Malediven, Blick aufs North Male Atoll
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Die Malediven: ein Blick aufs North Male Atoll.

Interview

Urlaubsparadies muss neue Inseln bauen: 80 Prozent im Jahr 2050 nicht mehr bewohnbar

Die Malediven sind vom Anstieg des Meeresspiegels existenziell bedroht. Der EU-Botschafter des Landes, Omar Abdul Razzak fordert daher besseren Zugang zu Finanzierung, vor allem für Maßnahmen zur Anpassung.

Derzeit fließe dafür weniger Unterstützung als für Emissionsreduktion. Das Gespräch führte Claire Stam.

Dieses Interview liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Climate.Table am 08. Juni 2023.

Laut Weltbank wird der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 voraussichtlich um 10 bis 100 Zentimeter ansteigen. Nach diesen Schätzungen könnten die Malediven vollständig überflutet werden. Wie bereitet sich Ihr Land darauf vor? 
Im Jahr 2050 werden 80 Prozent der Malediven nicht mehr bewohnbar sein. Die Regierung der Malediven hat es sich zum Ziel gesetzt, neue Inseln zu schaffen, die vor dem Anstieg des Meeresspiegels und vor Tsunamis geschützt sind. Diese Inseln verfügen beispielsweise über einen starken Küstenschutz und liegen zwischen fünf und sechs Metern über dem mittleren Meeresspiegel.

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Was ist der Zweck dieses neuen Inselprogramms?
Im Wesentlichen geht es darum, sicherere Lebensräume zu schaffen, da eine Bevölkerungskonsolidierung in diesen schwierigen Zeiten unvermeidlich ist. Wir erleben bereits die Abwanderung kleiner Populationen von ihren Heimatinseln in sicherere Gebiete.
Wie wollen Sie auf diesen neuen Inseln in Sachen Energie unabhängig sein?
Alle Inseln haben ihre eigene unabhängige Energieversorgung durch fossile Brennstoffe, hauptsächlich Dieselgeneratoren. Die Malediven planen, bis 2030 kohlenstoffneutral zu werden. Auf den Malediven gibt es jedoch nicht genügend Land oder Dachflächen, um Solaranlagen zu installieren. Die praktikablere Option sind schwimmende Solaranlagen, die in den zahlreichen flachen Lagunen der Malediven gut platziert werden könnten.
Diese Projekte müssen offensichtlich finanziert werden. Wie schwierig ist es, Zugang zur Klimafinanzierung zu erhalten?
Das größte Problem, mit dem wir im Moment konfrontiert sind, ist der Mangel an Informationen. Genauer gesagt sind es die bestehenden Lücken bei der Verfolgung der Klimafinanzierung und der Berichterstattung, die einen besseren Zugang zur Klimafinanzierung erschweren. Außerdem muss die Abgrenzung zwischen der Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsprojekten klarer werden.
Wie lässt sich das konkret umsetzen?
Die Malediven erhalten mehr Mittel für den Klimaschutz als für die Anpassung an den Klimawandel, obwohl unsere CO₂-Emissionen gering sind und wir dringend Mittel für die Anpassung benötigen. 71 Prozent der Gesamtsumme sind für den Klimaschutz bestimmt, 23 Prozent für die Anpassung und sechs Prozent sind bereichsübergreifend. Von den 200 Millionen US-Dollar, die die Malediven für den Klimaschutz erhalten, sind 80 Millionen als Zuschüsse und weitere 80 Millionen als Darlehen vorgesehen. Im Vergleich dazu erhalten die Malediven für die Anpassung 70 Millionen Dollar als Zuschüsse und zehn Millionen Dollar als Darlehen.
Was wäre dann Ihrer Meinung nach erforderlich, um einen besseren Zugang zur Klimafinanzierung zu erhalten?
Wir brauchen eine bessere Datenerfassung. Zum Beispiel eine verbesserte Berichterstattung über Mitigation und Adaptation sowie verbesserte Mechanismen zur Verfolgung der finanziellen Unterstützung, die wir erhalten haben und die wir brauchen. Wir brauchen auch Daten über die Bodenerosion, den Anstieg des Meeresspiegels und die Gesundheitsrisiken. Die derzeitigen Datenerfassungsmechanismen sind unzureichend, was Risikobewertungen und Vorhersagen sehr schwierig macht. Und wir brauchen unbedingt Kapazitäten und technische Hilfe von Gebern, Entwicklungsagenturen und NGOs.
Würde der „Loss and Damage“-Fonds den Zugang zur Klimafinanzierung verbessern?
Ja, das wird er sicherlich. Die gute Nachricht ist, dass Umfragen zeigen, dass selbst künftige Generationen in Europa und der westlichen Welt, die wahrscheinlich stark von der Klimakrise betroffen sein werden, die Idee von Entschädigungszahlungen für die Folgen des Klimawandels zu unterstützen scheinen. Wie der Fonds und andere Regelungen zur Finanzierung von Schäden und Verlusten in vollem Umfang umgesetzt werden sollen, muss noch ausgearbeitet werden, aber eines ist klar: Er wird auch 2023 ein wichtiger Bestandteil der internationalen Klimaagenda sein.

(Claire Stam)

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