Schonvermögen, Wohneigentum, Auto, Zuverdienst
Bürgergeld benachteiligt Rentner: Warum die Regelungen unfair sind
VonUlrike Hagenschließen
Die Vorschriften für das Bürgergeld stellen Rentner und Erwerbsgeminderte deutlich schlechter – und das gleich viermal. Sozialverbände plädieren für eine Gleichbehandlung.
München – Auf den ersten Blick scheint die sogenannte Grundsicherung in Deutschland für alle Bedürftigen gleichermaßen zu greifen. Doch im Detail sieht es ganz anders aus: Rentner stehen schlechter da als Bürgergeld-Empfänger, das gilt auch für Menschen mit Erwerbsminderung. So gibt es bei der Grundsicherung im Alter deutliche Unterschiede beim Schonvermögen, dem eigenen Fahrzeug, dem Zuverdienst und selbst genutztem Wohneigentum. Sozialverbände kritisieren diese Ungleichbehandlung scharf.
Große Unterschiede: Rentner bekommen kein Bürgergeld – aber Grundsicherung
Immer mehr Senioren können ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften bestreiten und sind auf die Grundsicherung im Alter angewiesen. Im Juni 2024 waren es bundesweit 728.990 Menschen, berichtet das Statistische Bundesamt, ein neuer Rekordwert. Was wohl den wenigsten bewusst ist: Der Staat macht große Unterschiede zwischen Bürgergeld und der Grundsicherung in Rente.
Schonvermögen: Nur 10.000 Euro Freibetrag für Rentner
Beispiel Schonvermögen: Mit der Einführung des Bürgergeldes wurde dieses für Empfänger von Sozialleistungen deutlich angehoben. Während einer zwölfmonatigen Karenzzeit dürfen Berechtigte 40.000 Euro und 15.000 Euro für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft behalten. Danach gilt ein Freibetrag von 15.000 Euro pro Person.
„Hochgradig ungerecht“: Rentner schlechter gestellt als Bürgergeld-Empfänger
Erwerbsgeminderten, und Menschen in der Rente, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, werden jedoch gerade einmal 10.000 Euro pro Person zugestanden. Alles, was über diesen Betrag hinausgeht, wird angerechnet und muss aufgebraucht werden, bevor die staatliche Unterstützung greift. VdK-Präsidentin Verena Bentele kritisiert diese Praxis gegenüber IPPEN.MEDIA scharf: „Das ist hochgradig ungerecht. Da fordert der VdK eine Gleichstellung zugunsten der Grundsicherungsempfänger und Betroffenen von Erwerbsminderung.“ Da diese Personen in der Grundsicherung im Alter bis zum Lebensende blieben, seien sie besonders auf Rücklagen angewiesen und bräuchten dieses Polster.
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Rentner schlechter gestellt als Bürgergeld-Empfänger: Auto darf nur halb so teuer sein
Auch beim eigenen Auto zeigt sich die Ungleichbehandlung. Bürgergeld-Empfänger dürfen ein Fahrzeug besitzen, das bis zu 15.000 Euro wert ist, ohne dass ihnen dies als Vermögen angerechnet wird. Eine Angemessenheitsprüfung entfällt, solange der Wert unter dieser Grenze liegt. Das Kraftfahrzeug eines Grundsicherung beziehenden Rentners oder Erwerbsgeminderten darf hingegen maximal 7.500 Euro wert sein.
Überschreitet der Fahrzeugwert diese Grenze, wird das Auto als Vermögen bewertet – und kann zur Kürzung oder gar zum Wegfall der Grundsicherung führen. Diese Regelung treffe insbesondere ältere Menschen hart, die auf ein unter Umständen besonders gerüstetes und damit sogar teureres Fahrzeug angewiesen sind, um mobil zu bleiben und am sozialen Leben teilzuhaben, so der VdK.
Die besonderen Ausgaben von Älteren und Erwerbsgeminderten müssen besser berücksichtigt werden – insbesondere für Gesundheit, Mobilität und Barrierefreiheit.
Bürgergeld-Bezieher dürfen auf 130 Quadratmetern leben – Rentner auf nur 80 Quadratmetern
Der Sozialverband nennt einen weiteren Kritikpunkt: Sogar selbst genutztes Wohneigentum wird unterschiedlich bewertet: Während Bürgergeld-Empfänger Immobilien mit einer Wohnfläche von bis zu 130 Quadratmetern besitzen dürfen, ohne dass dies auf die Leistungen angerechnet wird, dürfen Rentner und Erwerbsgeminderte auf nur maximal 80 Quadratmetern anrechnungsfrei leben.
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Kritik an Ungleichbehandlung: Weniger Hinzuverdienst für Rentner erlaubt
Ein weiterer Nachteil zeigt sich bei der Anrechnung von Einkommen aus einem Nebenjob. Bürgergeld-Empfänger dürfen bis zu 348 Euro (ohne Kind) oder 378 Euro (mit Kind) von ihrem Hinzuverdienst behalten. Die ersten 100 Euro sind der Grundfreibetrag, ebenso wie 20 Prozent vom Bruttoeinkommen zwischen 100 und 520 Euro sowie 30 Prozent vom Einkommen zwischen 520 Euro und 1.000 Euro 30 Prozent, und 10 Prozent vom Bruttoeinkommen im Bereich zwischen 1.000 Euro und 1.200 Euro (bzw. 1.500 Euro mit einem minderjährigen Kind).
Zwar ist die Hinzuverdienstgrenze für Rentnerinnen und Rentner angehoben worden. Für Rentner und Erwerbsgeminderte in der Grundsicherung, die im Ruhestand weiterarbeiten, liegt der Freibetrag hingegen bei lediglich 30 Prozent des Erwerbseinkommens. Einen Grundfreibetrag wie im Bürgergeld gibt es hier nicht.
Sozialverbands-Chefin fordert: „Besondere Ausgaben von Älteren berücksichtigen“
Die VdK-Chefin fordert, „die besonderen Ausgaben von Älteren und Erwerbsgeminderten besser berücksichtigt werden – insbesondere für Gesundheit, Mobilität und Barrierefreiheit“. Bedürfnisorientierten Bedarfe müssten ermittelt und „entweder durch Mehrbedarfe, Zuschläge oder gesonderte Regelsätze“ gewährt werden.
„Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll, dass der Freibetrag für die gesetzliche Rente für alle Grundsicherungsbezieher gilt und nicht nur für die, die 33 Jahre Grundrentenzeiten erfüllen“, ergänzt Verena Bentele. Alle Grundsicherungsbezieher, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert waren, müssten im Alter auch von ihren erworbenen Rentenanwartschaften profitieren.
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