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Verfassungsschutz stuft AfD als gesichert rechtsextremistisch ein – Partei wehrt sich
VonJens Kiffmeier
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Rückschlag für Weidel und Höcke: Der Verfassungsschutz bewertet die AfD neu – und stuft die gesamte Partei als rechtsextremistisch ein. Kommt das Verbot?
Berlin – Monatelang hat der Inlandsgeheimdienst an der Neubewertung gearbeitet, jetzt kam der Paukenschlag: Der Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Die Behörde erklärte am Freitag (2. Mai), dass sich der Verdacht, die Partei verfolge Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, bestätigt habe und nun als gesichert gelte. Für die Parteivorsitzende Alice Weidel ist das ein herber Rückschlag. Denn möglicherweise könnte jetzt das geforderte Verbotsverfahren neuen Schwung aufnehmen.
Doch einfach hinnehmen will das die AfD nicht. Man werde sich juristisch gegen die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz wehren, teilten die Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla schriftlich mit. Man werde als Oppositionspartei nur wenige Tage vor dem Regierungswechsel „diskreditiert“, hieß es. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies etwaige Vorwürfe aber zurück: „Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben“, versicherte Faeser. Das Bundesamt habe autark gehandelt.
AfD gesichert rechtsextrem: Verfassungsschutz bewertet Lage neu
Teile der AfD galten bereits seit längerem als gesichert rechsextrem. Dass die Bewertung nun auf die gesamte Partei ausgeweitet wird, begründete die Sicherheitsbehörde mit einer Neubewertung der Situation: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, zitierte die Nachrichtenagentur dpa die Verfassungshüter. Dieses Verständnis ziele darauf ab, bestimmte Gruppen von einer gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft auszuschließen. „Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes“, hieß es weiter.
Die Vizepräsidenten der Behörde, Sinan Selen und Silke Willems, erklärten, dass Äußerungen und Positionen der Partei sowie führender AfD-Vertreter gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen. Diese Einschätzung sei entscheidend für die aktuelle Bewertung. Bereits zuvor hatten die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt die jeweiligen AfD-Landesverbände als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
AfD: Verfassungsfeindlichkeit auf 1000 Gutachter-Seiten belegt
Die jetzt durchgeführte Neubewertung basiert laut Medienberichten auf einem umfangreichen Gutachten des BfV, das ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung des Dokuments, das auch Erkenntnisse aus dem letzten Bundestagswahlkampf enthält, ist nicht geplant.
Wie die Tagesschau unter Verweis auf das ARD-Hauptstadtstudio und den SWR mitteilt, umfasst das Gutachten über 1000 Seiten und belegt demnach die Verfassungsfeindlichkeit der AfD nach Einschätzung der Verfassungsschützer. Maßgeblich hierzu sind Verstöße gegen die Menschenwürde, das Rechtsstaats- oder das Demokratieprinzip.
Einstufung als Verdachtsfall: Diese Mittel darf der Verfassungsschutz bei der AfD-Beobachtung anwenden
Im Februar 2021 berichteten Medien über eine mögliche Einstufung der Gesamtpartei als Verdachtsfall. Der Verfassungsschutz musste jedoch auf Anordnung des Kölner Verwaltungsgerichts etwa ein Jahr warten, bevor er diese Einschätzung öffentlich machen und die Partei beobachten konnte. Im Mai 2024 entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt sei. Der Rechtsstreit ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Die AfD-Spitze im Wandel der Zeit: von Bernd Lucke bis Alice Weidel
Bereits bei einer Einstufung als Verdachtsfall sind nachrichtendienstliche Mittel wie der Einsatz von V-Leuten, Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen erlaubt. Dabei muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Objekt sinkt die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel.
Beobachtung durch Verfassungsschutz: Verfahren zum AfD-Verbot könnte Auftrieb erhalten
Die Beobachtung durch das BfV steht zwar nicht direkt mit einem Parteiverbot in Verbindung, da ein solches nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden kann. Dennoch könnte die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes eines dieser Verfassungsorgane dazu ermutigen, einen Antrag zu stellen. Erst im Januar hatten mehrere Abgeordnete fraktionsübergreifend einen Antrag eingebracht, mit dem sie ein bundesweites Verbot der Partei forderten.
Trotz Höhenflug in den Umfragen: Verfassungsschutz beäugt AfD
Ob die Debatte nun neue Nahrung bekommt, bleibt abzuwarten. Die AfD trifft die Neubewertung durch den Verfassungsschutz in einer Situation, in der sie in den Umfragen einen absoluten Höhenflug erlebt. Meinungserhebungen zufolge liegt sie fast gleichauf mit der Union, einige Demografen sahen sie jüngst sogar auf Platz eins. Aktuell stellt die Partei nach der Bundestagswahl im Bundestag die zweitstärkste Fraktion. (jek/mit Material der dpa)