Kapitalismus-Kritik

Welche Berufe laut einem Ökonomen sinnlos sind - ist Ihrer dabei?

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
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Retten wir die Welt, indem wir alle Jobs im Investmentbanking streichen? Ein Experte erklärt, was an dieser Idee wahr ist und warum sie trotzdem problematisch ist.

Von wegen Fachkräftemangel: „Millionen Jobs sind Bullshit“, findet Christian* aus Wien. Seit 25 Jahren bloggt er über die Sinnlosigkeit von „Bullshitjobs“, also Stellen, in denen Menschen lediglich Geld generieren und keine wirkliche Wertschöpfung für die Gesellschaft leisten. Zum Beispiel der Beruf der Investmentbankerin oder des Steuerfachangestellten.

„Wirtschaftlich sinnlose Arbeit, die uns immer ärmer macht und den gesamten Planeten zugrunde richtet“, sagt er BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Laut einer Schweizer Studie empfindet sogar jeder fünfte seinen Job als Bullshit. „Einem Kind will ich diesen Wahnsinn nicht zumuten“, sagt Christian. Er hat sich bewusst entschieden, keine Kinder in diese Welt zu setzen.

Künstliche Intelligenz (KI) hält er nicht für die Lösung des Bullshitjob-Problems. Auch sie verschwende enorme Mengen an Energie und Ressourcen, die man seiner Ansicht nach nur besser verteilen müsste, um Wohlstand für alle zu schaffen. Klingt nach Sozialismus, oder? „Das ist eine ideologische Frage, wie man das nennt“, sagt der Österreicher.

Bullshitjobs: Ist ein schuld- und zinsfreies Geldsystem die Lösung?

Christian vertritt die Theorien des 2020 verstorbenen Ethnologen David Graeber, der ein Buch über Bullshitjobs geschrieben hat. Auch die Thesen des Belgiers Stef Kuypers haben es ihm angetan. Wie Graeber sieht Kuypers die Lösung in einem schuld- und zinsfreien Geldsystem, in dem Regierungen für die Verteilung von Geld verantwortlich sind und ein bedingungsloses Grundeinkommen ausschütten. So bräuchte es dann keine Bullshitjobs, sagt Christian.

Was halten Experten von Christians steilen Thesen? „Das Problem ist, dass für solch ein System alle die gleichen normativen Einstellungen haben müssen“, sagt der Ökonom Tobias Hentze. Er leitet das Themencluster Staat, Steuern und soziale Sicherung am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). „Bei der Vorstellung von Gerechtigkeit, bei der Frage, wer wie viel Steuern zahlt, kommen Sie global nicht auf einen Nenner“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. Da müsse man sich nur die aktuelle politische Situation mit Ampel-Aus und Trump-Sieg anschauen.

Auch die Definition von Bullshitjobs, die schon andere Ökonomen kritisierten, sei schwierig. Zinsen zum Beispiel hätten durchaus eine Berechtigung, denn dadurch, dass eine Person Geld verleihe, ermögliche sie einer anderen den Konsum und verzichte gleichzeitig selbst darauf. Deswegen habe „unsere Marktwirtschaft keine Normvorstellungen“ und messe den Verdienst eines Jobs lediglich daran, wie viel Wertschöpfung er gemessen an Geldeinheiten generiere.

„Wenn wir als Gesellschaft eine bestimmte Branche, einen bestimmten Beruf verbieten würden, dann fiele auch die entsprechende Wertschöpfung weg. Wenn es sich um eine produktive Branche mit hohen Löhnen handelt, könnten wir uns als Gesellschaft insgesamt weniger leisten. Der Staat würde weniger Geld einnehmen, mit dem er seine Aufgaben erfüllen kann.“

Warum Kapitalismus „am meisten Freiheit und Wohlstand ermöglicht“

„Kapitalismus ermöglicht in einer Welt, in der es so viele Vorstellungen davon gibt, was richtig und was falsch ist, am meisten Freiheit – und Wohlstand. Er ermöglicht, dass zwei Menschen, die eine ganz andere Einstellung haben, in dieser Gesellschaft trotzdem fair miteinander leben können“, sagt Hentze. „Das, was da ist, gerecht zu teilen, das funktioniert vielleicht in einer Kommune mit zehn Leuten, aber nicht im größeren Kontext.“

Natürlich sei „Kritik daran, die Wirtschaft nur am BIP zu berechnen und Fakroten wie Klimawandel und Luftqualität nicht mit einzuberechnen, durchaus berechtigt.“ Das kapitalistische System könne leicht auf Kosten der Umwelt ausgenutzt werden. „Doch das ist ein klassischer Fall von Marktversagen, dem der Staat in einer sozialen Marktwirtschaft entgegenwirken kann“, sagt er. „Nicht umsonst diskutieren wir ja auch tagtäglich über Anreize, Steuern und Verbote“.

*Christian möchte in diesem Artikel nur mit ihrem Vornamen genannt werden. Sein vollständiger Name ist der Redaktion bekannt.

Rubriklistenbild: © Westend61/IMAGO

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