Kindern Halt geben

Erziehung ohne Drohung: Statt eines Wenn-Dann-Satzes empfiehlt eine Expertin ein einziges Wort

  • Judith Braun
    VonJudith Braun
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Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern ist bei der Erziehung das A und O. Eine Expertin warnt deshalb davor, Drohungen in Form von Wenn-Dann-Sätzen auszusprechen.

Wenn es um die Erziehung der Kinder geht, dann gibt es wohl nicht den einen Königsweg. Zwar weiß man inzwischen, dass der Erziehungsstil sogenannter Helikopter-Eltern dem Nachwuchs eher schaden kann. Auch die Erziehung durch Rasenmäher-Eltern soll fatale Folgen haben. Dennoch entscheiden Eltern selbst, wie sie ihre Sprösslinge am besten auf das Leben vorbereiten möchten. Ein beliebtes Mittel, um Kinder dazu zu bringen, etwas zu tun – von dem Eltern glauben, dass es gut für sie ist – ist die Nutzung von Wenn-Dann-Sätze. Laut einer Expertin handelt es sich dabei jedoch um Drohungen.

Erziehung: Expertin empfiehlt ein einziges Wort – anstatt Drohungen

Die Familienkommunikation spielt eine wichtige Rolle, wenn es um eine gesunde Entwicklung der Kinder geht – egal in welchem Alter.

„Wenn Du das Gemüse nicht aufisst, dann gibt es auch keinen Nachtisch“ oder „Wenn Du jetzt nicht sofort Deine Zähne putzt, dann lese ich Dir heute keine Gute-Nacht-Geschichte mehr vor“: Diese oder ähnliche Sätze sind wohl schon fast jedem ungeduldigen Elternteil einmal über die Lippen gekommen. Laut Nora Imlau, Erziehungsexpertin und Bestsellerautorin mehrerer Erziehungsratgeber, handelt es sich bei diesen Sätzen jedoch um Drohungen. „Sie sollen bewirken, dass ein Kind tut, was wir sagen, weil sonst unangenehme Konsequenzen folgen. Es gibt Menschen, die sagen, das sei eben Erziehung. Ich sehe das anders. Denn so harmlos uns diese täglichen Mini-Erpressungen auf den ersten Blick erscheinen mögen, so gemein sind sie auf den zweiten“, schreibt sie bei Eltern Online.

Eltern setzen diese Drohungen demnach gerne als Druckmittel ein, „die Kinder da treffen sollen, wo es wehtut, damit sie tun, was wir sagen“, so die Expertin. Das bedeutet allerdings nicht, dass Eltern ihren Kindern alles durchgehen lassen sollen. Im Gegenteil: Kinder brauchen für eine optimale Entwicklung auch Grenzen. Laut Imlau müssen Eltern dafür jedoch nicht ihre Macht missbrauchen. Statt Drohungen in Form von Wenn-Dann-Sätzen auszusprechen, empfiehlt sie ein einziges Wort: „Stop“ – und das in einem freundlichen, aber bestimmten Ton. Zudem sollten Eltern alltagspraktische Lösungen für altersangemessenes Verhalten entwickeln. „Ich habe meine Babys in ausgeprägten Matschphasen zum Beispiel zeitweise in der ungefüllten Badewanne essen lassen. Oder wenn meine Nerven das nicht hergaben, auf Fingerfood statt Brei gesetzt, damit zumindest die Tapete keine Flecken bekam.“

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Bestseller von Nora Imlau 

Nora Imlau beschäftigt sich in ihrem Buch „So viel Freude, so viel Wut“ (werblicher Link) mit Kindern, die sie als „gefühlsstark“ bezeichnet. Diese Kinder sind von Geburt an anders als andere Kinder, sie sind wilder und haben stärkere Bedürfnisse, sind aber auch feinfühliger und sensibler. In ihrem einfühlsamen Werk erklärt Imlau, warum sich gefühlsstarke Kinder von Gleichaltrigen unterscheiden und was sie von ihren Eltern brauchen, um einen gesunden Umgang mit ihren intensiven Emotionen zu erlernen.

Erziehung: Expertin warnt davor, Kinder unter Druck zu setzen

Imlau gibt jedoch zu, auch selbst diese Sätze schon mal gegenüber ihren Kindern benutzt zu haben. Die Folge davon war, dass sie ein schlechtes Gewissen plagte. Doch dieser Kommunikationsstil kommt nicht von ungefähr. Laut der Expertin und Vierfachmutter sind „diese alten Erziehungsmuster tief in unserer gesellschaftlichen DNA verankert“. Ihr Appell an die heutige Elterngeneration lautet deshalb, solche alten Überzeugungen kritisch zu hinterfragen. Sie rät dazu, bei jedem Wenn-Dann-Satz zu überlegen: „Informiere ich mein Kind hier über einen Zusammenhang, um ihm zu helfen – oder versuche ich, es unter Druck zu setzen, damit es hört?“

Was Kinder unselbstständig macht: Sieben Angewohnheiten der Eltern bremsen ihren Nachwuchs aus

