Vorlesen

Lautes Vorlesen hilft: Es stärkt die Bindung und macht Kinder zu besseren Lesern

  • Sven Trautwein
    VonSven Trautwein
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Dass Lesen wichtig ist, lernen wir nicht nur in der Schule. Doch, wie lernen wir das Lesen und verlieren auch nicht die Lust daran? Wie können Eltern dabei helfen?

Kürzlich erregte eine Studie viel Aufmerksamkeit, in der es hieß, dass ein Viertel aller Grundschüler in Deutschland nicht gut lesen kann. Im internationalen Vergleich rutschen die Schüler Jahr für Jahr weiter in der Rangliste nach unten. Dabei geht es in der Schule zum großen Teil ums Lesen. Textverständnis ist auch in vielen weiteren Schulfächern die Grundvoraussetzung, um das Thema zu begreifen und mithalten zu können. Doch gibt es einen Weg, gemeinsames Lesen in den oft stressigen Familienalltag zu integrieren?

Lautes Vorlesen und eine tägliche Routine von 15 Minuten kann die Bindung stärken und das Lesen verbessen.

Doch laut Dr. Keisha Seriboe gibt es einen einfachen Weg: Lautes Vorlesen. Siriboe ist eine in Baltimore ansässige Beraterin für frühkindliche Leseförderung mit einem Doktortitel in frühkindlicher Bildung. Sie hat Bildungsstrategien und die Entwicklung von Schülern in der ganzen Welt erforscht und sagt, dass das laute Vorlesen Menschen bei Stressbewältigung, Hoffnung und Resilienz unterstützen kann.

Lautes Vorlesen lindert Stress

„Das laute Vorlesen bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis“, erklärt Siriboe und fügt hinzu, dass sie bisher noch nichts gesehen hat, das eine höhere Rendite verspricht.

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Das gemeinsame Lesen schafft Raum für vertieftes, eigenständiges Lernen und Erkunden. Es spielt keine Rolle, ob es sich um ein traditionelles Buch, einen Comic, Sachliteratur oder historische Romane handelt – alles zählt und ist erlaubt. Was am wichtigsten ist: sich die Zeit zu nehmen, um tiefer einzutauchen.

Das laute Vorlesen kann genutzt werden, um Gespräche zu beginnen, die dem Kind dabei helfen können, mit der gegenwärtigen Situation in der Welt umzugehen. So ließe sich beispielsweise ein Bilderbuch nutzen, bei dem es um das Thema Trauer oder Sorgen und Angst geht. Durch den Zugang zu diesem Buch und die Beschäftigung damit, kann sich das Kind eventuell mitteilen, dass es selbst Sorgen hat. Trennen sich die Eltern, kann das Buch „Zicke, Zacke, Trennungskacke“ von Ilona Einwohlt helfen.

Zehn Bücher, die Sie Ihren Kindern vorlesen sollten

Cover zum Klassiker „Elmar“ von David McKee
David McKee „Elmar“: Elmar ist alles andere als grau. Bunt und anders eben. Ein Buch über Farben und die Unterschiede, die uns ausmachen. Wunderbar! © Thienemann
Cover zu Axel Scheffler, Julia Donaldson „Die hässlichen Fünf“
Axel Scheffler, Julia Donaldson „Die hässlichen Fünf“: Gnu, Hyäne, Geier, Warzenschwein und Marabu sind eher die Außenseiter der Savanne. Dass sie aber die wahren Helden sein können, vermittelt dieses Buch. Es kommt nicht auf Äußerlichkeiten an. © Beltz
Cover zu „Die Streithörnchen“
Rachel Bright, Jim Field „Die Streithörnchen“: Der Streit um eine Nuss – der eine sammelt, der eine futtert sofort auf. Streit ist vorprogrammiert. Wie lässt sich Streit beilegen? Zauberhaft! © magellan
Cover zu Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat
Werner Holzwarth, Wolf Erlbruch „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“: für Kinder ist alles dabei, was sie lieben. Das perfekte Buch zum Vorlesen! © Peter Hammer Verlag
Cover zu „Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ von Axel Scheffler und Julia Donaldson
Axel Scheffler, Julia Donaldson „Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ – Auch wenn Axel Scheffler mit „Der Grüffelo“ einen Klassiker veröffentlichte, ist dieses nicht weniger vorlesenswert. Ein Buch über Freundschaft. © Beltz
Cover zu Eric Carle „Die kleine Raupe Nimmersatt“
Eric Carle „Die kleine Raupe Nimmersatt“: einer der Klassiker der Vorlesebücher. Dieser darf in der Sammlung natürlich nicht fehlen. © Gerstenberg
Cover des Mitmachbuches von Jörg Mühle „Nur noch kurz die Ohren kraulen“
Jörg Mühle „Nur noch kurz die Ohren kraulen“ – das perfekte Mitmachbuch für das Abendritual: Zähne putzen, Kopfkissen aufschütteln... und in das Reich der Träume sinken. © Moritz Verlag
Cover zum Buch „Das NEINhorn“ von Marc-Uew Kling und Astrid Henn
Marc-Uwe Kling, Astrid Henn „Das NEINhorn“: Wer kennt das Lieblingswort „Nein“ nicht. Ein Buch, das bei der jungen Zielgruppe zum Lieblingsbuch avancieren kann. Statt „nein“ ein „noch mal“. © Carlsen
Cover zum Buch „Gib mir mal die Hautfarbe“
Olaolu Fajembola/Tebogo Nimindé-Dundadengar: „Gib mir mal die Hautfarbe“ – Vorlesen dient ebenfalls zur Wertevermittlung. Es kann das Verständnis wichtiger Themen erweitern. © Beltz
Cover des Märchenbuches „Märchenland für alle“
„Märchenland für alle“: Klassische Märchen sind relativ zeitlos und kommen bei Kindern heutzutage genauso gut an, wie vermutlich bei Ihnen selbst in Ihrer Kindheit. © Dorling-Kindersley

