Geschwächter Industriestandort

Deutsche Zulieferer weltweit Spitze – dennoch Verlagerung von Arbeitsplätzen

  • Patrick Freiwah
    VonPatrick Freiwah
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Deutsche Zulieferer sind weltweit Spitze. Doch die Konkurrenz aus Asien nimmt zu und Unternehmen wie Bosch und ZF Friedrichshafen passen sich veränderten Marktbedingungen an.

München - Bosch ist einer der weltweit führenden Zulieferer der Automobilindustrie, das belegt eine Studie des Beratungsunternehmens Beryll auf eindrucksvolle Weise: 2023 konnte das Unternehmen seine Umsätze deutlich steigern, insbesondere durch die erhöhte Nachfrage nach Elektromobilität und innovativen Fahrerassistenzsystemen. Bosch profitierte zudem von Investitionen in nachhaltige Technologien und digitale Lösungen, was zu einer stärkeren Marktposition in verschiedenen Geschäftsbereichen führte. 

Ranking der Zulieferer: Zwei deutsche Unternehmen in den Top drei

Doch es kommt noch besser: Mit einem Umsatz von 56,2 Milliarden Euro und einer Profitabilität von 4,2 Prozent konnte Bosch seine Marktführerschaft ausbauen und belegt weiter den Spitzenplatz, vor Zulieferer Denzo (46,8 Mrd.) aus Japan. Auch der dritte Podestplatz geht mit ZF Friedrichshafen an ein deutsches Unternehmen, vor Hyundai Mobis aus Südkorea.

Ungeachtet der Spitzenpositionen beim Zulieferer-Ranking beschäftigen sich deutsche Industriegiganten mit der harten, wirtschaftlichen Realität: Laut einem Bericht des Manager Magazins sind es besonders chinesische Unternehmen, die in der Rangliste in den vergangenen Jahren weiter nach oben klettern konnten. 

Bosch und Co. sehen sich stärkerer Konkurrenz aus Asien ausgesetzt

Der größte von ihnen ist CATL, das in der Auswertung mit einem Umsatz von 37,2 Mrd. Euro auf Platz sieben geführt wird. Das Portal erläutert, dass die Studienautoren damit rechnen, dass der chinesische Technologiekonzern bis 2030 im Ranking den Spitzenplatz erobern wird. Was die Auswertung noch verdeutlicht: Stärker als Chinas Zulieferer legten zuletzt Zulieferer aus Korea zu, die von ihrer Expertise in Sachen Batterien und Chips profitieren.

Obwohl Unternehmen wie Bosch und ZF Friedrichshafen im weltweiten Ranking weiterhin vorne liegen, drehen sich die Gedanken in den Chefetagen um die Verlagerung von Produktionsstandorten, aber auch anderer Abteilungen. Ausschlaggebend ist die gesunkene Attraktivität des heimatlichen Industriestandorts.

Bosch auf der IAA Mobility in München: Das deutsche Unternehmen ist unter den Zulieferern offenbar der weltweite Krösus.

ZF Friedrichshafen verlagert Produktionsteile in die Türkei

So plant der zweitgenannte Zulieferer laut dem Portal Business Punk, weitere Teile der Fertigung in die Türkei zu befördern, wo bereits drei Standorte existieren. Ein wichtiger Grund für die Kosteneinsparungen: Die Produktionskosten sind niedriger als in Deutschland, konkret die Lohn- und Betriebsausgaben. 

Auch die Nähe zu wichtigen Wachstumsmärkten in Asien und Afrika mit besseren logistischen Voraussetzungen spielt eine Rolle, dazu kommen attraktive Investitionsanreize und eine günstigere Regulierung der Geschäftsbedingungen: Die überbordende Bürokratie in EU-Ländern fällt beim Standort Türkei schließlich weg. 

Bisher arbeitet das über 100 Jahre alte Unternehmen mit Standorten in 31 Ländern. Doch sind hierzulande rund 54.000 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen ca. 12.000 Jobs auf der Kippe stehen sollen. So ist am Standort Eitorf (NRW) den Angaben zufolge im Jahr 2027 das Ende der Fertigung von Stoßdämpfern vorgesehen.

Deutsche Zulieferer sehen bessere Standorte als Deutschland

Ähnlich wie die Konkurrenz von Bosch oder auch Continental ist ZF Friedrichshafen zwar innovativ auch im Bereich E-Mobilität, dennoch wandert ein Großteil der Investitionen in Länder ab, die günstigere Produktionsbedingungen als Deutschland ermöglichen. 

