Pekings neueste Waffen im Streit um das Südchinesische Meer kommt vergleichsweise schlicht daher: schwimmende weiße Plastikkugeln
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Pekings neueste Waffen im Streit um das Südchinesische Meer kommt vergleichsweise schlicht daher: schwimmende weiße Plastikkugeln

Analyse

Chinas neue „Waffe“ im Südchinesischen Meer

  • Michael Radunski
    VonMichael Radunski
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Der Streit zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer spitzt sich wieder zu. Neben künstlichen Inseln, Attacken mit Wasserkanonen und Laserpointern zeigt Peking nun eine neue „Waffe“.

Pekings neueste Waffen im Streit um das Südchinesische Meer kommt vergleichsweise schlicht daher: schwimmende weiße Plastikkugeln. Aufgereiht an einem Seil zu einer rund 300 Meter langen Kette bilden sie eine schwimmende Barriere – und sollen die Philippinen endgültig vom umstrittenen Scarborough-Riff abschneiden.

Entsprechend besorgt äußerte sich die philippinische Küstenwache am Montag. „Wir verurteilen die Installation schwimmender Barrieren durch die chinesische Küstenwache“, sagte der nationale Sicherheitsberater Eduardo Año in einer Erklärung. Die Barriere stelle eine Gefahr für die Schifffahrt dar und sei ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Das Scarborough-Riff sei „integraler Bestandteil des philippinischen Staatsgebiets“. Die Absperrung sei am Freitag bei einer Routinepatrouille im Bajo de Masinloc entdeckt worden.

Chinas Außenministerium erwähnte die schwimmende Barriere nicht direkt, verteidigte jedoch am Montag das Vorgehen seiner Küstenwache als „notwendige Maßnahme„, nachdem am Freitag ein Fischereifahrzeug der philippinischen Behörde in seine Gewässer „eingedrungen“ war.

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Ein Riff als Spiegelbild der Beziehungen

Der Streit um das strategisch wichtige und ressourcenreiche Riff ist ein Spiegelbild der Beziehungen zwischen China und den Philippinen. Obwohl das Atoll deutlich näher an der philippinischen Küste liegt, erheben beide Staaten Anspruch darauf. 2012 beschlagnahmte China das Riff. Wenige Monate rief die Regierung der Philippinen den Ständigen Schiedshof in Den Haag an, um die Territorialansprüche zwischen China und den Philippinen zu klären.

Das Südchinesische Meer ist geostrategisch eine der wichtigsten Regionen der Welt: Rund ein Drittel des gesamten Welthandels wird hier verschifft, zudem ist das Gebiet reich an Rohstoffen. Wer hier die Kontrolle hat, ist in einer überaus mächtigen Position. Deshalb erheben sämtliche Anrainerstaaten miteinander konkurrierende Ansprüche. China besteht mit seiner „Neun-Striche-Linie“ auf mehr als 80 Prozent des 3,5 Millionen Quadratkilometer großen Gebiets.

Als sich die Beziehungen zwischen China und den Philippinen unter dem ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte verbesserten, ermöglichte China es den Philippinen wieder, in der Nähe des Riffs zu fischen. Doch es folgten zwei Rückschläge für den chinesisch-philippinischen Honeymoon: das Urteil aus Den Haag und die Wahl von Ferdinand Marcos Jr. zum Präsident der Philippinen.

Marcos Jr. sucht US-Nähe

2016 entschied das Schiedsgericht zugunsten der Philippinen. Zudem stellten die Richter fest, dass China keine Rechtsgrundlage habe, um historische Rechte auf den Großteil des Südchinesischen Meeres zu beanspruchen. Im Falle des Scarborough-Riffs hielt man fest: Die Fischgründe des Atolls würden traditionell von mehreren Ländern genutzt. Weder China noch die Philippinen dürften andere dort vom Fischen abhalten. Die Regierung der Philippinen begrüßte das Urteil, Peking hingegen fühlt sich nicht an den Schiedsspruch gebunden.

Zudem sucht der aktuelle philippinische Präsident wieder deutlich mehr die Nähe zu den USA. Ferdinand Marcos Jr. will die alte Partnerschaft zu Washington wieder stärken. So haben die Philippinen in den vergangenen Monaten den USA Zugang zu wichtigen Militärstützpunkten gewährt, die größten gemeinsamen Militärübungen der beiden Länder aller Zeiten ausgerichtet und wiederholt Pekings Aggression im Südchinesischen Meer angeprangert.

Chinas Reaktion: Wasserwerfer, Laser und Barriere

Entsprechend forsch fällt die Reaktion aus Peking aus. Chinesische Schiffe haben in den vergangenen Monaten Wasserwerfer und Laser eingesetzt, um die philippinische Schiffe abzudrängen. „China hat eine Küstenwache geschaffen, mit dem Auftrag, die chinesische Kontrolle im Südchinesischen Meer auszuweiten. Das alles basiert auf einer verzerrten historischen Erzählung, die wenig mit den Beweisen zu tun hat“, sagte Bill Hayton, der Autor von „The South China Sea: The Struggle for Power in Asia“ gegenüber der britische Zeitung Guardian.

Auch am Montag war Chinas Küstenwache wieder im Einsatz. Man habe in Übereinstimmung mit dem Gesetz die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um ein Schiff der Philippinen in einem umstrittenen Gebiet im Südchinesischen Meer abzuwehren, teilte das chinesische Außenministerium am Montag mit.

Auch Manila wird forscher

Die Behörden der Philippinen wollen sich Pekings aggressives Verhalten jedenfalls nicht länger gefallen lassen. Allerdings ließ sich deutlich erkennen, welch Schwierigkeiten auch eine schlichte chinesische Bojen-Kette verursachen kann. „Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir keinen diplomatischen Fehltritt begehen“, sagte ein Sprecher der philippinischen Küstenwache am Montag auf die Frage, ob die Küstenwache vorhabe, die Barriere zu entfernen. Die Behörden in Manila wissen nur zu gut um das ungleiche Kraftverhältnis zwischen China und den Philippinen.

Am Montagabend dann der Durchbruch – im wahrsten Sinne des Wortes: Die philippinische Küstenwache hat die schwimmende Absperrung auf Geheiß von Präsident Ferdinand Marcos Jr. mit einer Spezialeinheit im Südchinesischen Meer entfernt.

Aufrüstung der Fischer

Um den großen Konflikt mit China zu vermeiden, sich aber dennoch wehren zu können, will Manila künftig seine Fischer in die Pflicht nehmen – und sie darin ausbilden, ihre Gründe auf See selbständig zu schützen.

So verständlich das Vorhaben sein mag, so gefährlich ist es. Schließlich heizt Manila damit den Konflikt weiter an. So heißt es vom Sprecher der Küstenwache, dass die Rechtfertigung und Entschuldigung des „aggressiven Verhaltens Chinas“ durch einen Filipino unpatriotisch und als Verrat an den Philippinen und dem eigenen Volk einzustufen sei.

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