Das laute Vorlesen ist einer der wenigen Bereiche, der alle Kriterien hinsichtlich sozialer, emotionaler und mentaler Gesundheit erfüllt. Für Siriboe ist die einfache Handlung, die Liebe zum Lesen mit dem Kind zu teilen, größer als nur Alphabetisierung. Es ist ein weiterer Ausdruck von Liebe und ein Werkzeug, um Kindern dabei zu helfen, sich in der Welt zurechtzufinden.

Vier Schritte: Sprechen, Lesen, Spielen, Singen

  • Sprechen: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, mit den Kindern über den Inhalt des Buches oder des Comics zu sprechen. Geht es beispielsweise um Meditation, teilen Sie mit Ihrem Kind ihre Lieblings-Atemübungen.
  • Lesen: Betrachten Sie gemeinsam die einzelnen Wörter, Figuren und Orte der Handlung. Suchen Sie nach weiteren Figuren in der Geschichte. Bilderbücher für Kindergartenkinder sind ein guter Anfang.
  • Spielen: Spielen Sie mit Ihrem Kind einzelne Szenen der Geschichte nach. Schlüpfen Sie in verschiedene Figuren und erleben Sie die Handlung aus der neuen Perspektive.
  • Singen: Gibt es vielleicht Lieder, die zur Geschichte passen? Dichten Sie selbst ein eigenes Lied, das sie gemeinsam dazu singen können.

Lautes Vorlesen hat Vorteile

Jedes Kind lernt und liest anders. Kinder mit neurodiversen Merkmalen müssen laut Siriboe auf andere Art und Weise bei einer Geschichte abgeholt werden. Am Ende kann das Selbstvertrauen gestärkt und die Begeisterung fürs Lesen und Erzählen entfacht werden, heißt es in einem Artikel auf npr.org.

Was bedeutet Neurodiversität

Neurodiversität beschreibt die Vielfalt der menschlichen Gehirne und kognitiven Funktionen. Es umfasst unterschiedliche Denkweisen, Lernstile und Verarbeitungsweisen. Menschen mit neurodiversen Merkmalen können Autismus, ADHS, Legasthenie, Dyskalkulie und mehr haben. Diese Unterschiede werden nicht als Defizite angesehen, sondern als natürliche Variationen. Die Anerkennung und Akzeptanz der Neurodiversität fördert eine inklusive und respektvolle Gesellschaft, die die Stärken und Potenziale jedes Einzelnen schätzt.

Dr. Keisha Seriboe gibt abschließend den Tipp, sich langsam dem Thema „Lesen“ zu nähern. Mögen einige Kinder Schwierigkeiten zu Beginn haben, kann sich dies mit der Zeit legen. Unterstützen Sie Ihr Kind bei jedem noch so kleinen Schritt. Mündliches Erzählen, Ausdenken von eigenen Geschichten und die eine oder andere App zum Vorlesen von Texten kann helfen, das Interesse am Lesen zu steigern. Lautes Vorlesen von 15 Minuten täglich kann helfen, eine Brück zu bauen.

Hier haben wir eine Liste mit pädagogisch wertvollen Kinderbüchern für Kinder ab 10 Jahren.

Rubriklistenbild: © Daniel Ingold/Westend61/Imago

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