eric Nievelstein

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