Zwiespalt mit der Elternrolle

Umfrage enthüllt: Warum manche Eltern ihren Kinderwunsch bereuen

  • Natalie Hull-Deichsel
    VonNatalie Hull-Deichsel
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Das Leben mit Kindern läuft für manche Eltern in der Realität so anders ab, dass sie ihre Entscheidung für Nachwuchs bereuen. Eine Studie liefert drei Ursachen.

Mit dem Thema der bereuenden und unglücklichen Eltern beschäftigen sich Wissenschaftlicher weltweit. Die wohl bekannteste Studie dazu ist die einer israelischen Soziologin Orna Donath, mit dem Titel „Regretting motherhood“, zu Deutsch: „Das Bedauern der Mutterschaft“. Die Studie wurde bereits 2015 veröffentlicht und löste gerade in Deutschland eine große Debatte aus, insbesondere in sozialen Netzwerken. Was genau ist es, das Eltern ihren Kinderwunsch bedauern lässt?

Kinderwunsch? Umfrage enthüllt: Manche Eltern bedauern es – Geld ist nur ein Grund

Laut Umfrage bedauern über 20 Prozent der Mütter und Väter in Deutschland ihren Kinderwunsch und die Tatsache, dass sie Kinder bekommen haben. (Symbolbild)

Die repräsentative YouGov-Studie „Regretting Parenthood: Wer sich heute anders entscheiden würde“ zeigte, dass sich immerhin 20 Prozent Mütter und Väter in Deutschland nicht noch einmal für Kinder entscheiden würden. Was in der Umfrage deutlich wurde: Auch diese Eltern lieben ihre Kinder – allerdings lieben sie ihren Lebensweg nach dem Kinderkriegen nicht. Und empfinden beispielsweise weniger Resilienz gegenüber kritischen Phasen ihrer Kinder wie bei Wutausbrüchen.

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Mental Load, Stress, Schlafmangel, Einsamkeit: Dinge, die sich Eltern mit Kind anders vorgestellt haben

