Besorgte Mama umarmt ihr Kind auf dem Spielplatz
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Verliert man als Mutter unausweichlich das „alte Ich“?

Regretting Motherhood

„Ich hasse Mutterschaft“: Mama erklärt, wieso sie kein Kind mehr bekommen würde

  • Sarah Diedenhoven
    VonSarah Diedenhoven
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Sie liebt ihr Kind über alles und trotzdem würde sie sich heute gegen ein Baby entscheiden, wenn sie noch einmal die Wahl hätte.

Regretting Motherhood: Wenn Mama bereut, Mama zu sein

„Ein riesen Tabu-Thema, aber ja ich HASSE die Mutterschaft“, schreibt Mama Kübra zu ihrem Video. Auf ihrem Account @mamifiziert teilt sie ganz offen, wie hart der Alltag mit Kind für sie ist. Ihre ungeschönten Worte darüber, warum sie mit ihrem heutigen Wissen kein Baby mehr gewollt hätte, gehen auf TikTok viral.

„Hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst, wie anstrengend es wird und was es persönlich mit mir alles macht, hätte ich kein Kind bekommen. Das darf man heutzutage überhaupt nicht sagen“, erklärt sie in ihrem Video. Für ihre ehrlichen Worte erhält sie eine Welle der Solidarität.

@mamifiziert

Ein riesen Tabu-Thema, aber ja ich HASSE die Mutterschaft und LIEBE TROTZDEM MEIN BABY BEDINGUNGSLOS. Und würde sie TROTZDEM gegen nichts eintauschen! #regrettingmotherhood #newmom #mutterschaft #babymama #schreibaby #highneedbaby #mamastruggles #mamaalltagmitbaby #momtobe

♬ Originalton - Kübra | Momlife

Immer mehr Frauen trauen sich, über das Phänomen „Regretting Motherhood“ zu sprechen, also darüber, dass sie die Mutterschaft bereuen. Für Kübra bedeutet die Reue vor allem, dass sie sich ihr „altes Ich“ und die Frau, die sie vor der Mutterschaft war, zurückwünscht. „Ich vermisse mich einfach“, sagt sie und erklärt, dass ihr besonders das Fremdbestimmt sein zu schaffen macht. Zu duschen, wann sie möchte, ohne Sorge, warum das Baby weint. Auch kleine Momente aus dem Alltag, wie alleine auf die Toilette zu gehen, fehlen ihr.

Wenn die großen Mutter-Gefühle ausbleiben

„Ich habe lange darauf gewartet, wann denn endlich diese Gefühle kommen. Dieses Gefühl von ‚ich fühle mich erfüllt‘ in der Mutterschaft“, sagt sie auf TikTok. Damit bricht sie ein Tabu, denn das passt nicht in das gesellschaftliche Bild einer Mutter.

Abgrenzung zu psychischen Krankheiten

Nicht jede Frau empfindet die absolute Erfüllung in ihrer Rolle als Mutter und das ist auch in Ordnung. Dennoch gilt es hiervon eine postpartale Depression abzugrenzen. Eine mangelnde Fähigkeit, für das Kind positive Gefühle zu entwickeln (bis hin zur Gefühllosigkeit), gepaart mit anhaltender Niedergeschlagenheit und innerer Leere sowie einer allgemeinen Antriebslosigkeit können Warnzeichen sein und sollten immer von einem Spezialisten abgeklärt werden.

Sich diese Gefühle zu erlauben, hat für Kübra die Wendung gebracht: „Seitdem ich mir eingestanden habe, dass ich nicht diese Mutter sein muss, die diese Gesellschaft von mir erwartet, fühlt sich alles leichter an. Vor allem fühle ich mich einfach besser“, sagt sie in ihrem Video und verabschiedet sich vom Bild der „Supermom“.

Schluss mit dem Tabu: So wie Kübra geht es vielen Müttern

Auch wenn die Kritik bei einem so kontroversen Thema nicht ausbleibt, die Mehrheit der Frauen in den über 3000 Kommentare stehen Kübra bei. Viele Frauen fühlen sich gesehen und teilen ihre eigene Erfahrung unter Kübras TikTok-Clip. Eine Mutter schreibt: „Ich fühle das so sehr. Ich liebe mein Kind und vermisse es, wenn es nicht da ist. Aber ich vermisse auch mein altes Ich und egal wie alt sie werden, du denkst nie mehr nur an dich selbst“. Eine andere Mama erklärt, dass sie wie Kübra heute kein Kind mehr bekommen würde: „Mir war nach meiner Tochter klar, dass sie mein einziges Baby bleiben wird. Ich war einfach total überfordert. Man weiß NIE, was auf einen zukommt“.

Reue durch fehlende Unterstützung?

Viele TikTok-Nutzer sehen in der wachsenden Unzufriedenheit von Müttern ein strukturelles Problem. Die fehlende Unterstützung durch Großeltern, weil diese selbst noch arbeiten müssen, schlechte Aussichten auf einen Betreuungsplatz in einer guten Kita und Karriere-Aus durch Teilzeitarbeit machen die Mutterschaft für Frauen in Deutschland zu einer „No-Win-Situation“, wie die Soziologin Jutta Allmendinger im Interview mit der Zeitung Welt erklärt. Dass die Geburtenrate in Deutschland auf dem Tiefstand ist sei für sie nur die logische Konsequenz daraus.