Hightech-Therapien
Neue Therapien gegen Krebs: Krebszentrum macht Patienten Hoffnung – was heute möglich ist
VonSusanne Sasseschließen
Eine Schockdiagnose wird Krebs vermutlich noch lange bleiben. Doch neue Therapien und Medikamente aus dem Krebszentrum machen Krebspatienten Hoffnung.
Münchner Wissenschaftler an den Uni-Kliniken, vereint im Krebszentrum CCC, haben einige bahnbrechende Therapien entwickelt, die weltweit in der Wissenschaft und auch bei Patienten auf großes Interesse stoßen. In unserem großen Report stellen Top-Experten der Münchner Uniklinik der LMU und vom Klinikum rechts der Isar (TUM) neue Therapien gegen den Krebs vor. Zum Beispiel die sogenannte Theranostik, die Diagnose und Therapie kombiniert und mit Radioaktivität direkt im Körper Metastasen zerstört. Für diese an den Münchner Universitätskliniken maßgeblich entwickelte Therapie neuartige Prostatakrebs-Therapie hat Ende 2022 ein internationaler Pharma-Riese die weltweite Zulassung beantragt. Wir erklären sechs neuen Waffen gegen den Krebs und wie sie funktionieren:
Theranostik als neuartige Prostatakrebs-Therapie
Theranostik – dieser Begriff steht für eine Kombination aus Diagnose und Therapie, bei der Tumoren im Körper markiert und vernichtet werden. Hier haben die Nuklearmediziner der zwei Münchner Unikliniken weltweit beachtete Pionierarbeit geleistet. Die Wissenschaftler haben Moleküle identifiziert, die auf Tumoren in besonders hoher Konzentration zu finden sind. Diese lässt man auf PET/CT-Bildern aufleuchten. PET steht für Positionen Emissions Tomographie und CT für Computer Tomographie. Ein Hybridgerät verbindet die beiden Verfahren. Das CT analysiert die Struktur, das PET die Funktion. Die Metastasen leuchten, da man ein durch Radioaktivität markiertes Oberflächenmolekül spritzt, das sich an jenes auf den Tumoren bindet. An sie heran kommt man, indem man sie im Körper direkt bestrahlt. Und zwar millimetergenau mit radioaktiv versetzten Substanzen, deren Strahlung die Tumoren dann direkt im Körper trifft und vernichtet. Klingt nach Science-Fiction. Aber genau diese Behandlung – molekulare Radiotherapie genannt – ist wesentlich in Deutschland entwickelt worden. So wurden in München grundlegende Forschungen zum Oberflächenmolekül CXCL4 gemacht, das unter anderem auf Lymphomen (bösartige Tumoren des lymphatischen Systems) zu finden ist. Gleiches gilt für das auf Prostatakarzinomen zu findende Oberflächenmolekül PSMA. „Die diesbezügliche Radiotherapie wurde bei uns zur Produktreife gebracht, wird schon an hunderten Patienten erfolgreich eingesetzt“, freut sich Prof. Peter Bartenstein, Direktor der Nuklearmedizindes LMUKlinikums.
Theranostik soll auch gegen Knochenmarkskrebs und Nierenzellenkrebs eingesetzt werden
Auch für Erkrankungen wie das Multiple Myelom (eine Form des Kochenmarkkrebses) und für Nierenzellkrebs werden aktuell solche Therapien in München entwickelt. „Hier haben wir in München Pionierarbeit geleistet, heute haben wir hunderte Patienten aus den USA, die wir hier behandeln“, sagt Prof. Wolfgang Weber, Direktor der Nuklearmedizin am Klinikum rechts der Isar (TUM). Die Behandlung ist so erfolgreich, dass der Pharmariese Novartis dafür die internationale Zulassung beantragt hat, die im Jahr 2022 erfolgte. „Wir Wissenschaftler sind stolz, hier eine Behandlungsmethode zu haben, die nicht von einem Großkonzern, sondern an deutschen Uni-Kliniken entwickelt worden ist“, sagt Prof. Bartenstein.