Ein finanzielles Beispiel aus dem Hause ZF nennt der Bericht ebenfalls: CEO Holger Klein bezifferte die bis Ende 2026 geplanten, globalen Investitionen auf knapp 18 Mrd. Euro. Eine gestiegene Wettbewerbsfähigkeit vorausgesetzt, könnten lediglich 30 Prozent dieser Investitionen nach Deutschland fließen – und der Rest woanders hin.

Von der Bildfläche verschwunden: Zehn große Automarken, die es nicht mehr gibt

Ein Simca 1100 GLS Baujahr 1972 auf einer Oldtimermesse
Simca – Die Geschichte von Simca (Société Industrielle de Mécanique et Carrosserie Automobile) begann 1934 als Lizenzfertiger von Fiat-Fahrzeugen in Frankreich. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden auch eigene Modelle produziert. Im Jahr 1978 wurde der Autobauer von Peugeot übernommen und die Marke Simca aufgegeben. Die noch existierenden Modellreihen wurden bis 1986 unter dem Markennamen Talbot verkauft. © Sebastian Geisler/Imago
Ein Oldsmobile Vista Cruiser
Oldsmobile – Hierzulande weitgehend unbekannt, gehörte Oldsmobile in den USA vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren zu den erfolgreichsten Marken. Ein bekanntes Modell war beispielsweise der Vista Cruiser (Foto): Ein markant gestalteter Kombi, von dem zwischen 1964 bis 1977 mehr als 360.000 Exemplare gebaut wurden. Anfang der 2000er-Jahre gingen die Verkäufe stark zurück, sodass die Mutter General Motors im Jahr 2004 die Produktion von Fahrzeugen der Marke komplett einstellte. © Pond5 Images/Imago
Ein NSU Prinz auf einem Oldtimer-Treffen
NSU Motorenwerke – Die Geschichte des Unternehmens begann in den 1870er-Jahren als Hersteller von Strickmaschinen. Später produzierte das Unternehmen Fahr- und Motorräder. Erst Ende 1958 kam mit dem Prinz das erste Automodell des Herstellers auf den Markt – es wurde in mehreren Generationen bis 1973 produziert. Bereits 1969 fusionierten NSU und Auto Union zur Audi NSU Auto Union AG, die 1985 wiederum in Audi umfirmierte – mit diesem Schritt verschwand auch der Name NSU. © CEPix/Imago
Ein Plymouth Superbird in einem Museum
Plymouth – Einst gehörte Plymouth zu den erfolgreichsten Automobilmarken der USA und war in den 1940er-Jahren sogar der zweitgrößte US-Hersteller – noch vor Ford. Anfang der 1960er-Jahre verlor die Marke jedoch rapide Marktanteile, bevor man ab 1965 mit Muscle-Car-Modellen wie dem Barracuda oder Road Runner kurzfristig wieder Boden gut machen konnte. Eines der bis heute legendärsten Modelle war der Plymouth Superbird (Foto): eine stark modifizierte Version des Road Runner. Das Modell mit dem gigantischen Spoiler fand jedoch Anfang der 1970er-Jahre kaum Kunden, weshalb weniger als 2.000 Exemplare gebaut wurden. Nach und nach verlor die Marke immer mehr ihre Identität. 2001 entschied die Mutter DaimlerChrysler schließlich, die Marke Plymouth einzustellen. © Pond5 Images/Imago
Eine Borgward Isabella auf einer Messe
Borgward – Zu den größten Verkaufserfolgen des Bremer Autobauers Borgward zählte die von 1954 bis 1962 gebaute Isabella (Foto). Doch bereits ab Mitte der 1950er-Jahren ging es mit dem Unternehmen wirtschaftlich bergab. Anfang der 1960er-Jahre führten die Probleme schließlich zum Untergang. Mitte der 2010er-Jahre wurden die Markenrechte nach China verkauft. Mit SUV-Modellen wurde schließlich ein Comeback-Versuch gestartet, der aber nach kurzer Zeit im Sande verlief. © Pond5 Images/Imago
Ein Daewoo Matiz auf einer Automesse
Daewoo – Mitte der 1990er-Jahre versuchte sich in Europa die koreanische Marke Daewoo zu etablieren – unter anderem mit dem Kleinstwagen Matiz (Foto). Allerdings war dem Hersteller kein Erfolg beschieden: Nachdem das Unternehm in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, wurde die Pkw-Sparte von einem Konsortium um General Motors übernommen. Ab 2005 wurden die Daewoo-Modelle (auch der Matiz) dann unter dem Namen Chevrolet verkauft.  © Papsch/Imago
