Vor Hessen-Wahl
Faeser will Regeln für Abschiebungen verschärfen
VonMaximilian Gangschließen
Zwei Monate vor der Hessen-Wahl sprechen Umfragen nicht für Nancy Faeser. Jetzt drängt die Innenministerin auf drastische Gesetzesänderungen.
Berlin – Die erste deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser will ihren Namen bei der Hessen-Wahl am 8. Oktober erneut in die Geschichtsbücher eintragen. Als erste Ministerpräsidentin in die Staatskanzlei in Wiesbaden einziehen, so der Plan der SPD-Politikerin. Eine sportliche Aufgabe, denn: Neben dem – hinsichtlich mäßiger Umfrageergebnisse durchaus nötigen – Wahlkampf zur Landtagswahl, hat die Sozialdemokratin auch im Bund einiges zu tun. Nun prescht Faeser mit einem Vorschlag zur Verschärfung des Asylrechts vor.
Vor Hessen-Wahl: Faesers Innenministerium prescht mit Entwurf zur Verschärfung des Asylrechts vor
Am Mittwoch (2. August) veröffentlichte Faesers Ministerium einen Diskussionsentwurf, der mehr Befugnisse für Behörden und Polizei bei der Durchführung von Rückführungen vorsieht. Dieser soll als Grundlage für weitere Beratungen dienen, bevor das Ministerium Gesetzesentwürfe vorlegt. Demnach sollen beispielsweise ausreisepflichtige Menschen für 28 statt der vorher geltenden zehn Tage im Ausreisegewahrsam festgesetzt werden können. Behörden sollen dadurch mehr Zeit bekommen, eine Abschiebung mit „erheblichen organisatorischen Aufwand“ vorzubereiten, wie es in dem Entwurf heißt.
Asyl und ausreisepflichtige Menschen in Deutschland
► Zum Stichtag 30. Juni waren laut dem Bundesinnenministerium 279.000 Menschen ausreisepflichtig. Ende 2022 waren es laut dem Ausländerzentralregister noch 304.000. Davon besitzen knapp 225.000 Menschen eine Duldung. Sie sind weiterhin ausreisepflichtig, nur die Strafbarkeit wegen illegalem Aufenthalt in Deutschland entfällt. Duldungsgründe sind laut der Diakonie Deutschland unter anderem fehlende Reisedokumente, Krankheit oder ein Abschiebestopp in das Herkunftsland.
► In 2022 wurden nach Angaben der Bundesregierung knapp 13.000 ausreisepflichtige Menschen aus Deutschland abgeschoben. In den beiden Jahren davor waren es etwas weniger. Im ersten Halbjahr vom 2023 habe es gut 7.800 Abschiebungen gegeben, wie eine Sprecherin des Innenministeriums sagte.
► Insgesamt 150.000 Menschen haben nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in den ersten sechs Monaten von 2023 einen erstmaligen Asylantrag gestellt. Das ist ein Anstieg um 77 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Mehr Befugnisse für Polizei und Haftstrafen für falsche Angaben: So will Faeser das Asylrecht verschärfen
Das Bundesinnenministerium schlägt vor, dass die Polizei nicht nur die Wohnung der abzuschiebenden Person, sondern „unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen“ auch andere Wohnungen und Räumlichkeiten in den Unterkünften betreten dürfen. Dadurch solle verhindert werden, dass „Betroffene kurz vorher und nur für Dauer der Abschiebung entweder im Zimmer anderer Personen aufhältig“ sind oder „ihre Zimmer tauschen“, heißt es in der Begründung. Faeser schlägt zudem vor, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote keine aufschiebende Wirkung mehr haben.
Zudem solle – laut dem Diskussionsentwurf – die „Mitwirkungspflicht“ der Asylbewerber stärker eingefordert werden. Im Detail bedeutet das: Wenn ein Asylbewerber im Asylverfahren keine, falsche oder unvollständige Angaben zu seiner Identität macht, könnten ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe drohen. Das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser begründet das damit, dass eine ungeklärte Identität eine der „Haupthindernisse“ bei der Abschiebung sei. Verstoße gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot sollen zudem als eigenständiger Haftgrund gelten.
Faesers Diskussionsentwurf zur Abschiebung: Ausländerbehörden sollen entlastet werden
Gleichzeitig will Nancy Faeser die Gültigkeit von Aufenthaltserlaubnissen für Geflüchtete mit einem sogenannten subsidiären Schutz von einem auf drei Jahre verlängern. Dazu zählen Menschen, die „stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht“, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schreibt. Dadurch sollen Ausländerbehörden entlastet werden. Zu einem solchen „ernsthaften Schaden“ gehören:
- Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe.
- Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung.
- Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson „infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“.
- Ausgenommen sind beispielsweise Kriegsverbrecher, Menschen, die eine schwere (nicht-politische) Straftat begangen haben oder jene, die eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen.
- Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Ausländerbehörden, Sozialämter und Jobcenter könnten dem Entwurf von Faesers Ministerium zufolge auch durch eine weitere Maßnahme entlastet werden: Künftig soll demnach im Ausländerzentralregister erfasst werden, ob jemand existenzsichernde staatliche Leistungen erhält, welche Behörde dafür zuständig ist und über welchen Zeitraum sie gewährt wird. Die manuelle Abfrage würde dadurch wegfallen.
Vorschlag des Bundesinnenministeriums als Reaktion auf den Flüchtlingsgipfel im Mai
Der Diskussionsentwurf aus Faesers Innenministerium kommt knapp drei Monate nach dem Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt am 10. Mai. Die Ministerpräsidenten der Länder, Kanzler Olaf Scholz und die zuständigen Minister einigten sich damals darauf, dass die irreguläre Migration „spürbar“ reduziert werden müsse.
Neben der zusätzlichen Bereitstellung von einer Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt für die Unterbringung von Geflüchteten wurde auch eine umfassende Verschärfung des Asylrechts vereinbart. Zuvor hatten verschiedene Kommunen bemängelt, dass sich der Bund aus der Verantwortung in der Flüchtlingsfrage herausziehe.
Verschärfung des Asylrechts: Grüne und Menschenrechtler gehen auf die Barrikaden
Schon nach dem Treffen der Spitzenpolitiker gingen mehrere Menschenrechtsorganisationen gegen die in dem Beschluss festgelegte Verschärfung des Asylrechts auf die Barrikaden. So sprach Pro Asyl beispielsweise von einem „Gipfel der Abschottung und Entrechtung“. Es werde versucht, eine „rigidere Abschiebepolitik und Rechtsverschärfungen als Lösung für die Überlastung der Kommunen zu instrumentalisieren“, so die Menschenrechtler.
Gegenwind bekam der Beschluss auch aus der Politik: „Wir werden nicht zulassen, dass das Grundrecht auf Asyl ausgehebelt wird“, sagte der Grünen-Chef Omid Nouripour im ZDF-Morgenmagazin. Die Ministerpräsidentenkonferenz sei ein Beratungs- und kein Entscheidungsgremium. Zuspruch bekommt der Vorschlag von Faesers Ministerium indes aus den Reihen der FDP: Die geplanten Veränderungen seien ein wichtiges Signal, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer von Faesers Koalitionspartei der Deutschen Presse-Agentur. (mg, mit dpa)
Rubriklistenbild: © Bernd Elmenthaler/Imago

