Zu viel Fürsorge
Forschungsergebnisse alarmieren: Helikopter-Eltern erschweren das Leben ihrer Kinder!
VonNatalie Hull-Deichselschließen
Simon Monesschließen
Pädagogikexperte warnt: Die heutigen Kinder kämpfen mit Abhängigkeit, Verwöhntheit und Furcht - Verschiedene Untersuchungen bringen erstaunliche Fakten ans Licht.
Mit seinen kontroversen Ansichten und Theorien zur modernen Kindererziehung sorgt der deutsche Erziehungswissenschaftler, Hochschullehrer und Autor Albert Wunsch für Aufsehen. In seinen diversen Ratgebern zur Erziehung nimmt er die aktuellen Erziehungsstile der Eltern ins Visier und äußert sich kritisch gegenüber der sogenannten „Spaßpädagogik“.
Seine Theorien lösen insbesondere unter Eltern und Pädagogen hitzige Debatten aus. Die heutige Kindererziehung legt bewusst Wert auf eine erzieherische Beziehung, um sich von autoritären Mustern zu distanzieren. Kinder können sich ihrer Meinung nach am besten entfalten, wenn sie sich akzeptiert fühlen.
Wie Helikopter-Eltern das Selbstbild ihrer Kinder prägen
Wunsch argumentiert, dass Kinder heutzutage zu viel Aufmerksamkeit erhalten, was zu einem übersteigerten „Ich“ führt und das Bewusstsein dafür mindert, dass Eltern nicht ständig geistig und körperlich präsent sein können. Helikopter-Eltern sind ein Paradebeispiel dafür. „Verwöhnte Kinder“ könnten eine Folge dieser Erziehungsweise sein.
Wunsch plädiert dafür, dass Eltern wieder mehr Regeln aufstellen sollten, anstatt zu viel mit den Kindern zu diskutieren. Diskussionen, so der Autor, würden die Autorität der Eltern untergraben. Klare und direkte Anweisungen, was Kinder tun oder nicht tun sollten, seien wichtig, um Machtkämpfe zu vermeiden. Klarheit würde den Kindern Orientierung bieten und sie letztendlich in ihrer Selbstständigkeit fördern, so der Erziehungswissenschaftler.
Zu viel Fürsorge, zu wenig Eigenständigkeit
Die heutigen Kinder zeigen laut Wunsch nur wenig Durchhaltevermögen, geben schnell auf und sind kaum belastbar. Gleichzeitig entwickeln sie durch die erhöhte Aufmerksamkeit der Eltern ein übersteigertes Selbstbewusstsein, was ihnen schadet. Wunsch ist überzeugt, dass die Verantwortung für die angeblich schlechte Erziehung der heutigen Kinder bei den Eltern liegt: „Eltern betrachten ihre Kinder zu oft als ihr großes Projekt, als kleine Supermänner und Superfrauen. Sie versuchen, sich über die Kinder zu definieren.“
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Studienergebnis: Wie Helikopter-Eltern das Verhalten ihrer Kinder beeinflussen
Eine Studie, die in der Fachzeitschrift Developmental Pychology veröffentlicht wurde, untersuchte den Einfluss des Überbeschützens der Eltern auf die Entwicklung ihrer Kinder. Die Forscher, darunter Dr. Nicole Perry vom Institute of Child Development der University of Minnesota, untersuchten 422 Kinder im Alter von zwei, fünf und zehn Jahren über einen Zeitraum von acht Jahren.
Die Studie konzentrierte sich auf das Kontrollverhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern beim Spielen und Aufräumen und die Reaktion der Kinder darauf. Darüber hinaus untersuchten die Forscher die Emotions- und Selbstkontrolle sowie die Frustrationstoleranz der Kinder im Kindergarten und in der Schule. Die Forscher stellten einen Zusammenhang fest: Mütter, die ihre zweijährigen Kinder überkontrollierten, beeinflussten negativ die Entwicklung der Emotions- und Selbstkontrolle der Kinder ab dem fünften Lebensjahr.
„Unsere Forschung hat gezeigt, dass Kinder mit Helikopter-Eltern möglicherweise weniger in der Lage sind, die anspruchsvollen Anforderungen des Erwachsenwerdens zu bewältigen, insbesondere bei der Navigation in der komplexen Schulumgebung“, erklärte die Autorin der Studie, Dr. Perry, gegenüber The Guardian. „Kinder, die ihre Emotionen und ihr Verhalten nicht effektiv regulieren können, werden wahrscheinlicher im Unterricht stören, mehr Probleme haben, Freunde zu finden und Probleme in der Schule haben.“
Eltern und Experten einig: Eine gesunde Beziehung ist der Schlüssel zur Erziehung
Es gibt bisher noch nicht viele wissenschaftliche Beweise aus validen Studien für die These „verhaltensgestörte Kinder als Folge von Helikopter-Eltern“. Weitere umfangreiche Langzeitstudien sind erforderlich. Zunächst muss auch sichergestellt werden, ob eine pathologische Ursache für die „Verhaltensstörung“ vorliegt.
Nicht nur die heutigen Eltern erleben aus erster Hand, dass eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Kindern nur möglich ist, wenn sie Verständnis zeigen und dem Kind Mitsprache und Selbstbestimmung gewähren, anstatt ausschließlich Kontrolle auszuüben. Dieser Ansicht ist auch die Diplom-Pädagogin und Bestsellerautorin Susanne Mierau, deren Leitsatz „Bindung ist Lebensthema“ lautet.
Warum Resilienz in der modernen Erziehung unverzichtbar ist
Eine wachsende Anzahl von Familientherapeuten stellt fest, dass Kinder sich am besten entwickeln, wenn sie sich akzeptiert fühlen. Die wichtigsten Grundlagen dafür sind:
- Bindung
- Resilienz
- Demokratie in der Erziehung
„Wir wissen, dass eine sichere Bindung eigentlich Grundvoraussetzung dafür ist, mit Herausforderungen, Krisen und Ängsten gut umgehen zu können, das heißt für die Ausbildung von Resilienz. Die Förderung der Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft, ist ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung von Kindern und eine bedeutsame Schlüsselkompetenz der Zukunft.“, so Diplom-Pädagogin Susanne Mierau. In Anbetracht der heutigen Zeit mit Krisen wie Corona und Krieg gewinnt die Entwicklung der Resilienz bei Kindern mehr denn je an Bedeutung.
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