Der 1.000.000 Trabant im Museum
Trabant – Obwohl der Trabant bereits in den 1960er-Jahren als veraltet galt, war er ein echter Verkaufsschlager – allerdings gab es in der ehemaligen DDR auch kaum Alternativen zu dem von Sachsenring produzierten Zweitakter. Geduld war nicht nur aufgrund der geringen Motorleistung, sondern auch wegen der durchschnittlichen Wartezeiten auf ein Fahrzeug von mehreren Jahren gefragt. Dennoch: Mehr als drei Millionen „Trabis“ liefen zwischen 1958 und 1991 vom Band. Das Foto zeigt das 1.000.000-ste Exemplar, das im November 1973 gebaut wurde. Mit dem Ende der DDR endete auch bald die Produktion des Trabis. © Eberhard Thonfeld/Imago
Ein Pontiac Firebird Trans Am, Baujahr 1984
Pontiac – Die US-Marke Pontiac war vor allem in den 1960er-Jahren sehr erfolgreich. Hierzulande kennen viele den Hersteller vor allem aus Serien und Filmen. Der schwarze Pontiac Firebird Trans Am (zweite Generation) mit dem riesigen Adler auf der Haube faszinierte die Zuschauer in „Smokey and the Bandit“ (1977). Die dritte Generation des Firebird (Foto) wurde in den 1980er-Jahren als Basis des Serien-Wunderautos K.I.T.T bekannt. Der große Erfolg früherer Jahre stellte sich dennoch nicht mehr ein: 2010 legte der General-Motors-Konzern die Marke Pontiac auf Eis. © Pond5 Images/Imago
Ein Saab 900 Cabrio Baujahr 1991
Saab – Das erste Pkw-Modell des Herstellers ging 1949 als Saab 92 in Serie. Wirklich große Stückzahlen produzierte der schwedische Autobauer zwar nie, dennoch gelten einige Baureihen wie der 900 (Foto zeigt die Cabrio-Version) als legendär. 1998 ging Saab eine Kooperation mit General Motors ein. Fortan wurden viele Gleichteile aus dem Konzernverbund eingesetzt, dennoch stellte sich auf lange Sicht kein wirtschaftlicher Erfolg ein. 2011 meldete Saab Insolvenz an.  © Sebastian Geisler/Imago
Ein Rover 75
Rover – Die Geschichte des englischen Automobilherstellers Rover geht bis ins Jahr 1896 zurück. Über viele Jahrzehnte konnten sich die Briten im Automobilgeschäft behaupten, bis das Unternehmen 1967 Teil der British Leyland Motor Cooperation wurde. Durch eklatante Fertigungs- und Qualitätsmängel ruinierte die Marke ihren Ruf – bis es Anfang der 1980er-Jahre durch eine Kooperation mit Honda wieder etwas bergauf ging. 1994 übernahm schließlich BMW die britische Marke – und versenkte dadurch Milliarden. 2000 zog der bayerische Autobauer die Reißleine und gliederte Rover wieder aus. 2005 folgte die Insolvenz. © Heritage Images/Imago

Zulieferer Bosch verhandelt mit Betriebsrat über Personalabbau

Auch beim Zulieferer-König Bosch spielen in der Führungsetage Stellenstreichungen eine Rolle: „Um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben, kommen wir um einen Personalabbau nicht herum“, wird Stefan Grosch, Arbeitsdirektor bei Bosch, von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zitiert. „Doch wir sind offen für Alternativen, um diesen geringer zu gestalten als geplant – vorausgesetzt, wir können Kosten dauerhaft senken.“

Die Festlegung ist nach Angaben des Unternehmens Teil eines gemeinsamen Rahmens für die laufenden Verhandlungen, auf den man sich mit dem Gesamtbetriebsrat des Zulieferers verständigt hat. Konkrete Gespräche über den Stellenabbau sollen weiter geführt werden.

Zuletzt waren bei Bosch Pläne bekanntgeworden, weltweit Tausende von Stellen zu streichen – davon bis zu 3200 in der Autozulieferung. Betroffen sein sollen den Angaben zufolge größtenteils deutsche Standorte. (PF)

Rubriklistenbild: © Lackovic/Imago