Asien

„Wendepunkt der Geschichte“: Wegen Trump rücken Rivalen und Verbündete der USA zusammen

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Donald Trumps aggressive Handelspolitik irritiert nicht nur China, sondern auch die US-Verbündeten Japan und Südkorea. Die suchen nun die Nähe zu Peking. Doch die Differenzen bleiben groß.

Wenn die Anzahl der geschüttelten Hände ein Indikator für diplomatischen Erfolg ist, dann muss man sagen: Es läuft gut für China in diesen Tagen. Vor gut einer Woche drückte Pekings Außenminister Wang Yi in Tokio seinen Amtskollegen aus Japan und Südkorea die Hände, am vergangenen Wochenende posierten dann die Handelsminister der drei Länder in Seoul zum gemeinsamen Handshake-Foto.

Bilder wie diese sind keine Selbstverständlichkeit. Denn die Beziehungen zwischen China, Japan und Südkorea sind seit vielen Jahrzehnten belastet. Das liegt einerseits an den japanischen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs, die das Land nach Ansicht seiner beiden Nachbarn noch immer nicht wirklich aufgearbeitet hat. Vor allem aber liegt es am Auftreten Chinas, das in Tokio und Seoul als immer bedrohlicher wahrgenommen wird. So gesehen sind die Bilder der letzten Tage vor allem für die Volksrepublik ein Image-Gewinn.

Trumps Zoll-Krieg entsetzt die asiatischen Verbündeten der USA

Der Grund für die neue Vertrautheit ist allerdings nicht in Peking, Tokio oder Seoul zu finden. Sondern in Washington. Mit dem Wiedereinzug von Donald Trump ins Weiße Haus sind alte Gewissheiten weniger wichtig geworden, geraten Feindbilder ins Wanken. Denn Trump hat mit seiner aggressiven Handelspolitik alle drei Länder gleichermaßen ins Visier genommen, den erklärten Rivalen China ebenso wie die engen Verbündeten Japan und Südkorea.

So hatte Trump alle Importe aus China mit Zöllen in Höhe von 20 Prozent belegt, am 2. April treten zudem 25-Prozent-Zölle auf weltweite Auto-Importe in Kraft, unter denen neben Deutschland auch die beiden Automobil-Nationen Japan und Südkorea massiv zu leiden haben werden; E-Auto-Importe aus China hatte bereits Biden mit 100-prozentigen Zöllen belegt. „Äußerst bedauerlich“ sei dieser zollpolitische Affront, klagte jüngst der japanische Handelsminister Yoji Muto, und auch in Seoul war das Entsetzen groß.

In Tokio empfing Ende März der japanische Außenminister Takeshi Iwaya (Mitte) seine Amtskollegen aus China und Südkorea, Wang Yi (links) und Cho Tae-yul.

Dort, in der südkoreanischen Hauptstadt, verabredeten nun Muto und seine Amtskollegen aus Südkorea und China, Ahn Duk-geun und Wang Wentao, eine verstärkte Zusammenarbeit. Es war das erste derartige Treffen seit fünf Jahren. Man wolle ein „vorhersehbares Umfeld“ für Handel und Investitionen schaffen, hieß es von den drei Ministern. Subtext: ein Umfeld also, wie es Trump mit seinen Hauruckaktionen derzeit lustvoll zerstört. Auch die Verhandlungen über ein trilaterales Freihandelsabkommen sollen beschleunigt werden. Die Gespräche ziehen sich seit 2012 hin, signifikante Fortschritte gab es in den letzten Jahren nicht. Gut möglich, dass Trumps America-First-Politik das bald ändert.

Wegen Trump: China, Japan und Südkorea üben sich in Einigkeit

Auch beim Außenministertreffen in Tokio übten sich die Diplomaten aus China, Japan und Südkorea in Einigkeit. Gleich zu Beginn erklärte der japanische Außenminister Takeshi Iwaya in Anwesenheit von Wang Yi aus China und Cho Tae-yul aus Südkorea: „Angesichts der immer schwieriger werdenden internationalen Lage glaube ich, dass wir wirklich an einem Wendepunkt der Geschichte stehen.“ Umso wichtiger sei es nun, „Spaltung und Konfrontation durch Dialog und Zusammenarbeit zu überwinden“. Bei einem weiteren Gipfel später im Jahr wolle man unter anderem über Wege reden, um die Probleme durch eine sinkende Geburtsrate und eine rapide alternde Bevölkerung in Griff zu kriegen, hieß es.

Bei solchen vergleichsweise harmlosen Themen dürfte es den drei Ländern nicht allzu schwerfallen, Gemeinsamkeiten zu finden. Ansonsten aber dürfte das schwierig sein. In Südkorea etwa stört man sich an der chinesischen Unterstützung für Nordkorea und Russland, die beide durch den Ukraine-Krieg eng aneinander gerückt sind. Und mit Tokio liegt Peking im Streit über ein paar unbewohnte Inselchen im Ostchinesischen Meer. Auch die anhaltenden chinesischen Drohungen in Richtung Taiwan machen Japan Sorgen, vor wenigen Tagen erst präsentierte die Regierung in Tokio einen Plan, um mehr als 100.000 Zivilisten im Kriegsfall von seinen nahe Taiwan gelegenen Inseln zu evakuieren. Am Dienstag startete Peking zudem ein neues Militärmanöver rund um den demokratisch regierten Inselstaat.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Wie schlecht es um die Beziehungen mit China steht, sieht man auch hieran: In Seoul, nur gut zwei Flugstunden von Peking entfernt, war Xi Jinping zuletzt vor elf Jahren; Japan hat er zum ersten und bislang letzten Mal 2019 besucht, anlässlich des G20-Gipfels in Osaka.

Nach der Trump-Rückkehr umwirbt China auch die Europäer

China streckt derzeit überallhin seine Fühler aus, nicht nur nach Asien. Denn der Trump-Schock ist global und eröffnet der Volksrepublik neue diplomatische Chancen. So zumindest erhofft man sich das in Peking. In Europa wirbt Chinas EU-Gesandter Lu Shaye um den Kontinent, der sich eigentlich unabhängiger von China machen will, und daheim in Peking empfing am vergangenen Freitag Staats- und Parteichef Xi Jinping die Chefs großer internationaler Konzerne wie Mercedes und BMW.

Von China als einem „Stabilitätsanker für das weltweite Wachstum“ sprach Xi, und auch hier war der Subtext wenig subtil: Wenn Washington als verlässlicher Partner ausfällt – wir sind bereit. Es ist eine Botschaft, die China nun auch in Tokio und Seoul platzieren will. Ohne konkrete Taten aber dürfte sie wertlos sein.

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