Intelligentes Arbeiten
Fachkräftemangel: Wie deutsche Unternehmen Millionen Arbeitskräfte sparen könnten
- VonBleranda Shabanischließen
Der Fachkräftemangel bedroht die deutsche Wirtschaft, doch eine neue Analyse zeigt, dass die Lösung nicht nur in der Mobilisierung von mehr Arbeitskräften liegt.
Frankfurt – Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels in Deutschland scheint die übliche Antwort der Politik klar: Einwanderung fördern und Mehrarbeitsanreize schaffen. Doch laut einer neuen Analyse des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (Ifaa) gibt es noch eine andere, bislang weniger beachtete, Lösung: Mit effizienteren Abläufen und dem Einsatz moderner Technologien könnten Millionen Arbeitskräfte eingespart werden.
Fachkräftemangel: Automatisierung und Digitalisierung als Schlüssel
Während viele Unternehmen versuchen, den Arbeitskräftemangel durch mehr Personal zu kompensieren, zeigt die Ifaa-Studie eine alternative Möglichkeit auf. Laut der Analyse, die der F.A.Z. vorliegt, könnten allein durch schlankere Produktionsprozesse, den verstärkten Einsatz von Robotern und künstlicher Intelligenz sowie den Abbau von Bürokratie mehr als vier Millionen Arbeitskräfte eingespart werden.
Diese Einsparungen würden nicht zu weniger Beschäftigung führen, sondern vielmehr Kapazitäten freisetzen, um sie für wertschöpfendere Aufgaben zu nutzen, heißt es im Bericht.
„Lean Production“: Wie Unternehmen effizienter arbeiten könnten
Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen bietet wohl die „Lean Production“. Sie bezeichnet den effizienten und ressourcensparenden Einsatz von Betriebsmitteln, Personal, Materialien sowie Planung und Organisation in sämtlichen Bereichen eines Unternehmens. Ziel ist es, Zeit und Ressourcen optimal zu nutzen.
Die Experten des Ifaa haben internationale Studien ausgewertet und zeigen am Beispiel des Autobauers Toyota, wie schlanke Produktionsmethoden Potenziale heben können. In den 1990er-Jahren produzierte ein Toyota-Mitarbeiter im Konzept der „Lean Production“ jährlich 64 Fahrzeuge, während bei Volkswagen nur 13 und bei General Motors sogar nur neun Autos pro Mitarbeiter hergestellt wurden. Diese Prinzipien könnten auch heute noch in vielen Bereichen der deutschen Industrie ungenutzte Effizienzpotenziale freisetzen, schätzen die Experten.
Chancen durch den verstärkten Einsatz von Industrierobotern
Ein weiteres großes Potenzial sehen die Forscher im Einsatz von Industrierobotern. Zwar ist die Roboterdichte in Deutschland wohl bereits hoch – mit 415 Robotern je 10.000 Beschäftigte –, doch im internationalen Vergleich gibt es noch Luft nach oben. In Südkorea liegt dieser Wert beispielsweise bei über 1.000 Robotern. Würde Deutschland diesem Niveau folgen, könnten weitere 900.000 Arbeitskräfte ersetzt werden, berichtet die F.A.Z.
Neben der Automatisierung rückt die Studie auch den Bürokratieabbau in den Fokus. Laut dem Normenkontrollrat der Bundesregierung kostet die Bürokratiebelastung die deutsche Wirtschaft jährlich rund 65 Milliarden Euro.
Diese ineffizienten Prozesse binden die Arbeitskraft von etwa 1,1 Millionen Menschen. Der Abbau dieser Belastung könnte also ebenfalls zur Lösung des Fachkräftemangels beitragen. Vermehrt fordern Unternehmen und Behörden den Abbau von Bürokratie.
Anreize für ausländische Fachkräfte: Steuererleichterungen und Familienzusammenführung
Aber inwiefern trägt das wirklich zur Lösung des Fachkräftemangels bei? Zwar zielen die Methoden darauf ab, die Effizienz der Mitarbeitenden zu verbessern und das Zeitmanagement zu optimieren, was zu einer gesteigerten Produktivität führen kann, doch neue Arbeitskräfte lassen sich dadurch nicht gewinnen. Der Fachkräftemangel bleibt bestehen – allein im vergangenen Jahr wurden 570.000 Stellen nicht besetzt, so das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Somit könnte die Arbeitslosigkeit mit Automatisierungsprozessen sogar verschlimmert werden.
Um dieses Problem zu lösen, plant die Bundesregierung in ihrer Wachstumsinitiative, verstärkt ausländische Fachkräfte zu rekrutieren. Durch Steuererleichterungen und vereinfachte Möglichkeiten zur Familienzusammenführung sollen sie für den Wirtschaftsstandort Deutschland gewonnen werden.
Über diese Lösungen wird hitzig diskutiert. Empörung gibt es insbesondere von Seiten der Opposition und von Gewerkschaften. Viele empfinden sie als unfair, da diese Entlastungen für deutsche Arbeitnehmer nicht gelten. Sie fordern Lösungen für die arbeitende Mitte und weisen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht hin.
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