Work-Life-Balance

Single-Eltern: Im Spagat zwischen Beruf und Familie?

  • Joy Gantevoort
    VonJoy Gantevoort
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Single-Eltern stehen vor einer Herausforderung: Sie möchten einerseits beruflich erfolgreich sein und andererseits sind sie sich der Bedürfnisse ihrer Kinder bewusst. Ein Drahtseilakt, der oft zum Scheitern führt.

Alleinerziehende stehen täglich vor der Herausforderung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Der Wunsch, im Job verlässlich und leistungsstark zu sein, kollidiert oft mit dem Bedürfnis, dem eigenen Kind ausreichend Aufmerksamkeit und Geborgenheit zu schenken. Die Zeit reicht selten für beides, und so entsteht ein ständiges Gefühl der Zerrissenheit – begleitet von Stress, Erschöpfung und oft auch Schuldgefühlen. Doch mit einigen strategischen Anpassungen und einem Umdenken in der Gesellschaft kann diese Balance besser gelingen.

Alleinerziehende Elternteile jonglieren oft zwischen Arbeit und Kinderbetreuung.

Der innere Konflikt zwischen Karriere und Familie

Die Doppelbelastung von Alleinerziehenden zeigt sich vor allem in zwei Bereichen: dem beruflichen Druck und dem emotionalen Anspruch, für das Kind da zu sein. Arbeitgeber erwarten Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft, während Kinder ihre Eltern brauchen – nicht nur für praktische Unterstützung, sondern auch für emotionale Nähe.

Im Berufsleben stoßen Alleinerziehende oft an Grenzen. Während Kollegen Überstunden machen, müssen sie pünktlich aus dem Büro, um die Kinder von der Betreuung abzuholen. Krankheitstage des Kindes bedeuten Stress, weil sie den Arbeitsalltag durcheinanderbringen. Manche Arbeitgeber sehen es aber als Teil ihrer Aufgabe an, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, dass Alleinerziehende überdurchschnittlich oft in unsicheren Arbeitsverhältnissen tätig sind, was den Druck zusätzlich verstärkt. Viele haben Angst, als weniger belastbar zu gelten, und verzichten deshalb auf Pausen oder nehmen Arbeit mit nach Hause.

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Auf der anderen Seite stehen die Kinder, die Aufmerksamkeit, gemeinsame Zeit und Stabilität brauchen. Doch wenn das Kind erzählen möchte, was es in der Schule erlebt hat, während im Kopf noch die letzte E-Mail kreist, bleibt oft das Gefühl, nicht genug zu sein. Eine Untersuchung des ifo Instituts zeigt, dass Kinder von Alleinerziehenden häufiger Stresssymptome entwickeln, wenn ihre Eltern beruflich stark eingespannt sind. Dabei ist längst bewiesen, dass nicht die Quantität, sondern die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung entscheidend ist. Bereits 10 bis 15 Minuten ungestörte, intensive Aufmerksamkeit pro Tag sollen eine starke Bindung und emotionale Sicherheit schaffen können.

Wege zu einer besseren Balance

Eine perfekte Lösung gibt es nicht, aber kleine Veränderungen können den Alltag erleichtern. Wer sich von überhöhten Ansprüchen verabschiedet und bewusst Prioritäten setzt, kann sich von überflüssigem Druck befreien. Eine gesunde Work-Life-Balance für Alleinerziehende bedeutet nicht, alles gleichmäßig unter einen Hut zu bekommen, sondern einen Weg zu finden, der langfristig tragbar ist.

