SPD-Kritik an FDP-Plan
Strengere Regeln für Sportwetten? „Werbung von heute, schafft Sucht von morgen“
VonAndreas Schmidschließen
Die SPD will stärker gegen Sportwetten und illegales Glücksspiel vorgehen – doch das beißt sich mit aktuellen Plänen des FDP-Justizministeriums.
Berlin – Wer im Fernsehen die Bundesliga verfolgt, kommt an Sportwettenwerbung nicht vorbei. Aufforderungen für „Ihre Wette in sicheren Händen“ oder den „sicheren Tipp für euch“ sind omnipräsent. Sie richten sich vor allem an junge, sportbegeisterte Männer. Diese Gruppe ist laut Experten besonders anfällig für Sportwetten. Mit markigen Werbeslogans wie „das ist unser Spiel“ soll der Eindruck erweckt werden, Sport und Wetten gehören zusammen. Die Risiken des Glücksspiels werden jedoch weitgehend ausgeblendet. Die Politik will deshalb gegensteuern: Sportwetten sollen strenger reguliert und die Branche härter bestraft werden.
Suchtbeauftragter Blienert für Werbeverbot bis 23 Uhr
So lautet der Konsens der Fachtagung des Fachverbandes Glücksspielsucht (FAGS) in Berlin, die von Donnerstag bis Freitag stattfand. Denn wie der Bundesdrogen- und Suchtbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) klarstellte: „Die Werbung von heute schafft die Glücksspielsucht von morgen“. Und weiter: „Glücksspiel macht selten glücklich.“
Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind süchtig nach Glücksspielen. Das sind 2,3 Prozent der Bevölkerung, wie aus dem jüngst vorgestellten Glücksspielatlas hervorgeht. Weitere 3,25 Millionen Menschen zeigen erste Symptome einer sogenannten Glücksspielstörung und damit ein riskantes Glücksspielverhalten. Das bedeutet, den Spielern entgleitet langsam die Kontrolle, sie spielen häufiger und setzen mehr Geld ein. Dabei geht es nicht nur um Sportwetten, sondern auch um Spielautomaten oder Kasinos. Die Folge laut Blienert: „Menschen können Geld, Familie oder Beruf verlieren, gegebenenfalls sogar das Leben.“
Der erste Einstieg in das Glücksspiel sei die Werbung. „Werbung wirkt eben, wie man so schön sagt“, so Blienert. Mehrere Teilnehmer der Tagung forderten deshalb ein generelles Werbeverbot für Sportwetten. Der Suchtbeauftragte Blienert könnte sich ein Werbeverbot vor 23 Uhr vorstellen, aktuell gilt es bis 21 Uhr. „Die Werbung trägt zur erheblichen Gefährdung der Menschen bei. Während der Fußballübertragung kann man sich ihr nicht mehr entziehen.“ Kinder und Jugendliche seien der Werbung „ungeschützt ausgesetzt“.
SPD-Mann Blienert kritisiert „abenteuerlichen“ FDP-Plan
Ob es dazu kommt, ist allerdings unklar. Das Werbeverbot wird im Glücksspielstaatsvertrag geregelt, den die Bundesländer unter teils intransparenten Verhandlungen beschließen. Blienert appellierte an die Länder, das Gesetz entsprechend zu ändern. Im Weg stehen den strengeren Regularien aber auch Pläne des FDP-geführten Justizministeriums, das Strafrecht anzupassen. Geändert werden sollen laut Eckpunktepapier unter anderem die Paragrafen 284 bis 287 StGB, in denen es um illegales Glücksspiel geht. Das soll künftig als Ordnungswidrigkeit gelten. Unter illegales Glücksspiel fallen etwa Pokerrunden, Wettanbieter ohne Lizenz sowie ein Drittel aller Spielautomaten.
Blienert findet es richtig, dass Spielsüchtige dadurch gewissermaßen entkriminalisiert werden. Aber es sei jedoch nicht nachvollziehbar, dass gleichzeitig damit auch Anbieter von illegalem Glücksspiel profitierten. „Das ist absolut kontraproduktiv, ja geradezu abenteuerlich.“ Deshalb lehnt er die Pläne ab.
Glücksspielverband klagt gegen Tipico
Neben der Werbung sollen auch die Anbieter von Glücksspiel stärker reguliert werden. Sie haben ihren Sitz in der Regel in Ländern wie Malta, wo sie sich deutschem Recht entziehen. Der Fachverband Glücksspielsucht will dagegen vorgehen und präsentierte am Rande der Sitzung einen juristischen Erfolg. So hat der Verband das in Malta ansässige Unternehmen Tipico erfolgreich abgemahnt, weil sie sich im Stadion des FC Bayern München nicht an die aktuellen Regeln gehalten haben. Der Wettanbieter warb mit dem Slogan „Jetzt Wette abgeben“, eine Spielaufforderung, die nicht zulässig ist.
Aktuell läuft eine Klage gegen die ebenfalls in Malta ansässige Online-Spielothek SlotMagie. Sie hatte wiederholt vor 21 Uhr auf dem Sender RTL2 für ihr Produkt geworden. Auf die Aufforderung einer Unterlassungserklärung habe SlotMagie nicht reagiert. Einige Kanzleien spezialisieren sich bereits auf Prozesse mit Glücksspielanbietern. Die Branche ist jedoch sehr mächtig. „Wir haben keine Chancengleichheit“, sagte Ulrich Kemper, Vorstand des FAGS angesichts der „Milliardenumsätze“ der Anbieter. Die „Macht der Sportwetten“ scheint ebenso allgegenwärtig wie die Werbung für das Glücksspiel. (as)
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