Mutter liegt mit Baby in der Wiese
Die Elternzeit wird schön, endlich Freizeit, wie Urlaub, abschalten und die Zeit mit dem Baby genießen, viel spazieren gehen, die angefangenen Bücher fertig lesen, neue Kochrezepte ausprobieren. Was sich gerade Mütter während der ersten Schwangerschaft ausmalen, entspricht in vielen Fällen nicht dem, wie es dann wird. Manche Mütter und Väter fühlen sich vom neuen Lebensabschnitt überrollt und trotz aller Vorbereitungen doch nicht genug vorbereitet. (Symbolbild) © Kzenon/Imago
Frau enttäuscht am Telefon
So sehr sich viele Mütter über den positiven Schwangerschaftstest und den Nachwuchs freuen, umso herausfordernder kann dann die Organisation rund um die Geburt werden. Je nachdem, in welcher Stadt sie leben, wird Eltern geraten, sich frühzeitig um einen Platz zur Entbindung in einer Klinik zu bemühen. 24vita.de sprach mit einer Mutter, die bereits in der 6. Woche der Frühschwangerschaft von Kliniken am Telefon abgewiesen wurde, weil sie zum errechneten Entbindungstermin keinen Platz ermöglichen konnten. „Das habe ich wirklich nicht erwartet“, berichtete die Mutter. (Symbolbild) © AntonioGuillem/Imago
Zwei Frauen mit Baby am Wickeltisch.
Ein für viele Mütter besonders frustrierender Umstand ist der Mangel an Hebammen in Deutschland, insbesondere zur Nachsorge. Ein Umstand, den sich so manche Eltern wohl anders vorgestellt haben. Die Hebamme kommt nach der Geburt zu den Müttern nach Hause – anfangs täglich, später wöchentlich – sieht nach dem Baby und ist auch wertvolle Ansprechpartnerin für die Mutter. Eltern brauchen speziell am Anfang Unterstützung und Kraft, um ihre nötige Kompetenz entwickeln zu können. Gerade nach der Geburt fühlen sich viele Mütter körperlich und mental erschöpft. Die Hebamme kontrolliert in der Nachsorge zudem die Rückbildung der Gebärmutter bei der betreffenden Mutter, den Wochenfluss sowie die Wundheilung von Riss- oder Operationswunden bei Dammriss oder -schnitt sowie Kaiserschnitt. Außerdem zeigt die Hebamme ihnen erste Übungen der Rückbildungsgymnastik. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter sitzt erschöpft vor Babybett
Ein Baby bedeutet das pure Glück – so denken und hoffen es die meisten Eltern. Doch nicht immer stellt sich nach der Geburt das Gefühl von Glück und unendlicher Liebe ein. Bei etwa 710.000 Geburten pro Jahr in Deutschland zeigen über 70.000 Frauen und mit ihnen auch Männer pro Jahr Symptome einer postpartalen Depression. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Vater und Sohn schlafen im Sitzen
„Schlaf immer dann, wenn das Baby schläft.“ Ein gut gemeinter Rat von anderen Eltern, der nach der Geburt eine besondere Bedeutung einnehmen wird. Denn den schwierigen Umstand der veränderten Schlafqualität mit Schlafmangel haben sich viele Eltern definitiv anders vorgestellt. Nicht selten fühlen sich die übermüdeten Mütter und Väter dann über den ganzen Tag schläfrig-benommen, leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und sind stark reizbar. (Symbolbild) © Tanya Yatsenko/Imago
Mutter mit Baby erinnert sich
Zu dem neuen Leben mit Baby kommen auch jede Menge Aufgaben auf Mütter und Vater zu, angefangen vom neuen Tagesablauf, den oftmals kurzen Nächten, über das Stillen des Babys und Fläschchen geben bis hin zu Nachsorge- und Vorsorgeterminen. Gerade Mütter berichten, das Gefühl zu haben, an vieles denken zu müssen und machen dabei häufig die Erfahrung – auch wenn das Kind schon älter ist sowie, wenn Geschwister dazu kommen – Termine, Verabredungen oder Aufgaben zu vergessen. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Frau sortiert Wäsche in Waschmaschine
Mit dem Nachwuchs wird die Arbeit im Haushalt nicht weniger, ganz im Gegenteil. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, so viel Wäsche pro Woche zu waschen“, erzählt eine Mutter 24vita.de im Gespräch. Mit dem Baby in der Familie fehlt es dann schlicht und ergreifend häufig an Zeit und vielen Eltern auch an Energie, Aufgaben zu erledigen, selbst wenn Eltern das Kind einbinden oder sich zur Erholung zum schlafenden Baby dazu legen. (Symbolbild) © YAY Images/Imago
Frau in der Dusche
Eine ausgiebige Dusche oder ein schönes, warmes Bad. Was für Menschen ohne Kinder meist selbstverständlich ist, muss von Eltern mit Baby nicht selten zeitlich eingeplant werden. „Ich habe anfangs immer nur ganz schnell duschen können, weil unser Kleiner nicht gerne abgelegt werden wollte und dann viel weinte“, beschreibt eine Mutter im Gespräch mit 24vita.de. Zwar mag es für die einen absurd klingen, doch ist dieser Umstand für so manche Mutter oder manchen Vater nach der Geburt des Babys blanke Realität, die vorher nicht in ihrer Vorstellung vorkam. (Symbolbild) © Ihar Ulashchyk/Imago
Mutter wiegt Baby im Arm
Über neun Monate warten Eltern darauf, ihr Baby in den Armen halten zu können. „Jeden Tag war das für mich ein besonderer Moment, wenn ich unser kleines Baby im Arm hielt, sie wiegte, an ihr roch“, so die Mutter einer jetzt 4-Jährigen. Die meisten Eltern freuen sich auf ihre Elternzeit mit Kind, doch es gibt auch die Mütter und Väter, die sich in dieser ersten Zeit mit Kind dennoch alleine fühlen, da ihnen beispielsweise die Ansprache mit anderen fehlt. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago
Eltern mit kleinem Baby
Mit der Geburt des Babys werden aus zwei Menschen eine Familie. Wo sich vorher die Frau und der Mann voll auf ihre Partnerschaft konzentrieren konnten, stehen nun in der Regel vorrangig die Bedürfnisse des Nachwuchses im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Baby verändert zwar eine Partnerschaft, kann sie aber auch bereichern. Mutter und Vater ist eine Rolle im Leben, in die Eltern zunächst hineinwachsen müssen, die auch mit Tücken, Hindernissen und verschiedenen Gefühlen verbunden ist, auch wenn es in der eigenen Vorstellung einfacher schien. (Symbolbild)  © Cavan Images/Imago