  • Flexibilität einfordern: Arbeitgeber sind zunehmend offen für familienfreundliche Arbeitsmodelle. Gespräche über Homeoffice, Gleitzeit oder Teilzeitmodelle können helfen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass Unternehmen mit flexiblen Strukturen von zufriedeneren und produktiveren Mitarbeitern profitieren.
  • Unterstützung suchen: Niemand muss alles allein schaffen. Netzwerke für Alleinerziehende, Nachbarschaftshilfen oder private Tauschbörsen können helfen, Betreuungsengpässe zu überbrücken. Es lohnt sich, Hilfe anzunehmen – sei es durch Freunde, Verwandte oder professionelle Unterstützung.
  • Schuldgefühle loslassen: Es ist unmöglich, in jeder Situation gleichzeitig perfekt im Beruf und im Familienleben zu sein. Viel wichtiger als Quantität ist bewusste Zeit mit dem Kind. Schon kleine Rituale – ein gemeinsames Abendessen ohne Ablenkung, eine Gute-Nacht-Geschichte oder ein Gespräch beim Spaziergang – können das Band zwischen Eltern und Kind stärken.
  • Pausen einplanen: Wer sich selbst völlig aufreibt, hat irgendwann keine Energie mehr für das Wesentliche und reagiert dann schnell gereizt. Kurze Auszeiten sind essenziell, um gesund zu bleiben – sei es ein kurzer Spaziergang, ein heißer Tee oder ein entspannter Abend mit einem guten Buch. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern notwendig, um langfristig für das eigene Kind da sein zu können.

Mental Load, Stress, Schlafmangel, Einsamkeit: Dinge, die sich Eltern mit Kind anders vorgestellt haben

