Tschetschenen-Anführer
Wagner-Aufstand in Russland: Nun könnte Kadyrows Stunde schlagen
VonLukas Rogallaschließen
Für Russland kämpfen in der Ukraine verschiedene Gruppen, alle auf ihre Weise radikal – doch nur ein Mann hält treu zu Putin.
Moskau – Russland droht nach dem Wagner-Aufstand weiter in Chaos zu versinken. Vor dem Abkommen zwischen Jewgeni Prigoschin und dem Kreml, das dem Marsch der Söldner auf Moskau ein jähes Ende bereitete, hatte sich ein weiterer Akteur in den Machtkampf eingemischt: Ramsan Kadyrow, auch „Putins Bluthund“ genannt.
Der Tschetschenen-Anführer sprach Präsident Wladimir Putin seine volle Unterstützung aus und ließ seine Truppen ausrücken, um Rostow und Moskau vor einfallenden Wagner-Kämpfern zu verteidigen. Aus Donezk hatte sich eine lange Kolonne in Richtung Rostow auf den Weg gemacht, wo Prigoschins Männer die russische Kommandozentrale besetzten.
Nur noch „Putins Bluthund“ Kadyrow hält zum Präsidenten
„Wir werden alles tun, um die Einheit Russlands zu bewahren und seine Souveränität zu verteidigen“, teilte Kadyrow via Telegram mit. „Die Rebellion muss niedergeschlagen werden. Und wenn das harte Maßnahmen erfordert, dann sind wir bereit.“ Eine blutige Auseinandersetzung zwischen den tschetschenischen Kämpfern und den Wagner-Söldnern blieb letztlich aus. Der Machtkampf verschiedener russischer Gruppen im Ukraine-Krieg hat jedoch ein neues Level erreicht.
Kadyrow gilt als einer der engsten Verbündeten Putins, seine Truppen als äußerst brutal. Sein Vater hatte in den 1990er-Jahren noch für die Unabhängigkeit Tschetscheniens gekämpft. Heute steht der Republik im Nordkaukasus mehr Autonomie zu als anderen Regionen Russlands. Putin vertraut Kadyrow, der sowohl in Tschetschenien als auch in der Ukraine rigoros gegen seine Feinde vorgeht. Seine Kämpfer waren, wie auch die brutal vorgehende Wagner-Gruppe, an der Seite der russischen Streitkräfte im Einsatz. Schon seit geraumer Zeit gelten Kadyrow und Prigoschin als Kontrahenten. Der Wagner-Boss hat sich mehrmals abfällig über die tschetschenischen Kämpfer geäußert.
Der Tschetschene sprach dem Kremlchef auf Telegram wiederholt sein vollstes Vertrauen aus. Als vom Volk gewählter Oberbefehlshaber der Truppen wisse Putin die Gesamtsituation besser einzuschätzen als Prigoschin, sagte er. „Die Entscheidungen werden mit Bedacht und Sorgfalt getroffen. (...) Ich stehe voll hinter jedem Wort von Wladimir Wladimirowitsch Putin.“
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Mit Blick auf ukrainische Gewinne bei der Gegenoffensive und Rebellen in den eigenen Reihen könnte sich der treue Kadyrow als einer der wichtigsten Leute an Putins Seite erweisen. Zwar verurteilten ultranationalistische Kriegsbefürworter wie Igor Girkin den Wagner-Aufstand als verräterischen Angriff auf Russland. Doch auch der Hardliner Girkin, der ab 2014 an der Seite der Separatisten kämpfte, wandte sich zuletzt mit scharfen Worten gegen die Führung in Moskau. So hatte er im Mai gesagt, die russische Armee unter Schoigu und Gerassimow könne nicht einmal den Kreml verteidigen. Putin sieht er nach dem Aufstand der Wagner-Gruppe erheblich geschwächt und nicht mehr tragbar. Ein weiterer Aufstand sei nur noch eine Frage der Zeit.
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Der Machtkampf zwischen Prigoschin, Girkin und dem Putin-treuen Kadyrow eskaliert für den Kreml zur Unzeit. Die Ukraine gewinnt im Süden und Osten des Landes weiter Gelände zurück, befreit ein Dorf nach dem anderen. Die Unterstützung für Putin schwindet selbst bei den radikalsten Akteuren im Krieg - die teils bereits ihr eigenes Süppchen kochen. Nach dem Aufstand ist auch Verteidigungsminister Schoigu angezählt. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine geht unvermindert weiter, doch das Vertrauen vieler russischer Kämpfer, allen voran der Wagner-Söldner, scheint Putin nicht mehr zu haben. (lrg)
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