Ungleichgewicht bei Steuersenkungsplänen

„Ampel biegt in falsche Richtung ab“: Lindners Steuerpläne bevorzugen Gutverdiener

  • VonTheresa Breitsching
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Eine aktuelle Analyse legt nahe, dass insbesondere Menschen mit höherem Einkommen von den Ampel-Steuerplänen profitieren – und nicht Normalverdiener. Je höher das Einkommen, desto höher die Entlastung.

Berlin – Seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg steigen die Lebenshaltungskosten in Deutschland immer weiter an. Eine Preissteigerung folgt der nächsten, vor allem Energie- und Lebensmittel belasten viele Haushalte und schmälern das verfügbare Einkommen. Nun plant die Ampelkoalition auf Initiative der FDP Steuersenkungen, von denen jedoch vor allem Besserverdienende profitieren. Für Normalverdiener bleibt daher die Frage: Reicht das aus, oder ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Besserverdienende bei Lindners Steuersenkungsplänen bevorzugt: „Ampel biegt falsch ab“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will mit den geplanten Steueränderungen die kalte Progression lindern – jene versteckte Steuererhöhung, bei der eine Gehaltserhöhung durch die Inflation aufgezehrt wird, aber dennoch höhere Steuern fällig werden. Zwar soll diese Maßnahme Millionen Bürgern zugutekommen, doch profitieren vor allem Besserverdienende von den Steueranpassungen – und das, obwohl sie von den steigenden Preisen weniger stark betroffen sind als Normal- oder Geringverdienende.

So plant Lindner dieses Jahr zwar den steuerlichen Freibetrag für Kinder zu erhöhen, jedoch nicht das Kindergeld. Das hilft vor allem Gutverdienern, da sich der Freibetrag erst ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von etwa 8000 Euro lohnt. Familien, die den Freibetrag nutzen, können dann pro Kind bis zu 1529 Euro mehr Entlastung erhalten als jene, die nur Kindergeld beziehen, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

„Die Ampel biegt in die falsche Richtung ab“, fasst die Vorständin des Deutschen Gewerkschaftsbundes Anja Piel zusammen. Denn im Vergleich zum Vorjahr nimmt der Abstand zwischen jenen, die den Freibetrag nutzen und jenen, die Kindergeld beziehen um fast 300 Euro zu – und das, obwohl die Ampel die Familien perspektivisch eigentlich gleichstellen will, wie es im Koalitionsvertrag steht. Piel kritisiert, dass für Familien mit kleinem Einkommen für die Kindergrundsicherung kein Geld da sei, aber nun Geld über höhere Freibeträgen an Besserverdienende verteilt werde. „Man fragt sich, wie Finanzminister Lindner das ärmeren Familien erklären will“. Laut SZ heißt es aus dem Finanzministerium, das Kindergeld sei bereits 2023 überproportional erhöht worden, wovon insbesondere Familien mit geringem Einkommen profitiert hätten.

Analyse der Arbeitnehmerkammer Bremen offenbart Ungleichgewicht: Gutverdiener bevorzugt

Auch 2025 plant die Ampel, auf Initiative des FDP-Chefs steuerliche Änderungen durchzuführen: Der Grundfreibetrag soll steigen, wovon alle Steuerzahler profitieren, außerdem sollen wegen der kalten Progression die Eckwerte der Einkommensteuer und die Freigrenze des Solidaritätsbeitrags angehoben werden. Die Arbeiterkammer Bremen rechnet laut SZ jedoch aus: Davon profitieren wieder Gutverdiener. Singles ab 7500 Euro brutto im Monat gewinnen rund 500 Euro im Jahr – gleich drei bis fünf Mal mehr als Normalverdiener. Und gut verdienende Familien mit zwei Kindern und 8000 Euro, werden um 400 Euro im Jahr entlastet. Fazit: Je höher das Einkommen, desto höher die Entlastung. Hingegen kommt der Normalverdiener mit 2000 bis 5000 Euro nur auf rund 100 bis höchstens 300 Euro.

Lindners Pressestelle will keine externen Studien kommentieren. Es heißt dazu: Menschen mit höherem Einkommen zahlen aufgrund des progressiven Steuertarifs höhere Steuern, „diese höhere Steuerbelastung darf bei der Frage, wer stärker entlastet wird, nicht unberücksichtigt bleiben.“

FDP-Chef Lindner plant Steuersenkungen, die jedoch nicht jenen zugutekommen, die diese dringend bräuchten. (Archivbild)

Lindners Steuerpläne begünstigen nicht diejenigen, die am stärksten unter der Inflation leiden

Eine Auflistung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung verdeutlicht jedoch den Unterschied und verweist auf eine Kaufkraftlücke, die vor allem Familien trifft. So stünden Familien mit zwei Kindern und einem Nettoeinkommen von 3000 Euro im Monat im Vergleich zu 2021 etwa 300 Euro weniger zur Verfügung. Für Alleinerziehende ist die Situation sogar noch schwieriger, während Singles und besser verdienende Familien weniger stark von der Teuerungswelle betroffen sind – also jene Gruppe, die durch Lindners Pläne entlastet wird.

Die Arbeitnehmerkammer Bremen stellt in der SZ ein Gegenmodell vor, das auch jene Menschen entlasten soll, die von der Inflation besonders betroffen sind: Normalverdiener mit Kindern. Das Kindergeld soll dafür auf 275 Euro im Monat angehoben werden, nicht nur von 250 auf 255. Außerdem sollen Sozialbeiträge zur Kranken- und Pflegekasse um insgesamt 0,8 Prozent sinken. Wegfällt hingegen bei dem Modell die Anhebung der Eckwerte der Einkommensteuer und der Freigrenze des Solidaritätsbeitrags. Bei einer Familie mit zwei Kindern sinken damit die Sozialbeiträge und sie erhalten mehr Geld: Normalverdiener mit 2000 bis 5000 Euro brutto im Monat bekämen somit 700 bis 900 Euro mehr im Jahr.

Allerdings: Das Modell kostet fünf Milliarden Euro mehr als die Ampel-Pläne, wenn die Senkung der Sozialbeiträge nur Bürgern zugutekommen würde, und nicht Firmen. „Unser Vorschlag ist ein Entlastungspaket für die arbeitende Mitte und für Familien“, meint Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer zur SZ. Das Modell könnte Ziele des Koalitionsvertrags umsetzen: Eine Senkung der Sozialbeiträge sowie die Gleichbehandlung von Familien – und zwar unabhängig davon, ob sie Kindergeld oder steuerliche Freibeträge nutzen.

Rubriklistenbild: © Michael Kappeler/dpa