Auffällige Aktivitäten beobachtet

Wagner jetzt kopflos: Wie reagiert die Söldnertruppe – und wer führt nach Tod von Prigoschin und Utkin?

  • Nadja Orth
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Bei einem Flugzeugabsturz in Russland sind die beiden Wagner-Gründer Prigoschin und Utkin wohl ums Leben gekommen. Wie geht es weiter – und wer könnte Nachfolger werden?

Moskau – Nachdem in der Nähe von Moskau am Mittwoch ein privates Flugzeug abgestürzt ist, werden weltweit Fragen laut. Nicht nur muss geklärt werden, ob zwei der verstorbenen Insassen tatsächlich der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin sowie sein Mitbegründer Dmitri Utkin waren. Auch die Zukunft ihrer Söldnertruppe „Wagner“ steht jetzt vor einem großen Fragezeichen. Sollte sich die Information über den Tod von Prigoschin und Utkin bestätigen, ist die private Militärgruppe kopflos. Wie geht es in diesem Fall weiter?

Kurz nach Absturz des Flugzeugs sollen bereits auffällige Aktivitäten im Camp der Wagner-Soldaten in Belarus beobachtet worden sein. „Laut dem weißrussischen Beobachtungsprojekt Hajun ist soeben ein russisches Schwerlastflugzeug auf dem weißrussischen Flugplatz Machulischtschi gelandet, in dessen Nähe sich das Wagner-Lager befindet“, schreibt der Geopolitik- und Sicherheitsanalyst Michael Horowitz auf X (vorher Twitter).

Wie reagiert die Wagner-Truppe auf den Tod ihrer Anführer Prigoschin und Utkin?

Wer sich in dem Flugzeug befand, ist unklar. Es könnte spekuliert werden, dass sich hochrangige russische Offiziere oder Mitglieder des Kremls die Situation unter Kontrolle haben wollten, als der Flugzeugabsturz von Prigoschin bekannt wurde. Außergewöhnlich ist jedenfalls, was das Beobachtungsprojekt Hajun kurze Zeit darauf verzeichnete: „Störungen des Mobilfunks werden aus dem Dorf Tsel in der Nähe des Lagers Wagner in Belarus gemeldet“, gab Horowitz knapp eine Stunde später das Update.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (Mi.) beim Abzug seiner Söldnertruppe aus Bachmut Ende Mai 2023.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass von der Wagner-Gruppe nach dem Tod ihres Anführers eine gewisse Gefahr für Putin und den Kreml ausgeht und daher ein russisches Flugzeug vor Ort ist. Die Söldnertruppe soll wie eine Art Familie agiert haben, unter anderem nannten die Soldaten Prigoschin offenbar auch „Papa“.

Dass die Situation nun heikel sein könnte, schätzen auch Experten ein. „Wie reagieren Tausende von sehr gut bewaffneten, kampferprobten und extrem gewalttätigen Wagner-Söldnern auf den Tod eines Mannes, den sie sehr hoch, ja fast kultisch verehrten?“, schreibt zum Beispiel Jimmy Rushton auf X, der als Politik-Journalist aktuell in Kiew ansässig ist und den Ukraine-Krieg begleitet. Ein großes Problem: Mit dem plötzlichen Ableben von Prigoschin und Utkin bricht der Wagner-Truppe die Führung weg. Sie sei jetzt „kopflos“, wie Politologe Gerhard Mangott gegenüber dem Fernsehsender ntv unterstrich.

Wagner-Truppe nach Flugzeugabsturz „kopflos“: Wer führt nach Tod von Prigoschin und Utkin?

Wird die Gruppe aufgelöst, sollte sich Prigoschins und Utkins Tod bestätigen oder wird man versuchen, durch einen neuen Anführer die Armee in Schach zu halten? Bereits in der Vergangenheit wurde berichtet, dass Putin den Soldaten einen Führungswechsel vorgeschlagen hatte, um sie weiterhin im Ukraine-Krieg einzusetzen und gleichzeitig Prigoschin zu entmächtigen. Für die Nachfolge des Söldner-Anführers soll der russische Präsident damals einem Bericht der russische Zeitung Kommersant zufolge bereits einen Favoriten gehabt haben: Andrey Troshev, ein hochrangiges Mitglied der Söldner-Armee.

Prigoschins Tod, sollte er offiziell werden, würde in den Augen vieler Experten nicht unerwartet kommen. Mit seinem Putschversuch gegen den Kreml hatte er sich vielen Einschätzungen zufolge zur Zielscheibe gemacht. Der Investigativ-Journalist Christo Grozev schrieb am Mittwoch: „Wagners Telegrammkanal(e) bestätigen den Tod von Prigozhin ‚als Ergebnis der Handlungen von Verrätern Russlands‘. Vielleicht hätte ich nicht sagen sollen ‚Prigoschin wird getötet *oder* es wird einen zweiten Staatsstreich geben.‘“ Auch Horowitz verwies auf Informationen eines Wagner-nahen Telegram-Channels, der den Tod der beiden Wagner-Gründe als „Sabotage“ bezeichnet.

Würde sich in der Truppe schnell eine Anti-Moskau-Mehrheit formieren, könnten sie selbst für einen Nachfolger mit erheblicher Abneigung gegenüber dem Kreml sorgen – und würden damit Putins Pläne, die Truppe mit einem installierten Nachfolger unter Kontrolle zu bringen, erheblich beeinträchtigen. Dann würden auf den russischen Präsidenten ganz andere Herausforderungen zukommen. (nz)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Press service of Prigozhin

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