Wichtiges Projekt gescheitert
Blamage für Kim Jong-un: Nordkorea meldet erneut Fehlstart eines Spionagesatelliten
VonSven Haubergschließen
Schon wieder ist ein nordkoreanischer Spionagesatellit nach dem Start ins Meer gestürzt. Das Projekt ist für Kim Jong-un von enormer Bedeutung – und trotz des Fehlstarts offenbar auf der Zielgeraden.
München – Nach dem historischen Gipfel von Camp David zwischen den USA, Japan und Südkorea wollte Kim Jong-un offenbar ein Zeichen setzen – und steht nun stattdessen vor einer erneuten Blamage: Zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Monaten musste Nordkorea den Fehlstart eines Spionagesatelliten einräumen.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA sei der Aufklärungssatellit vom Typ Malligyong-1 am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) an Bord einer Chollima-1-Trägerrakete in Richtung All geschossen worden. „Der Flug der ersten und zweiten Stufe der Rakete verlief normal, aber der Start scheiterte aufgrund eines Fehlers im Notzündsystem während des Fluges der dritten Stufe“, schreibt KCNA unter Berufung auf Nordkoreas nationale Weltraumbehörde NADA. Sie sprach jedoch von „keinem großen Problem“.
Die NADA werde in Kürze weitere Details zu dem gescheiterten Start liefern, so KCNA weiter. Sie plane für Oktober einen dritten Versuch – „nachdem sie die Ursache gründlich untersucht und Maßnahmen getroffen hat“. Nordkoreas Führung hatte die Entwicklung von Spionagesatelliten in der Vergangenheit als von großer Bedeutung beschrieben, „um für Kampfhandlungen vollständig vorbereitet zu sein“. Erste Pläne dazu hatte das Land Anfang 2021 vorgestellt.
Nordkorea: Zweiter Fehlstart eines Spionagesatelliten innerhalb weniger Monate
Bereits Ende Mai musste Pjöngjang den Fehlstart eines Spionagesatelliten zugeben. Auch damals gab es laut offiziellen Angaben Probleme mit der Trägerrakete Chollima-1, die nach dem Start etwa 200 Kilometer westlich der südkoreanischen Insel Eocheong ins Wasser gestürzt war. Es war der erste Versuch des Regimes von Kim Jong-un, einen Satelliten zur Aufklärung in den Orbit zu bringen. Nach dem Fehlstart übte das Zentralkomitee der herrschenden Arbeiterpartei Nordkoreas „bitterliche“ Kritik an den zuständigen Beamten. Beim Ausbau der nordkoreanischen Streitkräfte gebe es mehrere Mängel – „der gravierendste war der gescheiterte Start eines militärischen Aufklärungssatelliten“, hieß es seinerzeit laut KCNA.
Laut dem Portal NK News war der Fehlstart vom Donnerstag offenbar erfolgreicher als der erste Versuch im Mai, da die Trägerrakete diesmal weiter geflogen sei. Auch Chang Young-keun von der Korea Aerospace University im südkoreanischen Goyang glaubt nicht an einen allzu großen Rückschlag für den Norden. „Die Tatsache, dass sie einen dritten Start im Oktober angekündigt haben, also schon ziemlich bald, könnte bedeuten, dass es keine Probleme mit der Leistung und der Trennung der Raketen der ersten, zweiten und dritten Stufe gab“, sagte Chang der Nachrichtenagentur Reuters.
Nach Nordkoreas Satellitenstart: Japan sprich von „Verstoß gegen UN-Resolutionen“
Südkoreas Generalstabschef erklärte nach dem Start am Donnerstag, eine Aktion zur Bergung der Überreste sei im Gange; zudem sei das Militär des Landes „in voller Bereitschaft und in enger Abstimmung mit den Vereinigten Staaten“, dem wichtigsten Verbündeten der Regierung in Seoul. Japans Premierminister Fumio Kishida erklärte, der Satellitenstart „verstößt gegen die UN-Resolutionen“; seine Regierung werde sich mit Seoul und Washington „enger denn je abstimmen“. Das Weiße Haus sprach am Donnerstag ebenfalls von einer Verletzung von UN-Bestimmungen. Das US-Außenministerium forderte Nordkorea zudem auf, „weitere bedrohliche Aktivitäten“ zu unterlassen.
Der Fehlstart fällt in eine Zeit der zunehmenden Spannungen zwischen Nordkorea und den USA sowie ihren Verbündeten. Diktator Kim Jong-un rüstet trotz massiver wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines international isolierten Landes weiter auf und lässt regelmäßig Interkontinentalraketen testen, die nicht nur Südkorea und Japan, sondern auch das gesamte US-Festland erreichen. Auch können sie mit Atomsprengköpfen bestückt werden.
USA, Japan und Südkorea rücken enger zusammen
Aufgrund der zunehmenden Bedrohung durch Nordkorea rückten zuletzt Tokio und Seoul enger zusammen, obwohl beide Staaten aufgrund von nicht aufgearbeiteten japanischen Verbrechen während der Besatzung Südkoreas von 1910 bis 1945 seit Jahren miteinander in Konflikt stehen. US-Präsident Biden gelang es dennoch, die beiden Verbündeten seines Landes erstmals zu einem Dreiergipfel zusammenzubringen: Am vergangenen Freitag trafen sich Biden, Kishida sowie Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol in Camp David, dem Landsitz des US-Präsidenten, und vereinbarten eine verstärkte Zusammenarbeit. Alle Seiten sprachen anschließend von einem „historischen“ Treffen, dem weitere folgen sollen.
Nordkorea reagierte auf die neue Nähe der drei Staaten indes mit Säbelrasseln. Am Dienstag erklärte Pjöngjang, der Gipfel sowie ein gemeinsames Militärmanöver der USA und Südkoreas stellten eine neue Eskalationsstufe dar. „Ein thermonuklearer Krieg, der erste in der Geschichte, ist auf der koreanischen Halbinsel mehr als wahrscheinlich“, hieß es in einem Meinungsbeitrag von KCNA.
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