„Vielleicht nicht der Beste“
Kein Ende im Ukraine-Krieg: Orban scheitert als Putins Vermittler – Ex-Außenminister nicht überrascht
VonNail Akkoyunschließen
Ungarns Ministerpräsident Orban scheitert in Kiew mit einem Friedensvorschlag. Zu kurz gedacht ist die Idee des russlandfreundlichen Autokraten, meint ein ehemaliger Minister.
Kiew – Kaum hatte Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft inne, ist Ministerpräsident Viktor Orban nach Kiew gereist, um Wolodymyr Selenskyj dort zu einer Feuerpause im Ukraine-Krieg zu bewegen. Dabei besuchte Orban das Nachbarland erstmals seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022. „Ziel der ungarischen Ratspräsidentschaft ist es, zur Lösung der Herausforderungen beizutragen, vor denen die Europäische Union steht. Meine erste Reise führte daher nach Kiew“ schrieb der rechtspopulistische Politiker bei Facebook. Seiner russlandfreundlichen Linie blieb er dort treu.
Orbans Vorschlag zur Lösung des Ukraine-Kriegs: Waffenstillstand vor Verhandlungen
„Internationale diplomatische Regeln sind langsam und kompliziert. Ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, zu erwägen, ob es nicht möglich wäre, die Reihenfolge umzukehren und mit einer schnellen Feuerpause die Friedensverhandlungen zu beschleunigen“, sagte Orban nach einem Bericht der ungarischen Nachrichtenagentur MTI in Kiew nach seinem Treffen mit Selenskyj.
Öffentlich ließ Selenskyj Orbans Vorschlag unbeantwortet. Laut einem Bericht der European Pravda habe Orban vorgeschlagen, die aktuellen Fronten „einzufrieren“, die Waffen ruhen zu lassen und damit Verhandlungen mit Russland in Gang zu setzen. Hinter verschlossenen Türen soll der Präsident der Ukraine diese Idee jedoch abgelehnt haben, heißt es in dem Bericht. Der ungarische Staatschef habe dies in einem anschließenden Interview mit einem „Putin-freundlichen Journalisten“ bestätigt, der mit der Delegation aus Ungarn nach Kiew gereist war.
Orban zu nah an Putin: Ex-Außenminister nennt Vorschlag zum Ukraine-Krieg ungeeignet
Das magere Resultat deckt sich mit der Einschätzung des früheren ungarischen Außenministers, Peter Balazs. Der erklärte im Deutschlandfunk, Orban sei „vielleicht nicht der beste“ Brückenbauer, um zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Schließlich genieße er lediglich ein gewisses Vertrauen von Wladimir Putin; dementsprechend ähnelten Orbans Vorschläge auch denen aus Moskau. Ein vernünftiger Waffenstillstand benötige „wichtige Vorbedingungen“, so Balazs.
Derzeit gibt es keinerlei Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau. Kiew lehnt bisher offiziell eine Feuerpause vor dem Abzug russischer Truppen ab, hatte diese Bedingung aber zuletzt nicht mehr in den Vordergrund gerückt. Beide Seiten lehnten in der Vergangenheit Waffenruhen oder auch einen Waffenstillstand mit der Begründung ab, dass die Gegenseite die Pause nur für eine Aufrüstung nutzen würde.
Ukraine-Besuche im Krieg – Die Politik zeigt Solidarität




Besuch in Kiew: Spannungen zwischen Ungarn und der Ukraine sollen gelöst werden
Ungarn hat gerade für ein halbes Jahr die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Man wolle Schritte für einen Frieden unternehmen, hatte Orban in einem Interview kurz vor seiner Reise nach Kiew angekündigt. Die Beziehungen zwischen Kiew und Budapest gelten als angespannt. Selenskyj bekundete nach dem Treffen mit Orban die Hoffnung, dass zukünftig alle strittigen Fragen zwischen Ungarn und der Ukraine in einem bilateralen Abkommen geregelt werden könnten.
In der Vergangenheit hatte Orban Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine verzögert und mehrfach versucht, Sanktionen gegen Moskau zu verhindern. Ungarn ist weiterhin stark von russischen Gaslieferungen abhängig, die trotz des Kriegs teilweise durch die Ukraine fließen. Allerdings will Kiew den zum Jahresende auslaufenden Vertrag zum Gastransit nicht verlängern. Zudem hatte sich Ungarn lange Zeit gegen EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine ausgesprochen, diesen Widerstand aber letztlich nach Druck aus Brüssel aufgegeben.
Ein weiterer Streitpunkt im Verhältnis der Nachbarn sind die Rechte der ungarischen Minderheit in der Ukraine, als deren Schutzpatron sich Orban seit Jahren inszeniert. Dabei zeichnete sich eine Entspannung ab. Orban versprach Finanzhilfen zur Einrichtung von Schulen für die ukrainische Minderheit und Flüchtlinge in Ungarn, berichtete die Agentur Interfax-Ukraine. Budapest drängt Kiew seit langem, der ungarischen Minderheit im Transkarpatengebiet wieder mehr Rechte unter anderem bei der Bildung zuzugestehen. (nak/dpa)
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