Abwehrzellen scharf machen
„Hochaufwendig, teuer, aber hocheffektiv ist beim Lymphdrüsenkrebs, dem NonHodgkin-Lymphom, die Zelltherapie mit sogenannten CAR-T-Zellen“, sagt Prof. Michael von Bergwelt, Onkologe, Intensivmediziner und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des LMU-Klinikums. Für diese Immuntherapie wird dem Patienten Blut entnommen und in die USA geschickt, da es in Deutschland bislang zu wenige darauf spezialisierte Labore gibt. In den USA werden die Immunzellen genetisch so umprogrammiert, dass sie, dann zurück im Körper des Patienten, gezielt die sich immer wieder neu bildenden Lymphdrüsenkrebszellen angreifen.“ Dank dieser neuartigen Therapie leben viele Patienten, die früher zeitnah gestorben wären, noch lange. Das ist schon ein echtes Wunder“, sagt Prof. von Bergwelt.
Immun gegen Hautkrebs
Schwarzer Hautkrebs (Malignes Melanom) ist ein aggressiver, sehr bösartiger Hauttumor, der sehr schnell und früh in andere Organe streut, wo sich dann Metastasen bilden. „Hier hat man vor rund zehn Jahren noch eine Überlebensrate von knapp über fünf Prozent gehabt. Jetzt überleben über 50 Prozent der Patienten länger als fünf Jahre“, sagt die Professorin Dr. Angela Krackhardt, Expertin für Immuntherapie am Klinikum rechts der Isar (TUM). Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren lösen die Blockaden im körpereigenen Immunsystem und lassen die eigene Immunabwehr den Krebs bekämpfen. Aber nicht immer wirken Checkpoint-Inhibitoren so gut. So sprechen leider momentan beim Lungenkrebs oder anderen den Magen oder Darm betreffenden Krebsarten nur 20 bis 30 Prozent der Patienten auf die Therapie an.
Mehr sehen dank Künstlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) kann seltsame kleinste Gewebeveränderungen manchmal besser erkennen als das menschliche Auge. So nutzen Radiologen die KI bei ihrer Analyse von beispielsweise per Computertomografie erstellten Bildern. „Aber nicht die künstliche Intelligenz stellt die Diagnose, sondern sie weist die Experten auf Auffälligkeiten hin, die sonst eventuell nicht gesehen worden wären“, erklärt Prof. Marcus Makowski, Direktor des Instituts für Radiologie am Klinikum rechts der Isar (TUM). Er sieht hier mit Blick auf die Zukunft viel Potenzial. Sehr viel erhofft man sich von der KI insbesondere für das Lungenkarzinom-Screening, das ab den Jahren 2023/ 2024 eingeführt werden soll. Es ist bestimmt für Menschen, die ein besonderes Risiko haben, einen Lungentumor zu entwickeln.
Krebs-DNA entschlüsseln
Gezielt die Erbsubstanz (DNA) einer Krebszelle dabei einbremsen, ihr Programm des unkontrollierten Wachstums umzusetzen – das klappt dann, wenn man die Schwachstellen des jeweils individuellen Tumors kennt. „Genau diese Schwachstellen greifen wir dann mit Medikamenten an“, erklärt Prof. Dr. Frederick Klauschen, Direktor des Pathologischen Instituts der LMU. Das nennt man Präzisions-Onkologie. Um die tausenden Mutationen der Tumoren und die Wirkungen der Medikamente bei hunderten Patienten zu vergleichen, nutzen die Wissenschaftler Künstliche Intelligenz (KI). Im München entwickeln die Unis ein großes Portal, um dem Lungenkrebs so anhand von Millionen von Datensätzen auf die Spur zu kommen und herauszufinden, ob ein Patient austherapiert ist oder ob ein Rezidiv, also ein Wiederauftreten des Tumors, zu erwarten ist.
Mini-Tumoren beschießen
Bewegliche Tumoren haben die Strahlenmediziner heute gut im Griff, erklärt Prof. Stephanie Combs, Chefin der Strahlentherapie am Klinikum rechts der Isar (TUM). Etwa beim Atmen des Patienten können Tumore im Körper ihre Position verändern. Moderne Geräte ermöglichen, dass nur dann bestrahlt wird, wenn der Tumor im Focus ist. Zudem kann die Nuklearmedizin Metastasen genau markieren. Deshalb werden heute etwa bei Metastasen nach Prostatakrebs nur die betroffenen Lymphknoten bestrahlt – und nicht mehr das ganze Becken auf Verdacht. Prof. Claus Belka, Chef der Strahlentherapie am LMU-Klinikum: „Wir sehen heute dank der modernen Diagnostik viel mehr und können so punktgenau nur die Tumoren bestrahlen.“
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion leider nicht beantwortet werden.