Mutter liegt mit Baby in der Wiese
Die Elternzeit wird schön, endlich Freizeit, wie Urlaub, abschalten und die Zeit mit dem Baby genießen, viel spazieren gehen, die angefangenen Bücher fertig lesen, neue Kochrezepte ausprobieren. Was sich gerade Mütter während der ersten Schwangerschaft ausmalen, entspricht in vielen Fällen nicht dem, wie es dann wird. Manche Mütter und Väter fühlen sich vom neuen Lebensabschnitt überrollt und trotz aller Vorbereitungen doch nicht genug vorbereitet. (Symbolbild) © Kzenon/Imago
Frau enttäuscht am Telefon
So sehr sich viele Mütter über den positiven Schwangerschaftstest und den Nachwuchs freuen, umso herausfordernder kann dann die Organisation rund um die Geburt werden. Je nachdem, in welcher Stadt sie leben, wird Eltern geraten, sich frühzeitig um einen Platz zur Entbindung in einer Klinik zu bemühen. 24vita.de sprach mit einer Mutter, die bereits in der 6. Woche der Frühschwangerschaft von Kliniken am Telefon abgewiesen wurde, weil sie zum errechneten Entbindungstermin keinen Platz ermöglichen konnten. „Das habe ich wirklich nicht erwartet“, berichtete die Mutter. (Symbolbild) © AntonioGuillem/Imago
Zwei Frauen mit Baby am Wickeltisch.
Ein für viele Mütter besonders frustrierender Umstand ist der Mangel an Hebammen in Deutschland, insbesondere zur Nachsorge. Ein Umstand, den sich so manche Eltern wohl anders vorgestellt haben. Die Hebamme kommt nach der Geburt zu den Müttern nach Hause – anfangs täglich, später wöchentlich – sieht nach dem Baby und ist auch wertvolle Ansprechpartnerin für die Mutter. Eltern brauchen speziell am Anfang Unterstützung und Kraft, um ihre nötige Kompetenz entwickeln zu können. Gerade nach der Geburt fühlen sich viele Mütter körperlich und mental erschöpft. Die Hebamme kontrolliert in der Nachsorge zudem die Rückbildung der Gebärmutter bei der betreffenden Mutter, den Wochenfluss sowie die Wundheilung von Riss- oder Operationswunden bei Dammriss oder -schnitt sowie Kaiserschnitt. Außerdem zeigt die Hebamme ihnen erste Übungen der Rückbildungsgymnastik. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter sitzt erschöpft vor Babybett
Ein Baby bedeutet das pure Glück – so denken und hoffen es die meisten Eltern. Doch nicht immer stellt sich nach der Geburt das Gefühl von Glück und unendlicher Liebe ein. Bei etwa 710.000 Geburten pro Jahr in Deutschland zeigen über 70.000 Frauen und mit ihnen auch Männer pro Jahr Symptome einer postpartalen Depression. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Vater und Sohn schlafen im Sitzen
„Schlaf immer dann, wenn das Baby schläft.“ Ein gut gemeinter Rat von anderen Eltern, der nach der Geburt eine besondere Bedeutung einnehmen wird. Denn den schwierigen Umstand der veränderten Schlafqualität mit Schlafmangel haben sich viele Eltern definitiv anders vorgestellt. Nicht selten fühlen sich die übermüdeten Mütter und Väter dann über den ganzen Tag schläfrig-benommen, leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und sind stark reizbar. (Symbolbild) © Tanya Yatsenko/Imago
Mutter mit Baby erinnert sich
Zu dem neuen Leben mit Baby kommen auch jede Menge Aufgaben auf Mütter und Vater zu, angefangen vom neuen Tagesablauf, den oftmals kurzen Nächten, über das Stillen des Babys und Fläschchen geben bis hin zu Nachsorge- und Vorsorgeterminen. Gerade Mütter berichten, das Gefühl zu haben, an vieles denken zu müssen und machen dabei häufig die Erfahrung – auch wenn das Kind schon älter ist sowie, wenn Geschwister dazu kommen – Termine, Verabredungen oder Aufgaben zu vergessen. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Frau sortiert Wäsche in Waschmaschine
Mit dem Nachwuchs wird die Arbeit im Haushalt nicht weniger, ganz im Gegenteil. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, so viel Wäsche pro Woche zu waschen“, erzählt eine Mutter 24vita.de im Gespräch. Mit dem Baby in der Familie fehlt es dann schlicht und ergreifend häufig an Zeit und vielen Eltern auch an Energie, Aufgaben zu erledigen, selbst wenn Eltern das Kind einbinden oder sich zur Erholung zum schlafenden Baby dazu legen. (Symbolbild) © YAY Images/Imago
Frau in der Dusche
Eine ausgiebige Dusche oder ein schönes, warmes Bad. Was für Menschen ohne Kinder meist selbstverständlich ist, muss von Eltern mit Baby nicht selten zeitlich eingeplant werden. „Ich habe anfangs immer nur ganz schnell duschen können, weil unser Kleiner nicht gerne abgelegt werden wollte und dann viel weinte“, beschreibt eine Mutter im Gespräch mit 24vita.de. Zwar mag es für die einen absurd klingen, doch ist dieser Umstand für so manche Mutter oder manchen Vater nach der Geburt des Babys blanke Realität, die vorher nicht in ihrer Vorstellung vorkam. (Symbolbild) © Ihar Ulashchyk/Imago
Mutter wiegt Baby im Arm
Über neun Monate warten Eltern darauf, ihr Baby in den Armen halten zu können. „Jeden Tag war das für mich ein besonderer Moment, wenn ich unser kleines Baby im Arm hielt, sie wiegte, an ihr roch“, so die Mutter einer jetzt 4-Jährigen. Die meisten Eltern freuen sich auf ihre Elternzeit mit Kind, doch es gibt auch die Mütter und Väter, die sich in dieser ersten Zeit mit Kind dennoch alleine fühlen, da ihnen beispielsweise die Ansprache mit anderen fehlt. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago
Eltern mit kleinem Baby
Mit der Geburt des Babys werden aus zwei Menschen eine Familie. Wo sich vorher die Frau und der Mann voll auf ihre Partnerschaft konzentrieren konnten, stehen nun in der Regel vorrangig die Bedürfnisse des Nachwuchses im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Baby verändert zwar eine Partnerschaft, kann sie aber auch bereichern. Mutter und Vater ist eine Rolle im Leben, in die Eltern zunächst hineinwachsen müssen, die auch mit Tücken, Hindernissen und verschiedenen Gefühlen verbunden ist, auch wenn es in der eigenen Vorstellung einfacher schien. (Symbolbild)  © Cavan Images/Imago

Keine Perfektion, aber eine machbare Balance

Der Alltag als Alleinerziehender ist oft ein Drahtseilakt. Doch es geht nicht darum, alles perfekt unter Kontrolle zu haben, sondern darum, eine Balance zu finden, die tragfähig ist. Die Gesellschaft muss familienfreundliche Arbeitsmodelle weiter fördern, aber auch Alleinerziehende selbst können durch realistische Erwartungen und gezielte Entlastungsschritte mehr Ruhe in ihren Alltag bringen. Wichtig ist nicht, immer alles zu schaffen – sondern da zu sein, wenn es darauf ankommt.

Rubriklistenbild: © Christin Klose