Junge klettert auf dem Spielplatz und Vater kommt zu Hilfe
Mit dem Kind auf den Spielplatz gehen, wo es sich richtig schön austoben kann. Wenn dann auch noch ein tolles Klettergerüst dabei ist, noch besser. Doch für manche Eltern ist es schwer, beim Klettern ihres Kindes ruhig zu bleiben, denn es könnte ja etwas passieren, das Kind könnte herunterfallen. Natürlich ist die Fürsorge der Eltern für das Kind wichtig und unerlässlich, doch in Situationen wie diesen sollten Sie versuchen, Ihrem Kind seinen Freiraum zu lassen, ohne es zu ermahnen oder gleich zu verbieten. So kann sich das Kind ausprobieren und entdecken, was für die persönliche Entwicklung wichtig ist. Das Schönste daran: Kinder sind dann häufig so stolz auf sich selbst, wenn es ihnen gelungen ist, ohne Hilfe hochzuklettern. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter und Vater kochen in der Küche, Sohn schaut zu
Aus Angst, es könnte sich beim Schnippeln verletzen oder es „nicht richtig“ machen, lassen Eltern dann lieber ihr Kind außen vor, anstatt es beim Kochen helfen zu lassen. Dabei ist es klug, den Nachwuchs in jungen Jahren ans Essen zubereiten heranzuführen und es wie selbstverständlich einzubinden. Zwar sollte man dann mehr Zeit einplanen, doch je früher ein Kind sich ausprobieren kann, desto eher lernt es, wird selbstständiger und ist gut vorbereitet fürs spätere Leben. (Symbolbild) © Philippe Degroote/Imago
Geschwister-Kinder streiten sich vor Mutter
Kinder, die einen Konflikt haben und sich streiten, sollten dies auch mal tun können, ohne dass die Eltern oder Erwachsene sich umgehend einschalten. In vielen Fällen löst sich die Schwierigkeit tatsächlich von alleine und von außen ist keine Hilfe vonnöten. Für die Entwicklung von Kindern ist es sinnvoll, eine gewisse Streitkultur zu erleben, sei es mit den Geschwisterkindern, mit dem Kind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz. Und dann auch zu erfahren, wie es ist und sich anfühlt, wenn der Streit selbst gelöst werden konnte, ganz ohne die Eltern. (Symbolbild) © Angel Santamaria/Imago
Vater bindet Sohn die Schuhe
Häufig muss es in der Früh auf dem Weg in den Kindergarten oder die Schule schnell gehen. Weil Kinder noch kein richtiges Zeitgefühl haben, ist es für sie nicht so einfach, rechtzeitig fertig zu sein. Dann nimmt Mama oder Papa durchaus mal dem Sprössling das Schuhe-Anziehen ab. Einfach mal versuchen, ca. zehn Minuten eher aufzustehen und mehr Zeit in der Früh einzuplanen, sodass Ihr Kind sich im Anziehen der Kleidung und Schuhe selbst probieren kann – nur so lernt es selbstständig zu werden. (Symbolbild) © Wavebreak Media LTD/Imago
Junge bekommt Zähne von Mutter geputzt.
Beim Thema Zähneputzen möchten so manche Eltern auch lieber auf Nummer Sicher gehen und es ihrem Kind abnehmen. Schlechtes oder zu wenig Zähneputzen birgt schließlich Kariesgefahr. Doch für die Selbstständigkeit des Kindes ist es wichtig, dass es sich mit der Zahnbürste auch so früh wie möglich selbst versucht. Die Eltern können es zuvor ausgiebig zeigen und bei Bedarf helfen, indem sie noch etwas nachputzen. (Symbolbild) © Kryzhov/Imago
Mutter räumt im Kinderzimmer auf
Aufräumen ist in den meisten Familien kein leichtes Unterfangen. Das übernehmen dann nicht selten die Eltern. Dabei gilt auch hier: Je früher Sie Ihr Kind einbinden – am besten bereits im Kleinkindalter –, desto eher und selbstverständlicher wird es damit umgehen. Was nicht heißt, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen Ihr Kind nicht aufräumen möchte – schon gar nicht die geliebten Bauklötze im eigenen Zimmer. Wichtig ist auch hier, das Kind immer wieder anzusprechen, freundlich aufzufordern, einzubinden, durchaus auch spielerisch, mit Musik, und dem Kind auch zu erklären, warum Aufräumen und Ordnung wichtig sind. So wird Ihr Kind später besser und selbstständig an die Sache herangehen. (Symbolbild) © Westend61/Imago
Mutter und Kind packen Schulranzen
Beim Schulranzen packen oder Hausaufgaben machen helfen Eltern in der Regel auch gerne – oder sie erledigen es komplett für Ihr Kind. Um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, ist es zwar wichtig, Ihr Kind mit den Hausaufgaben zu unterstützen und bei Fragen und Nöten da zu sein. Doch wenn Eltern die Aufgaben selbst lösen, ist dem Kind nicht wirklich geholfen. Für einen Lerneffekt muss es eingebunden werden oder es selbst probieren dürfen. Das Schuldranzen-Packen ist für die persönliche Entwicklung und das „Großwerden“ auch ein wichtiges Ritual – es kann ebenfalls gemeinsam mit Hilfe der Eltern erfolgen, das gibt Ihrem Kind Sicherheit. Mit Musik dazu macht es sogar noch mehr Spaß. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago

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