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Neue Krebs-Studie zu Überlebenschancen: Riesen-Unterschiede bei Kliniken
VonAndreas Beezschließen
Die Überlebenschancen bei Krebs hängen auch davon ab, in welcher Klinik der Patient behandelt wird. Eine neue Studie enthüllt große Unterschiede.
Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr etwa eine halbe Million Menschen an Krebs, und weit über 200.000 Frauen und Männer sterben daran. Bei den Überlebenschancen spielt auch die Wahl des Krankenhauses eine große Rolle. Dies belegt eine neue Studie. Sie wurde von einem Expertenteam veröffentlicht, dem auch bayerische Wissenschaftler und Vertreter der AOK angehören. Die Daten von rund 22 Millionen volljährigen Versicherten der größten Krankenkasse sind in die Auswertung eingeflossen. Dadurch erreicht die sogenannte WiZen-Studie eine hohe Aussagekraft.
Deutsche Krebsgesellschaft verleiht Kliniken Gütesiegel
Bei ihrer Datenanalyse haben die Experten die Ergebnisse von zwei Krankenhaus-Gruppen unterschieden: zum einen Kliniken, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert worden sind, zum anderen Einrichtungen, die dieses Prüfsiegel nicht vorweisen können. Einen Überblick der zertifizierten Zentren bietet die Deutsche Krebsgesellschaft auf der Website www.oncomap.de.
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In manchen Kliniken überleben fast doppelt so viele Patienten
Ein wichtiger Gradmesser in der Krebsmedizin ist die sogenannte Fünf-Jahres-Überlebensrate. Sie beschreibt den prozentualen Anteil der Patienten, der fünf Jahre nach der Tumordiagnose noch am Leben ist. Bei diesem Wert kristallisierten sich in der WiZen-Studie eklatante Unterschiede bei vielen unterschiedlichen Krebsarten heraus. So beträgt er beispielsweise für Lungen-Krebspatienten in zertifizierten Zentren 28 Prozent, in anderen Häusern dagegen statistisch gesehen nur 16,9 Prozent. Bei Bauchspeicheldrüsen-Krebs ist das Ungleichgewicht noch größer: 11,5 zu 6,5 Prozent. Das bedeutet im Umkehrschluss: In zertifizierten Zentren überleben langfristig fast doppelt so viele Patienten mit einem Pankreaskarzinom.
| Krebsart | 5-Jahres-Überlebensrate in zertifizierten Zentren | 5-Jahres-Überlebensrate in nicht zertifizierten Zentren |
| Darmkrebs | 48,7 Prozent | 46,7 Prozent |
| Enddarmkrebs | 49,2 Prozent | 43,3 Prozent |
| Bauchspeicheldrüsenkrebs | 11,5 Prozent | 6,5 Prozent |
| Brustkrebs | 78,3 Prozent | 71,9 Prozent |
| Lungenkrebs | 28 Prozent | 16,9 Prozent |
| Prostatakrebs | 78,4 Prozent | 71,2 Prozent |
| Neuroonkologische Tumoren, zum Beispiel Hirntumoren | 61 Prozent | 48 Prozent |
| Kopf-Hals-Tumoren | 47 Prozent | 45,3 Prozent |
Erhebliche Unterschiede bei häufigen Krebserkrankungen
Auch bei den häufigeren Tumorarten macht die Wahl der Klinik einen Unterschied – wenngleich auch nicht so drastisch wie im Falle von Lungen- oder Pankreaskarzinomen. So stehen bei Brustkrebs die 5-Jahres-Überlebensraten von 78,3 und und 71,9 Prozent gegenüber, bei Prostatakrebs von 78,4 und 71,2 – bei beiden Entitäten (Fachbegriff für Krebsarten) beträgt die Differenz also immerhin etwa sieben Prozent. Das heißt: Von 100 Patienten überleben in zertifizierten Zentren sieben Männer und Frauen mehr als woanders.
