Nominiert für Deutschen Buchpreis

Heinz Strunk „Ein Sommer in Niendorf“ – Sprachliches Gewitter an der Ostsee

  • Sven Trautwein
    VonSven Trautwein
    schließen

Heinz Strunk lässt den fiktiven Charakter Roth an der Ostsee drei Monate zum Schreiben zurück. Er schafft damit ein sprachgewaltiges Buch in der Einöde Niendorfs. Mein Buchtipp.

Hinweis an unsere Leser: Bei einem Kauf über die enthaltenen Links erhalten wir von Partnern eine Provision. Für Sie ändert sich dadurch nichts.

Niendorf an der Ostsee ist klein. Hier scheint die Zeit stillzustehen. Hierhin hat sich Hauptcharakter Roth zum Schreiben zurückgezogen, ähnlich wie Hovenäset bei Ohlsson. Anders als in Kristina Ohlssons „Die Tote im Sturm“ handelt es sich bei Heinz Strunks neuem Buch nicht um einen Krimi, auch wenn Roths Zimmervermieter Breda davon ausgeht, er würde einen schreiben.

Heinz Strunk „Ein Sommer in Niendorf“: Über das Buch

Roman „Ein Sommer in Niendorf“ von Heinz Strunk

Ein bürgerlicher Held, ein Jurist und Schriftsteller namens Roth, begibt sich für eine längere Auszeit nach Niendorf: Er will ein wichtiges Buch schreiben, eine Abrechnung mit seiner Familie. Am mit Bedacht gewählten Ort – im kleinbürgerlichen Ostseebad wird er seinesgleichen nicht so leicht über den Weg laufen – gerät er aber bald in die Fänge eines trotz seiner penetranten Banalität dämonischen Geists: ein Strandkorbverleiher, der Mann ist außerdem Besitzer des örtlichen Spirituosengeschäfts. Aus Befremden und Belästigt sein wird nach und nach Zufallsgemeinschaft und irgendwann Notwendigkeit. Als Dritte stößt die Freundin des Schnapshändlers hinzu, in jeder Hinsicht eine Nicht-Traumfrau – eigentlich. Und am Ende dieser Sommergeschichte ist Roth seiner alten Welt komplett abhandengekommen, ist er ein ganz anderer ...

Rowohlt

An Breda und dessen Freundin Simone kommt Roth nicht vorbei, schließlich hat er sich in einer der von Breda verwalteten Ferienwohnungen für drei Monate eingemietet. Sonst ist nicht viel los in Niendorf. Das gastronomische Angebot lässt laut Hauptcharakter ebenso zu wünschen übrig, wie Frauen, die nur darauf warten, mit einem verkappten Schriftsteller ins Bett zu gehen.

So richtig rund läuft es für Roth nicht. Lange Zeit von seiner Frau getrennt, kaum Kontakt zu seiner Tochter, taucht die plötzlich an der Ostsee auf, um den Papa um Geld anzuschnorren. Es gelingt ihr nicht. Roth hält hier alle Fäden zusammen, die ihm aber beim Schreiben und dem Leben an der Ostsee zu entgleiten scheinen. Kein Tag vergeht, ohne dass Roth sich Alkohol in rauen Mengen genehmigt. Der Absturz mit allem, was dazugehört, scheint vorprogrammiert.

Autor Heinz Strunk

Strunks Sätze sind kurz und prägnant. Keine ausschweifenden Beschreibungen mit Bandwurmsätzen. Sein fiktiver Charakter Roth vertritt ein Frauenbild, das nur schwer zu verdauen ist. Spiegelt es gerade deswegen die vorherrschende Denkweise bei Männern wider? Zwischendurch blitzt norddeutscher Humor auf, der mir gefällt. Es ist die detailreiche Schilderung der ländlichen Tristesse, die Strunk auf den Punkt bringt. Vielleicht auch die Suche nach sich selbst, die ich als Leser auch mitbringe. In den Tiefen des Alkohols wird man sie nicht finden. Mag er kurzweilig auch für Ablenkung sorgen. Für Roth sieht es dabei aber nicht gut aus.

Neben „Es ist immer so schön mit dir“ (werblicher Link) ist auch sein aktueller Roman „Ein Sommer in Niendorf“ (werblicher Link) für den Deutschen Buchpreis nominiert. Wenn das mal nicht ein Grund genug ist, sich das Buch näher anzusehen.

Heinz Strunk „Ein Sommer in Niendorf“: Mein Fazit

Für Liebhaber direkter Sprache, die an sein Limit kommt und teilweise abgestürzte Figuren ein Lesevergnügen. Ich fühlte mich in einen Bann gezogen, dem ich nur schwer entkommen konnte. Ein Hauch von Mitleid für Roth schwang auch mit. Wenn das nichts ist.

Heinz Strunk „Ein Sommer in Niendorf“

2022, Rowohlt ISBN-13 978-3-498-00292-3

Preis: Hardcover 22 €, E-Book 17,99 €, 240 Seiten (abweichend vom Format) - Jetzt bestellen! (werblicher Link)

Heinz Strunk

Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Hamburg geboren. Seit seinem ersten Roman «Fleisch ist mein Gemüse» hat er elf weitere Bücher veröffentlicht. «Der goldene Handschuh» stand monatelang auf der Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm-Raabe-Preis geehrt. Seine Romane «Es ist immer so schön mit dir» und «Ein Sommer in Niendorf» waren für den Deutschen Buchpreis nominiert. Kürzlich erschien seine Kurzgeschichtensammlung „Der gelbe Elefant“.

Rubriklistenbild: © Rowohlt