In der Studie wurden von Eltern drei Hauptgründe genannt:

  • Einschränkung der persönlichen Entfaltung:
    Über die Hälfte (52 Prozent) aller Eltern gaben an, dass sie sich durch das Kinderkriegen in ihrem Leben eingeschränkt fühlten. Bei den bereuenden Eltern waren es sogar 74 Prozent.
  • Karriere und Finanzen:
    44 Prozent der befragten Mütter und 20 Prozent der teilnehmenden Väter waren der Meinung, dass ihre Karriere ohne Kinder besser verlaufen wäre. Das Bedauern über die Elternschaft kam laut der Ergebnisse auch bei Personen mit einem niedrigeren Einkommen, das heißt unter 1.500 Euro pro Haushalt, häufiger vor. Für Kinderwunsch und Zufriedenheit würden finanzielle Ressourcen und Unterstützung eine Rolle spielen.
  • Mangelnde Betreuungsmöglichkeiten:
    Eine große Rolle spielten auch fehlende Betreuungsmöglichkeiten. Grundsätzlich kritisierten diese etwa zwei Drittel (64 Prozent) aller befragten Eltern – sogar 74 Prozent der Eltern, die sich nachträglich nicht mehr für Kinder entscheiden würden.

Diese Umfrage deute ebenfalls darauf hin, dass ein wesentlicher Grund für das Bereuen der Elternschaft besonders in dem Glauben liege, als Elternteil nicht das gewünschte Leben führen zu können.

Fehlendes Glück mit dem Nachwuchs: Wenn Eltern ihren Kinderwunsch bedauern

Nicht nur Wissenschaftler der Dartmouth University erhielten im Rahmen einer Studie zum Thema Glücksempfinden bei Eltern mit einer Million Befragten interessante Erkenntnisse. Auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Demografische Forschung (MPIDR) konnten eine interessante Tendenz aufzeigen. Die Ergebnisse ihrer globalen Studie zum Thema Kinderwunsch und Glücksempfinden zusammen mit der University of Pennsylvania in Philadelphia (USA) veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Population and Development Review“: Junge Eltern werden mit jedem weiteren Kind unzufriedener. Wenn die Eltern jedoch älter werden, übersteigt ihr Lebensglück das von Kinderlosen.

Die Auswertungen zeigten: Je mehr Kinder ein junges Paar bekommt, desto unzufriedener würde es. Die Umstellung und Belastung durch Stress würde als größer empfunden. Ab einem Alter von 40 Jahren wäre es jedoch andersherum: Mehr Kinder lassen die Eltern mehr Lebensglück empfinden. Das gilt unabhängig von Geschlecht, Einkommen und Beziehungsstatus. Die Forscher befragten über 200.000 Frauen und Männer aus 86 Ländern. Dank der heutigen Medizin ist ein Kind ab 40 Jahren auch keine Besonderheit und Schwierigkeit mehr.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.

„Kinder können eine Langzeitinvestition ins Glück sein“, sagte der Studienautor Mikko Myrskylä in einer Pressemitteilung des MPIDR. Es zeige sich ein globaler Trend dahingehend, dass bei Eltern unter 30 Jahren das Glücksniveau ab dem ersten Kind mit jedem weiteren sinkt, während das Glücksempfinden bei Eltern über 30 Jahre wieder steige.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.

Rubriklistenbild: ©  AntonioGuillem/Imago