Steuerskandal
Cum-Ex-Skandal: Streit um Chefermittlerin eskaliert – Ermittlungen zu langsam
VonLisa Mayerhoferschließen
Cum-Ex-Steuerdelikte gehören zu den größten Steuerskandalen Deutschlands. Bei den Ermittlungen geht es allerdings recht langsam voran – und das Justizministerium entmachtet die Chefermittlerin.
Düsseldorf – Es ist einer der größten Steuerskandale Deutschlands: Durch die Cum-Ex-Steuerdelikte entstanden Schäden in Milliardenhöhe für die Staatskassen – und es gibt sogar einen Bezug zu unserem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich mehrmals mit dem nun vor Gericht stehenden Hamburger Bankier Christian Olearius getroffen hat.
Die Kölner Staatsanwaltschaft arbeitet daran, möglichst viele Täter vor Gericht zu bringen – mit bisher überschaubaren Ergebnissen, berichtet die Wirtschaftswoche. Die Kölner haben demnach bisher nur acht Anklagen gegen 14 Beschuldigte vorgelegt. Erst sechs Täter seien verurteilt worden – und das nach zehn Jahren Arbeit. Dabei seien für die Chefermittlerin Anne Brorhilker mehr als 30 Staatsanwälte und rund 150 Ermittlungsbeamte im Einsatz, um 1700 Verdächtige in 120 Verfahrenskomplexen zu durchleuchten, so das Magazin. Das Team sei damit das größte seiner Art in Deutschland.
Cum-Ex kurz erklärt:
Bei Cum-Ex-Geschäften schoben Investoren Aktien rund um den Dividendenstichtag mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch hin und her. In der Folge erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand so ein Schaden von geschätzten zehn Milliarden Euro.
Hälfte der Verfahren zu den Cum-Ex-Steuerdelikten sollen in neue Hauptabteilung wandern
Nun sollen etwa die Hälfte der Verfahren zu den Cum-Ex-Steuerdelikten in eine zweite, neue Hauptabteilung wandern. Wohl ein herber Rückschlag für die verdiente Brorhilker, die als Heldin im Kampf gegen die Cum-Ex-Taten gefeiert wird. Sie brachte erst den Stein ins Rollen, sorgte dafür, dass Cum-Ex als Verbrechen gewertet wird und beförderte die Affäre um den heutigen Kanzler und die Warburg Bank zutage. Es war Brorhilkers Team, das die verräterischen Tagebücher des Warburg-Patriarchen Christian Olearius, der nun vor Gericht steht, aufgestöbert hat.
Der Staat hat auf Grundlage von Brorhilkers Ermittlungen schon hunderte Millionen Euro von Steuerhinterziehern zurückgeholt, schreibt das Handelsblatt. Doch nun scheinen die Ermittlungen nicht schnell genug voranzukommen. Das Justizministerium von Nordrhein-Westfalen greift ein und verfrachtet die Hälfte der Staatsanwälte unter Brorhilker in eine neue Abteilung.
Warum wurde die Cum-Ex-Chefermittlerin auf diese Weise faktisch entmachtet?
In den Medien kursiert damit die Frage: Warum wurde Brorhilker auf diese Weise faktisch entmachtet? Der Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Benjamin Limbach, wehrte sich am Mittwoch gegen den Vorwurf der Entmachtung. Es gehe um Entlastung, sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf die Kritik.
„Es ist für einen zu viel. Es geht darum, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen und zu vermeiden, dass die Taten verjähren. Das ist meine Sorge“, sagte Limbach. Deswegen habe er dem Vorschlag des Chefs der Kölner Staatsanwaltschaft zugestimmt, die Hauptabteilung, die sich um die 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren mit 1700 Beschuldigten kümmert, in zwei Hauptabteilungen aufzuteilen.
Die Zahl der Staatsanwälte in der Hauptabteilung habe sich wegen der Cum-Ex-Delikte auf 32 enorm erhöht, sagte Limbach. Sie sei damit die größte in Nordrhein-Westfalen. „Die Berichte, die mir vorliegen, sprechen dafür, dass wir eine Flaschenhals-Situation haben.“ Die Ermittlungen müssten effizient und effektiv organisiert werden.
Verteidiger über Brorhilker: „Manch arroganter Banker dachte einst: Mit dem Mädchen fahren wir Karussell“
Limbach räumte aber auch ein, dass sich der zuständige Kölner Generalstaatsanwalt gegen die Umstrukturierung ausgesprochen habe. Dieser habe Zweifel an der erhofften Wirkung und schließe eine Schwächung der Arbeit nicht aus. Der Generalstaatsanwalt habe sich dafür ausgesprochen, abzuwarten und die Situation zu beobachten.
Auch Brorhilker selbst scheint mit dem Entschluss des Justizministeriums nicht zufrieden zu sein, berichtet das Handelsblatt. Demnach habe die Chefermittlerin in einem Schreiben an die Personalvertretung der Staatsanwälte in NRW Limbach „praktisch der Lüge“ bezichtigt. „Oberstaatsanwältin Brorhilker beschreibt die Aussagen von Minister Limbach als widersprüchlich, irreführend und verzerrend“, sagt ein Insider gegenüber dem Magazin. Dabei würde Brorhilker sehr detailliert vorgehen.
Für die Öffentlichkeit lässt sich nicht einfach erschließen, warum die Cum-Ex-Ermittlungen so langsam voran kommen. In den Medien ist von einer großen Komplexität der Fälle, Blockaden in den eigenen Reihen und einer hohen Fluktuation innerhalb der Abteilung die Rede.
Allerdings warnt auch ein Verteidiger, der Brorhilker kennt, in der Wirtschaftswoche davor, sie zu unterschätzen: „Manch arroganter Banker dachte einst: Mit dem Mädchen fahren wir Karussell.“ Aber dann habe sie das Finanzkarussell gestoppt.
Mit Material der dpa