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Russlands Außenminister Sergej Lawrow spricht während einer abschließenden Pressekonferenz auf der 78. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im UN-Hauptquartier.
Neue Töne aus Russland – Kreml deutet an: Kriegsende bei Nato-Verzicht der Ukraine
VonNail Akkoyun
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Russland scheint seine Kriegsziele in der Ukraine zu revidieren. Ein Nato-Verzicht könnte das Ende des Konflikts bedeuten, behauptete zumindest Lawrow.
New York/Moskau – Gab Russland zu Beginn des Ukraine-Kriegs noch vor, das Nachbarland „entnazifizieren“ und entmilitarisieren zu wollen, scheint Moskau inzwischen immer weiter zurückzurudern. So deutete Außenminister Sergej Lawrow am Samstag (23. September) an, dass Russland nur eine einzige Bedingung habe, um den Krieg zu beenden: Kiew dürfe kein Militärbündnis eingehen.
„Einer der wichtigsten Punkte für uns war, dass die Ukraine ein bündnisfreies Land ist und keine Militärbündnisse eingeht“, sagte Lawrow laut Staatsagentur Tass auf einer Pressekonferenz zur Generalversammlung der Vereinten Nationen. „Unter diesen Bedingungen unterstützen wir die territoriale Integrität dieses Staates“. Hängt jetzt alles also „nur“ von einem ukrainischen Nato-Beitritt ab?
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Zunächst fragt sich, wie genau der Kreml die „territoriale Integrität“ der Ukraine definiert. In den vergangenen anderthalb Jahren gelang es der russischen Armee, Teile des Donbass unter ihre Kontrolle zu bringen, dazu wurden die Regionen Donezk und Luhansk mithilfe von Scheinreferenten annektiert. Dieselbe Methode nutzte Russland in den Oblasten Saporischschja und Cherson, um sich weiteres Gebiet illegal einzuverleiben.
Lawrow erklärte nun vor der Presse, Moskau habe im Jahr 1991 „die Souveränität der Ukraine auf Grundlage der Unabhängigkeitserklärung anerkannt, die das Land nach seinem Austritt aus der UdSSR angenommen hat“. Damals erklärte sich die Ukraine tatsächlich zu einem „dauerhaft neutralen Staat, der sich nicht an Militärbündnissen beteiligt“. In den Folgejahren trat Kiew im Austausch gegen Sicherheitsgarantien Atomwaffen an Russland ab.
Würde Russland im Falle eins ukrainischen Nicht-Beitritts in die Nato tatsächlich die Grenzen von 1991 respektieren, würde dies bedeuten, dass Putins Truppen sämtliches gewonnenes Gebiet aufgeben müsste. Auch die Krim würde zur Diskussion stehen, da die Schwarzmeer-Halbinsel damals ebenfalls Teil der Ukraine wurde. Vor der Tatsache, dass die Krim einen enormen Wert für Russland hat und Selenskyj schwor, die Halbinsel zurückerobern zu wollen, scheinen die Fronten hier besonders verhärtet.
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Mark N. Katz, Politikprofessor an der George Mason University in Fairfax, sagte unterdessen dem Portal newsweek.com, er habe das Gefühl, dass „Lawrows Erklärung nicht endgültig ist und dass es weitere ‚Klarstellungen‘ geben könnte, die nicht so großzügig gegenüber der Ukraine sind“.
Dass der russische Außenminister seit Kriegsausbruch durch teils abenteuerliche Aussagen und dreiste Lügen aufgefallen ist, verleiht dem vermeintlichen Verhandlungsgesuch jedenfalls wenig Glaubwürdigkeit. Katz zufolge kann Putin es aber nicht bei einem Nato-Verzicht der Ukraine belassen, „denn es würde die Frage aufwerfen, ob die enormen Verluste, die die russischen Streitkräfte in diesem Konflikt erlitten haben, eine solche Vereinbarung wert sind“.
Dagegen glaubt David Silbey, Geschichtsprofessor an der Cornell University in der US-Hauptstadt Washington, dass der russische Präsident seinen Anspruch auf die annektierten Oblaste Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja aufgeben könnte. „Was die vier Gebiete angeht, denke ich, ja, es deutet darauf hin, dass die Russen bereit sind, sie zurückzugeben“, sagte Silbey Newsweek.
Klitschko sieht keinen Raum für Verhandlungen mit Russland: „Das sind Lügner“
Am Dienstag (26. September) sagte der frühere ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko, er sehe keinerlei Chancen, derzeit mit Russland über Frieden zu verhandeln. „Verhandlungen mit wem, mit Russland, mit Putin, mit Lawrow, mit wem?“, beantwortete der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko eine entsprechende Frage des ZDF-Moderators Markus Lanz. „Das sind Lügner, die haben die Welt belogen, Jahrzehnte mit ihrer Propaganda“, fügte er hinzu.
Klitschko warnte, man werde im Zuge von Verhandlungen „Vergewaltigung, Tötung, Folter und zerstörtes Leben“ hinwegsehen müssen. Wenn man in Verhandlungen gehe, dann nicht aus einer Position der Schwäche, betonte er. (nak)