Analyse
US-Wahlen: Klimawandel spaltet Demokraten und Republikaner
In den USA beginnen die Vorwahlen zur Präsidentschaft. Die Klimakrise spaltet weiter Wählerschaft und Parteien. Und es droht wieder ein Jahr der Klimarekorde und Milliardenschäden.
Im Wahljahr 2024 wird in den USA der Klimawandel zu einem wichtigen Thema: Präsident Joe Biden hat Klimapolitik zu einem zentralen Thema seiner Amtszeit gemacht. Die Republikaner dagegen weigern sich weiterhin, das Thema überhaupt ernst zu nehmen, und wollen Bidens Pläne rückgängig machen. Doch die Erderhitzung könnte sich 2024 von allein auf die Tagesordnung setzen.
Denn diese Wahl findet statt, nachdem in vielen Teilen der USA die höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen, noch nie dagewesene Regenfälle, schwere Dürren und apokalyptische Waldbrände verzeichnet wurden. Diese Extreme haben die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt, das Stromnetz an seine Belastungsgrenze gebracht und zu Hunderten von Todesfällen beigetragen. Und für 2024 wird eine noch größere Hitze erwartet.
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Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte sie Climate.Table am 10. Januar 2024.
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Klimaschutz als Frage der politischen Präferenz
Ob das Thema allerdings zentral wird, hängt davon ab, auf welcher Seite man steht. Der Präsident kann mit einigen Errungenschaften prahlen, darunter das Bipartisan Infrastructure Law und der Inflation Reduction Act (IRA), Gesetze, die zu den größten Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels in der Geschichte der USA geführt haben. Die Gelder fließen inzwischen in Projekte wie den Bau von Batteriefabriken und die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Allerdings stoßen einige dieser Initiativen auf Probleme, wie etwa die schleppende Bearbeitung von Genehmigungsanträgen.
In seiner Wahlkampagne betont Biden seine Erfolge: Seine Rhetorik konzentriert sich mehr auf die Arbeitsplätze und die wirtschaftlichen Vorteile der Umstellung auf saubere Energie als auf die Vorteile für die Umwelt. „Wenn ich Klima höre, denke ich an Arbeitsplätze“, sagte Biden letztes Jahr beim Besuch einer Windturbinenfabrik. Die Beschäftigung nimmt in den USA weiter zu, wobei die Arbeitsplätze im Bereich der sauberen Energie den größten Anteil ausmachen.
Noch in diesem Jahr will der Präsident Vorschriften verabschieden, darunter neue Beschränkungen für CO₂-Emissionen von Autos und Lastwagen sowie für Kraftwerke. Die Bundesbehörden sind jedoch in Verzug geraten und haben Fristen versäumt. Daher besteht die Gefahr, dass diese Punkte vor der Wahl nicht mehr fertiggestellt werden.
Republikaner: Klimaprogramm rückgängig machen
Die Republikaner hingegen sind nach wie vor nicht bereit, sich überhaupt mit dem Klimawandel zu befassen. Bei einer Debatte im letzten Jahr hob keiner der republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf der Bühne die Hand, als er gefragt wurde, ob der Mensch den Klimawandel verursacht.
Wenn Biden also auf den republikanischen Kandidaten trifft, werden sie den Klimawandel wahrscheinlich nur als Mittel nutzen, um sich in der Wirtschaftspolitik zu unterscheiden – wenn das Thema überhaupt zur Sprache kommt. Die Republikaner sagen, dass sie sich weiterhin dafür einsetzen, Bidens Klimaprogramm rückgängig zu machen. Allerdings haben sie auch gerne die Lorbeeren für Klimagesetze geerntet, gegen die sie gestimmt haben.
Wird der Klimawandel die Entscheidungen der US-Wähler beeinflussen? Vielleicht indirekt. Denn wie bei vielen Themen gibt es eine Kluft zwischen der angegebenen Präferenz („ich möchte mich gesünder ernähren“) und der offenkundigen Präferenz („ich habe heute extra Pommes frites bestellt“).
Bei Wählern hat Klimaschutz geringste Priorität
In den USA sagen die meisten Wähler den Meinungsforschern, dass sie für die Eindämmung des Klimawandels und für mehr Investitionen in saubere Energie sind. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research aus dem vergangenen Jahr ergab, dass zwei Drittel der Befragten den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie gegenüber Kohle, Öl und Erdgas bevorzugen. Einer der größten Faktoren, der die Zustimmungsrate des Präsidenten beeinflusst, ist jedoch der Benzinpreis. Biden selbst hat die sinkenden Benzinpreise gerne für sich reklamiert.
Unter allen anderen Wahlkampfthemen stellte Pew fest, dass die Bekämpfung des Klimawandels für die Wähler die niedrigste Priorität hat, nämlich Platz 17 von 21 Themen. Gleichwohl rangiert die „Verbesserung der Energieversorgung“ auf Platz 11 und der „Umweltschutz“ auf Platz 14. Außerdem vergrößert sich bei diesem Thema die Kluft zwischen den Wählern der verschiedenen Parteien: Laut Umfrage glauben 78 Prozent der den Demokraten nahestehenden Wähler, dass der Klimawandel eine große Bedrohung für das Land darstellt. Dagegen sind nur 23 Prozent der Republikaner dieser Meinung.
2023: 90 Milliarden Klimaschäden in den USA
Der Klimawandel könnte jedoch auch dann auf die Tagesordnung drängen, wenn das Jahr 2024 genauso extrem ausfällt wie 2023. Während der Hitzewellen im vergangenen Jahr konnte das US-Stromnetz den sommerlichen Spitzenbedarf an Energie kaum decken. Das Land wendete im vergangenen Jahr mehr als 90 Milliarden Dollar für Klima- und Wetterkatastrophen auf und könnte in den kommenden Monaten noch mehr zahlen. Die steigenden Katastrophenschäden haben einige Versicherungsunternehmen dazu veranlasst, sich bei Immobilien ganz aus Staaten wie Kalifornien und Florida zurückzuziehen.
Dies hat zu einer Krise für die Immobilienentwicklung, die Unternehmen und die Katastrophenhilfe geführt. Auch wenn der Klimawandel als eigenständiges Thema nicht viele Wähler beeinflussen wird, könnte die Art und Weise, wie Politiker auf Stromausfälle, Waldbrände, Überschwemmungen und wirtschaftliche Störungen reagieren, die Wahlentscheidung beeinflussen.
Bewegung in Staaten und vor Gerichten
Aber das Weiße Haus und das Parlament sind nicht die einzigen Orte, an denen über Maßnahmen zum Klimawandel debattiert wird. Vor den Gerichten erwarten die USA wichtige Entscheidungen: Etwa, wie stark die Regierung den Energiesektor regulieren kann – oder ob Kinder die Regierung verklagen können, weil diese zu langsam gegen den Klimawandel vorgeht.
Während in Washington im Jahr 2024 wahrscheinlich keine Klimagesetze verabschiedet werden, regt sich etwas in den Bundesstaaten: Die US-Staaten Washington und Kalifornien bereiten Gesetze vor, die den Handel mit Treibhausgasen und die Offenlegung von Emissionen für private Unternehmen betreffen. Der Gouverneur des Bundesstaates Washington, Jay Inslee, hat als prominenter Klimaschützer bereits gegen Biden für das Präsidentenamt kandidiert. Und der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom hat praktisch offen angekündigt, dass er im Jahr 2028 Bidens Platz einnehmen möchte. Von Umair Irfan
Rubriklistenbild: © Jack Truesdale/Imago
