Nach Vorfall auf Ostsee
Veraltet und ohne Versicherung: Russische Schattenflotte bleibt eine Bedrohung für Mensch und Natur
VonErkan Pehlivanschließen
Über 9 Milliarden Dollar hat Russland durch seine 'Schattenflotte' an Ölverkäufen generiert. Allerdings stellen die oft veralteten und baufälligen Schiffe ein erhebliches Risiko dar.
Istanbul/Sassnitz – Der Bosporus gehört zu den am stärksten benutzten Schifffahrtswegen der Welt. Rund 50.000 Schiffe sollen die Meerenge zwischen dem asiatischen und europäischen Teil von Istanbul jährlich befahren. Darunter sind auch Schiffe der sogenannten Schattenflotte Russlands. Diese Schiffe transportieren russisches Öl, um die Kriegskasse des Riesenreiches aufzufüllen. Präsident Wladimir Putin lässt so unter anderem westliche Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs umgehen. Und das mit großem Erfolg: Laut des ukrainischen Think-Tanks KSE hat Russlands Schattenflotte zwischen Januar und November 2024 rund 9,4 Milliarden Dollar an Einnahmen erwirtschaftet.
Die USA haben deswegen in der vergangenen Woche weitere Sanktionen gegen den russischen Energiesektor verhängt. So werden die Ölkonzerne Gazprom, Neft und Surgutneftegas, aber auch 183 Tanker, die mutmaßlich zur Schattenflotte Russlands gehören, mit Restriktionen belegt. Betroffen ist zudem der russische Atomkonzern Rosatom.
Westen greift wegen Ukraine-Krieg durch: Russland kritisiert westliche Sanktionen – und setzt auf Schattenflotte
Der Kreml hat die neuen US-Sanktionen als Versuch kritisiert, mit wettbewerbsverzerrenden Regelungen die Positionen russischer Konzerne zu untergraben. „Gleichzeitig müssen solche Entscheidungen natürlich auch zu einer bestimmten Destabilisierung der internationalen Energie- und Ölmärkte führen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Moskau werde alles dafür tun, die Schäden für die eigene Wirtschaft zu minimieren.
Peskow zeigte sich überzeugt, dass Moskau auch der neuesten Sanktionsrunde widerstehen kann. Es sei unmöglich, mit Sanktionen Energierouten zu stoppen, die sich auf natürliche Weise gebildet hätten. Werde an einer Stelle ein Hindernis aufgebaut, tauchten an anderer Stelle Alternativen auf, sagte er.
Russland setzt wegen Sanktionen auf Schattenflotte: Schiffe sind alt und unversichert
Die Tanker der russischen Schattenflotte sind oft sehr alt, marode und bedrohen dadurch vor allem die Umwelt. Am 26. Dezember 2024 havarierte ein russischer Tanker vor dem Bosporus. Deswegen musste der Schiffverkehr durch die Meerenge vorübergehend gesperrt werden. Bei dem Tanker handelt es sich um die „Cordelia Moon“, die unter der Flagge von Panama unterwegs gewesen sein und ebenfalls zur russischen Schattenflotte gehören soll.
Das Problem an der Meerenge: Der Bosporus ist rund 30 Kilometer lang, an der engsten Stelle 700 Meter breit und bis zu 130 Meter tief. Sollte es hier zu einem Schiffunglück kommen, wären die Folgen verheerend. Eine Katastrophe würde auch die Millionenstadt Istanbul betreffen. Um Unglücke vorzubeugen, wurden in den vergangenen Jahren die Schifffahrtsregeln für den Bosporus stark angepasst.
Probleme in Russlands Schattenflotte: Havarie von Schiff vor Rügen in der Ostsee
Einen ähnlichen Vorfall gibt es derzeit in der Ostsee. Das Havariekommando hat den Einsatz rund um den in der Ostsee havarierten Tanker „Eventin“ mit 99.000 Tonnen Öl an Bord inzwischen jedoch beendet. Die Lage sei inzwischen stabilisiert, es herrsche „keine akute Gefahr“ mehr, teilte das Kommando am späten Sonntag mit. Zuletzt waren noch die staatlichen Notschlepper gegen kommerzielle Schiffe ausgetauscht worden. Auf dem 274 Meter langen Tanker „Eventin“ war in der Nacht zum Freitag der Strom ausgefallen. Das Schiff mit 24-köpfiger Besatzung trieb manövrierunfähig in der Ostsee nördlich von Rügen.
Am Freitag wurde es zunächst von einem Notschlepper gesichert, in der Nacht zum Sonntag dann vor den Hafen von Sassnitz geschleppt. Zu einem Ölaustritt kam es nicht. Der Eigentümer des Schiffs soll angegeben haben, er wolle das Schiff an einen anderen Ort bringen. Der ebenfalls unter der Flagge Panamas fahrende Tanker gehört laut Greenpeace zur russischen Schattenflotte. Diese Schiffe sind nicht nur alt und marode, sondern oft auch unversichert. Im Falle eines Sinkens droht eine Ölpest. Die Kosten dafür müssten dann die Staaten selbst aufbringen, da keine Versicherung für die Folgen aufkommen würde. (erpe/dpa/AFP)
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