Energiewende
Emissionshandel: Der umstrittene Kohleausstieg ist bisher sinnlos
VonLisa Mayerhoferschließen
Die Bundesregierung macht auch in dieser Heizperiode den Weg frei, um die klimaschädlichere Braunkohle zu verstromen. Gleichzeitig werden Zweifel an Sinn des Kohleausstiegs laut.
Berlin – Braunkohlekraftwerke können trotz geplantem Kohleausstieg zur Sicherung der Energieversorgung im kommenden Winter wieder in den Strommarkt zurückkehren. Das Kabinett billigte im Oktober eine befristete Verlängerung der sogenannten Versorgungsreserve. Das Wirtschaftsministerium sprach von einem vorsorglichen Absicherungsinstrument für den Winter. Geplant ist der Kohleausstieg Deutschlands für das Jahr 2030 - dessen Nutzen ist allerdings umstritten.
Klimaschädliche Kohlekraftwerke in der Versorgungsreserve
Erst einmal ist geplant, dass die Braunkohlekraftwerke trotz ihrer Klimaschädlichkeit weiter in Betrieb bleiben – sie sollen als Versorgungsreserve von Anfang Oktober 2023 befristet bis zum 31. März 2024 am Strommarkt teilnehmen können. Die Reserve werde reaktiviert, um Gas in der Stromerzeugung einzusparen und dadurch Versorgungsengpässen mit Gas in der kommenden Heizperiode vorzubeugen.
In der sogenannten Versorgungsreserve befinden sich Braunkohlekraftwerksblöcke etwa von RWE in Niederaußem oder von der Leag in Jänschwalde. Diese Reserve war bereits vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. Juni 2023 aktiv – das bedeutet, Braunkohlekraftwerke kehrten an den Strommarkt zurück. Sie werden laut Ministerium aktuell für einen etwaigen erneuten Abruf betriebsbereit gehalten.
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte im vergangenen Jahr die Rückkehr klimaschädlicher Kohlekraftwerke mit Blick auf den Klimaschutz erneut als bittere Nachricht bezeichnet - sie sei aber wegen der Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine unvermeidlich. Wenn Braunkohlekraftwerke auf den Markt zurückkehren, steigen die CO₂-Emissionen.
Kohleausstieg und Emissionshandel: Verlagert sich der CO₂-Ausstoß nur?
Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium betonte, das Ziel, den Kohleausstieg „idealerweise“ im Jahr 2030 zu vollenden, bleibe von der Maßnahme unberührt. Dasselbe gelte für die Klimaziele. Für das Rheinische Revier hatten die Bundesregierung und RWE einen um acht Jahre auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vereinbart. Für die ostdeutschen Reviere ist das aber noch nicht entschieden.
Gleichzeitig werden Zweifel an Sinn des Kohleausstiegs laut. Grund ist der Umgang mit dem Emissionshandel der EU. Wer in der EU CO₂ produziert, muss dafür die „Erlaubnis“ in Form eines Zertifikats dafür erwerben. Für diesen Zweck werden von der EU Emissionsrechte vergeben, die dann je nach Bedarf als Zertifikate gehandelt werden können. Beim Kohleausstieg ergibt das folgendes Problem: Das Kohlekraftwerk wird stillgelegt, aber die Emissionsrechte bleiben – diese können dann beispielsweise von anderen Kraftwerken oder Fabriken gekauft werden, die dann umso mehr CO₂ produzieren können. Der CO₂-Ausstoß nimmt dann also nicht ab, sondern verlagert sich einfach nur.
Natürlich weiß man das auch in der Politik – die ehemalige Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte schon 2020, die Zertifikate zu löschen, die durch die Stilllegung der Kohlekraftwerke frei werden. Doch dabei ist einiges schiefgelaufen: Deutschland hat noch kein einziges Zertifikat löschen lassen, erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Dabei hat der Kohleausstieg ja schon begonnen und dadurch sind nun viele „überschüssige Zertifikate“ im Umlauf. So hätte Berlin schon Zertifikate für 26 Millionen Tonnen CO₂ löschen lassen können und das sei vorsichtig kalkuliert, schreibt die FAZ.
Kohleausstieg: Deutschland hat noch kein einziges Zertifikat löschen lassen
Um die Zertifikate löschen zu laschen, müssen EU-Staaten wie Deutschland diese Absicht bis zum Ende des Folgejahres in Brüssel notifizieren. Das versuchte die deutsche Regierung Ende 2021 auch, doch sie scheiterte: Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte demnach der Zeitung: „Die von der deutschen Regierung vorgelegten Informationen enthielten jedoch nicht alle Angaben, die gemäß der Richtlinie für die Löschung von Zertifikaten erforderlich sind.“ Im vergangenen Jahr habe Deutschland dann ganz auf eine Abmeldung verzichtet.
„Die nach nationalem Recht durchgeführte Notifizierung lehnte die Kommission in der Vergangenheit ab“, bestätigt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums ebenso der Zeitung. Die Löschung der freigewordenen Zertifikate hat vor allem aber deshalb nicht funktioniert, da die beiden Institutionen völlig aneinander vorbeigearbeitet hatten: Laut EU können so viele Zertifikate gelöscht werden, wie die betroffene Anlage durchschnittlich in den fünf Jahren vor der Schließung ausgestoßen hat. Die Bundesregierung hat dagegen beschlossen, durch zwei unabhängige Gutachten im Nachhinein zu ermitteln, wie viele Zertifikate zu löschen sind, berichtet die FAZ. Nur: Das ist nicht mit dem EU-Recht vereinbar.
Nachdem die Zeit über die versäumte Löschung berichtet hatte, versprach Habeck nachzubessern. Nun zeichnet sich zudem ab, dass es auch auf Seiten der EU zu einer Änderung der Auktionsverordnung kommen kann, berichtet die FAZ unter Berufung auf das Ministerium, das laut eigenen Angaben derzeit die „formalen und materiellen Voraussetzungen einer Notifizierung für die 2022 stillgelegten Kraftwerke“ prüfe.
Mit Material der dpa