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Ukraine durchbricht offenbar russische Verteidigungslinie an Schlüsselstelle
VonMarcus Giebel
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Kiew feiert im Ukraine-Krieg anscheinend einen wichtigen Erfolg. Nun soll die bisher eher stockende Gegenoffensive schneller vorangehen.
Kiew – Die Erfolgsmeldungen aus der zweiten großen Gegenoffensive im Ukraine-Krieg sind bislang sehr rar. Nun soll den Truppen aus Kiew aber ein wichtiger Schlag gegen die Invasoren aus Russland gelungen sein. Die US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ (ISW) berichtet unter Bezugnahme auf Quellen aus den beiden am Krieg beteiligten Ländern, den ukrainischen Streitkräften sei es gelungen, die laut US-Quellen womöglich herausforderndsten russischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen.
Gegenoffensive kommt voran: Am schwierigsten zu durchbrechende Verteidigungslinie überwunden
Es handele sich um „taktisch bedeutsame Fortschritte“ im Westen der südukrainischen Oblast Saporischschja, einer der vier von Kreml-Chef Wladimir Putin im vergangenen Jahr völkerrechtswidrig annektierten Regionen im Kriegsgebiet. Dieser Erfolg wurde demnach bereits vor dem Wochenende errungen. Am Samstag (26. August) berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die Ukraine laut einem im Süden kämpfenden Kommandeur mit dem Rufnamen „Skala“ davon ausgeht, die am schwierigsten zu durchbrechende russische Verteidigungslinie überwunden zu haben. Nun könnte die Gegenoffensive schneller vorankommen.
Das Ziel ist dem Befehlshaber zufolge das Asowsche Meer, an dessen Küste die von Russland eingenommenen Städte Berdiansk und Mariupol liegen. Die zuletzt offenbar zurückeroberte Ortschaft Robotyne liegt jedoch rund 100 Kilometer von Berdiansk und etwa 85 Kilometer von Mariupol entfernt. Auf dem Weg dorthin erwarten die Truppen mutmaßlich Panzerabwehrgräben und -hindernisse sowie Minenfelder, schreibt das ISW weiter.
Ukraine-Krieg: Wie hartnäckig verteidigt Russland die weiteren Linien?
Auch in seinem Bericht vom Sonntag vermeldete die Denkfabrik weitere Fortschritte der ukrainischen Truppen. So seien die Streitkräfte auch im Grenzgebiet zwischen den Oblasten Donezk und Saporischschja vorgerückt. Es sei jedoch schwierig, einzuschätzen, wie die Gegenoffensive weiter verlaufen werde, weil unklar sei, wie die russischen Verteidigungsstellungen im Süden der Ukraine ausgerüstet und bemannt seien.
Zuletzt hatte das ISW jedoch auch betont, dass es Anzeichen für eine abnehmende Moral unter Moskaus Truppen gibt. Folglich sei es möglich, dass die folgenden Stellungen nach den ersten ukrainischen Durchbrüchen nicht mehr so hartnäckig verteidigt werden. Mehr als Spekulation ist das allerdings nicht.
Zugleich verweist das ISW auf seine früheren Berichte, wonach Russland vor einigen Tagen weitere Truppen in das Gebiet um Robotyne verlegt hatte. Es sei eine „beträchtliche Menge an Material, Anstrengungen und Arbeitskräften eingesetzt“ worden, um die Linien zu halten, die nun offenbar von der Ukraine durchbrochen worden sind. Entsprechend sei nicht sicher, ob die weiteren Stellungen mit „dem gleichen Maß an Ressourcen“ verteidigt werden könnten. Die Fachleute gehen jedoch davon aus, dass der ukrainische Vormarsch auch künftig „höchstwahrscheinlich vor große Herausforderungen“ gestellt werden wird.
Soldat schildert Gegenoffensive: Panzergräben und Minen auf den Feldern
Zur Sprache kommt auch ein Erfahrungsbericht eines Mitglieds der ukrainischen Streitkräfte. So schrieb ein als Olexandr Solon’ko identifizierter Mann auf Twitter über die Widrigkeiten, mit denen die Soldaten zu kämpfen haben. Demnach seien die Truppen auf „ein ganzes System von Schützengräben, Unterständen und sogar unterirdischen Tunneln“ gestoßen. An jeder Baumgrenze gebe es Schützengräben und Abschusspositionen für diverse Waffen. Auf den Feldern befänden sich Panzergräben und Minen.
Zerstörte russische Panzer in Kiew: Ukraine freut sich auf Militärparade
Wegen dieses ausgeklügelten Systems habe es auch so lange gedauert, Robotyne zurückzuerobern. Hier spricht Solon’ko von einer „monumentalen Aufgabe“, die bewältigt worden sei. Auch die Berichte über die großen Verluste der Ukrainer hinsichtlich der gepanzerten Fahrzeuge adressiert er. Dies sei auf lange Sicht nicht zu vermeiden, vor allem aufgrund der Lufthoheit der Russen.
Doch es müsse auch gesehen werden, dass somit Leben gerettet würden. So habe er mit einem Soldaten gesprochen, der zwei Volltreffer auf einen Bradley-Panzer überlebt habe. Selbst die am stärksten beschädigten Gerätschaften würden geborgen und zur Reparatur gebracht. „Man kann ein Stück Metall ersetzen, auch wenn es teuer ist, aber man kein Menschenleben reparieren“, betont Solon’ko.
Russische Taktik im Krieg: Fahrzeuge fahren in Schussposition und verbrauchen Munition schnell
Die russischen Truppen würden zumeist so vorgehen, dass ihre Fahrzeuge lange im Schutz der Bäume bleiben, sich dann auf einem vorher festgelegten Weg in Schussposition begeben, ihre Munition schnell verbrauchen und sich anschließend sofort wieder zurückziehen. Von ukrainischer Seite seien diese Fahrzeugbewegungen aber aufgrund des aufgewirbelten Staubs und dank der Drohnen sichtbar.
Dass die russischen Soldaten „heftig verärgert“ über den Verlust von Robotyne seien, könne er verstehen. Schließlich hätten sie „erhebliche Anstrengungen“ unternommen, um den Vormarsch der Ukraine zu stoppen. Und es sei immer einfacher, ein Gebiet zu verteidigen als es einzunehmen. Doch auch die Truppen aus Kiew würden enorme Anstrengungen unternehmen: „Und wenn wir Erfolg haben, zeigt das, dass sich unsere Bemühungen auszahlen.“ (mg)