Fast 500 Milliarden Euro

Bürgergeld im Fokus: Was ist der Einfluss auf die boomende Schwarzarbeit?

  • VonMax Schäfer
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Die Schwarzarbeit in Deutschland hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Ein Kenner sieht die Arbeitslosigkeit als einen Impulsgeber. Das Bürgergeld ist im Rampenlicht.

München – Die Schattenwirtschaft in Deutschland erlebt ein enormes Hoch: Fast eine halbe Billion Euro soll das Volumen der Schwarzarbeit laut einer Prognose des Ökonomen Friedrich Schneider 2024 betragen. Im Vergleich zu 2023 ist das ein Zuwachs um 55 Milliarden auf 498 Milliarden Euro. Treffen die Schätzungen zu, entspricht die Schwarzarbeit etwa zwölf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung, berichtete die Welt.

Höheres Bürgergeld als Fokus: Arbeitslosigkeit ist ein Treiber der Schwarzarbeit

Im Fokus dabei: Bürgergeld-Empfänger. Das Kabinett der Ampel-Koalition hatte Erwerbslose in Schwarzarbeit bereits im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative in den Blick genommen. Bei den Verschärfungen der Regeln und Sanktionen beim Bürgergeld ist das ein Punkt. Schwarzarbeit gilt nun als Pflichtverletzung. „Wer Bürgergeld bezieht und schwarz arbeitet, dem soll das Bürgergeld gekürzt werden“, heißt es im Kabinettsbeschluss von Anfang Oktober. Die Jobcenter sind verpflichtet, die Fälle an den Zoll zu melden. Durch das Ampel-Aus sind die Maßnahmen jedoch erst einmal auf Eis.

Für Bürgergeld-Bezieher lohnt sich Mehrarbeit ab einem bestimmten Niveau nicht mehr, deshalb sollen viele illegal arbeiten. (Montage)

Ökonom Friedrich Schneider sieht die steigende Arbeitslosigkeit als Treiber der Schwarzarbeit – neben der schwachen wirtschaftlichen Lage und etwa der Umsatzsteuer-Änderung in der Gastronomie. Was Menschen im Bürgergeld angeht, ist seine Darstellung jedoch differenzierter. „Die Schwarzarbeit sinkt, weil die Bürgergeld-Haushalte aufgrund der gestiegenen Transfersätze weniger auf Schattenwirtschafts-Einkommen angewiesen sind“, erklärte Schneider.

Durch das höhere Bürgergeld ging Volumen der Schwarzarbeit um 3,6 Milliarden Euro zurück

Umgekehrt gebe es dennoch einen Anstieg der Haushalte mit illegal arbeitenden Menschen, die bereits Bürgergeld erhalten. Die Zahl steige, „weil der Anreiz, durch die Aufnahme einer (legalen) Erwerbstätigkeit den Bezug von Bürgergeld zu beenden, durch das höhere Bürgergeld geringer wird“, zitiert die Welt den Experten.

Durch das höhere Bürgergeld soll das Volumen der Schwarzarbeit um 3,6 Milliarden Euro zurückgegangen sein. Dagegen geht Schneider von einem Anstieg um 1,6 Milliarden Euro durch die steigende Zahl der Arbeitslosen aus. Der Rückgang ist damit, rechnet man ihn im Vergleich zum Zuwachs gegen, immer noch um zwei Milliarden Euro höher – durch das Bürgergeld.

Mehrarbeit im Bürgergeld lohnt sich weniger – Schwarzarbeit als Verlockung

Mit Blick auf die von den Jobcentern gemeldeten Verdachtsfälle ist der Anteil im Vergleich zu den erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfängern ebenfalls verschwindend gering. 2022 meldeten die Jobcenter 42.000 Fälle an die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, 2023 waren es 39.000 Verdachtsfälle. In diesem Jahr waren es bis einschließlich August 24.704 Fälle. Die FKS leitete 2022 85.000 Verfahren wegen Leistungsbetrugs ein, 2023 waren es 74.000. Zum Vergleich: Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit gab es im Oktober 2024 knapp vier Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte.

Die Bundesagentur für Arbeit verweist darauf, dass es Verdachtsfälle, also keine tatsächlichen Fälle von Schwarzarbeit seien. Dennoch gibt es eine Dunkelziffer. Im Fokus sind dabei laut Schneider die Aufstocker, also Erwerbstätige, die Bürgergeld beziehen, weil ihr eigentliches Gehalt zu gering ist. Für sie lohne sich wegen der Transferentzugsraten eine Mehrarbeit nicht mehr so stark, weil sie dadurch Sozialleistungen verlieren.

Politik setzt im Bürgergeld auf Strafen – statt Anpassung der Transferentzugsraten

Von Fachpolitikern war zwar immer wieder zu hören, dass sie an dieser Stelle ansetzen wollen. Dadurch würde ein positiver Anreiz zu Mehrarbeit im Bürgergeld geschaffen. „Das Ziel einer Reform der Hinzuverdienstgrenzen im Bürgergeld und Wohngeld muss sein, dass auf der einen Seite die Kombination aus Bürgergeld und Minijob unattraktiver wird und auf der anderen Seite es attraktiver wird, sich Stück für Stück herauszuarbeiten und mehr zu arbeiten“, erklärte etwa Jens Teutrine, Sprecher der FDP-Fraktion für Bürgergeld, bereits im Juni gegenüber IPPEN.MEDIA. Seitdem hat sich nichts getan – abgesehen von den Sanktionen für Schwarzarbeiter. Nach dem Koalitionsbruch sind diese nun auch – vorerst – vor dem Aus.

Schwarzarbeit-Experte Schneider sieht an der Zunahme der Schattenwirtschaft jedoch nicht nur Negatives. Die Zunahme illegaler Beschäftigung bedeute auch, dass „zusätzliche – schwarze – Wertschöpfung“ entstehe. Das Geld kurble den Konsum an. Gerade Menschen mit geringen Einkommen hätten dadurch mehr. Allerdings: Wer illegal beschäftigt ist, hat keine Versicherung und erwirbt damit keine Rentenansprüche. Die Gefahr von Armut im Alter steigt.

Rubriklistenbild: © Jens Kalaene/Annette Riedl/dpa

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