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Nur 59 Prozent der Patienten werden in zertifizierten Kliniken behandelt
In Deutschland existieren derzeit 435 zertifizierte Zentren, allerdings werden nur 41 Prozent der Patienten in diesen Spezialzentren behandelt. Dieses Verhältnis müsse sich ändern, fordern die Experten der WiZen-Studie. Davon würden nicht nur die Patienten, sondern auch die Steuerzahler und die Krankenkassen profitieren. Im Deutschen Ärzteblatt kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss: „Die Erstbehandlung in zertifizierten Krankenhäusern erscheint auch aus gesundheitsökonomischer Sicht sinnvoll. So konnte für Darmkrebs in einer Kosten-Effektivitäts-Analyse des Deutschen Krebsforschungszentrums eine längere Überlebenszeit bei niedrigeren Behandlungskosten in zertifizierten gegenüber nichtzertifizierten Krankenhäusern gezeigt werden.“
Professor Christian Stief bestätigt: „Überlebenschancen sind abhängig vom Behandler und der Klinik“
Erfahrene Münchner Krebsspezialisten sehen sich durch die Studie in ihrer Forderung nach mehr Spezialisierung und Qualitätskontrolle bestätigt. „Es ist eine Binsenweisheit, dass die Überlebenschancen bei Krebserkrankungen abhängig sind von der Qualität des Behandlers und der Klinik, in der die Patienten betreut werden“, sagt der Direktor der Urologie im LMU Klinikum, Professor Christian Stief. „Und diese Fakten sind schon lange für jeden Patienten ersichtlich. So kann man z. B. im Internet unter https://www.initiative-qualitaetsmedizin.de/ einsehen, wie oft bestimmte Eingriffe oder Behandlungen in einem bestimmten Krankenhaus durchgeführt werden und wie häufig die wichtigsten Komplikationen dort und im Deutschland-weiten Vergleich vorkommen.“ Sind Kliniken in dieser Übersicht nicht gelistet, sei Skepsis angebracht, argumentiert Stief. „Man muss sich dann fragen, warum diese Häuser ihre Daten nicht offenlegen.“
Die großen Unterschiede bei den Behandlungsergebnissen zeigen sich nach Stiefs Einschätzung auch in den gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsberichten der Kliniken (Mehr Informationen dazu gibt es unter anderem bei der AOK). „Auch aus diesen Berichten wird klar ersichtlich, wie groß die Unterschiede bei den Überlebenschancen sein können und wie stark sie von der Wahl der Klinik abhängen“, sagt Stief.
Professor Rüdiger von Eisenhart-Rothe: „Behandlung sollte in fachübergreifenden Krebszentren geplant werden“
Entscheidend sei vor allem, dass die Festlegung der interdisziplinären Behandlungsstrategie in zertifizierten Krebszentren erfolgt, erklärt auch der Direktor der Orthopädie im Uniklinikum rechts der Isar, Professor Rüdiger von Eisenhart-Rothe. Neben einer frühzeitigen Diagnose sei ein koordiniertes Vorgehen nötig. „Für den Behandlungserfolg kann es entscheidend sein, dass die Diagnostik und die Planung der einzelnen Therapieschritte in einem fachübergreifenden Krebszentrum erfolgt. Dort haben die Spezialisten neben der Erfahrung auch die klinische Infrastruktur zur Verfügung, um alle nötigen Maßnahmen einzuleiten und zu steuern. Sie kennen auch neueste Studienergebnisse und können einschätzen, welche wissenschaftlich nachgewiesenen Behandlungsfortschritte sie nutzen können“, sagt von Eisenhart-Rothe, der auch das Sarkomzentrum am Uniklinikum rechts der Isar leitet, in der seltene Knochentumoren behandelt werden.
Einzelne Behandlungsschritte auch in heimatnahen Einrichtungen sinnvoll
Wenn die Therapie in einem Krebszentrum eingeleitet worden ist, könnten einzelne Behandlungsschritte durchaus auch in anderen Einrichtungen erfolgen. „Das bietet für manche Patienten den Vorteil, dass sie nicht für jeden Termin extra in eine möglicherweise weit entfernte Klinik fahren müssen“, erläutert von Eisenhart-Rothe und rät: „Informieren Sie sich in den Zentren darüber, mit welchen Einrichtungen bzw. Kollegen die Experten zusammenarbeiten.“
Wertvolle Informationen beim Krebs-Informationstag in München
Wertvolle Tipps und Hintergründe zu Diagnostik und Therapie bei verschiedenen Tumorarten erhalten Patienten auch beim Krebs-Informationstag am 11. November in München. Dabei informieren im Hörsaal des LMU Klinikums den ganzen Tag lang Experten des Krebszentrums CCC München der beiden großen Universitätskliniken über den neuesten Stand der Medizin. „Es stehen insgesamt 35 Vorträge auf dem Programm“, berichtet Dr. Corinna Eichselser vom Verein „lebensmut“, der die hochkarätige Veranstaltung zusammen mit der Bayerischen Krebsgesellschaft, dem Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZFK) und dem CCC veranstaltet.
Rubriklistenbild: © Uniklinikum rechts der Isar



