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SPD als großer Gewinner im neuen Kabinett? „Merz hat viel geopfert“
VonStephanie Munk
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Die SPD bekommt im Merz-Kabinett gleich sieben Minister, darunter einige Top-Ressorts. Hat Merz sich von Klingbeil über den Tisch ziehen lassen?
Berlin – Habemus Koalitionsvertrag! Diese Nachricht von Bald-Kanzler Friedrich Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil beherrscht die Nachrichten in Deutschland. Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken stand am Mittwoch (9. April) die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, dass sie sich auf eine neue Regierung geeinigt hatten.
Doch folgt bald das böse Erwachen für die Union und ihre Wähler? Denn: die SPD konnte gleich sieben Ministerien für sich herausschlagen. Das sind genauso viele wie für die Union, die „nur“ noch das Kanzleramt obendrauf bekommt.
Wen holt Friedrich Merz in sein Kabinett? Diese Minister stehen bereit
SPD als großer Gewinner im neuen Kabinett? „Merz hat viele Dinge geopfert“
Die SPD stellt in der neuen Regierung von Merz gleich mehrere hochrelevante Ressorts: Mit dem Finanzminister hat sie die Herrschaft über Bundeshaushalt, mit dem Arbeits- und Sozialministerium kann sie die Weichen für den Arbeitsmarkt und das Bürgergeld stellen, mit dem Justizministerium Vorhaben theoretisch verhindern. Hinzu kommt auch noch das mächtige Bau- und das Verteidigungsministerium. Konkret sieht die Verteilung der Ministerien so aus:
Die CDU wird den Chef des Bundeskanzleramts stellen sowie die Minister und Ministerinnen für Wirtschaft, Außen, Gesundheit, Verkehr, Bildung und Digitalisierung.
Die SPD soll die Ministerien für Finanzen, Arbeit und Soziales, Justiz, Verteidigung, Wohnen und Bau, Umwelt und Entwicklungshilfe bekommen.
Die CSU konnte die Minister und Ministerinnen für Innen, Landwirtschaft und Forschung für sich rausverhandeln.
Merz-Kabinett: Hat Union sich bei Ministerien von SPD über den Tisch ziehen lassen?
Klingbeil und Esken konnten bei den Ministerien für die SPD mehr herausverhandeln, als das Ergebnis bei der Bundestagswahl nahelegen würde: Nur 16,5 Prozent erreichten die Sozialdemokraten bei der Wahl, während die Union mit 28,5 Prozent deutlicher Wahlsieger war. Dennoch sicherte sich die SPD nun überraschend viele und vor allem auch sehr einflussreiche Ministerien.
Hat Merz sich bei der Verteilung der Ministerien also von Klingbeil über den Tisch ziehen lassen? Table Media-Chefredakteur Michael Bröker sagte im Bild-Podcast „Ronzheimer“, Friedrich Merz habe am Ende enormen Druck gehabt, angesichts der Weltlage schnell eine neue Regierung aufzustellen. Deshalb habe er sich wohl auf überraschend viele Kompromisse eingelassen: „Er will endlich Europa zeigen, dass er da ist, dass Deutschland zurück ist, und dafür hat er viel geopfert“, so die Analyse des Journalisten.
CDU verzichtet im Merz-Kabinett auf Arbeitsminister – Linnemann als Verlierer der Einigung
Schmerzhaft dürfte für die CDU vor allem sein, dass sie auf das Arbeitsministerium verzichtet. Carsten Linnemann – Merz‘ treuer Generalsekretär – hatte sich dem Vernehmen nach gewünscht, in der neuen Regierung ein großes Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zu führen. Schließlich ist Linnemann einer der schärfsten Kritiker des Bürgergelds und würde eine Reform gerne eigenmächtig verantworten. Hätte er sich zwischen Wirtschafts- und Arbeitsministerium entscheiden müssen, hätte Linnemann sogar den Posten des Arbeitsministers bevorzugt, heißt es bei Table Media.
Nun steht Linnemann einigermaßen gerupft da – voraussichtlich wird er „nur“ Wirtschaftsminister ohne das mächtige Themengebiet Arbeit. Merz war es am Ende wohl wichtiger, dass die CDU nach 60 Jahren endlich wieder gleichzeitig einen Kanzler und einen Außenminister stellt. Europa- und Außenpolitik sind die Lieblingsthemen des Kanzlers in spe, der zehn Jahre lang Vorsitzender der Atlantik-Brücke war. „Dafür hat er die Wirtschaftswende de facto geopfert“, urteilt der Journalist Michael Bröker.
SPD stellt wieder den Arbeitsminister – und muss ihr eigenes Projekt Bürgergeld abschaffen
Dabei ist es gerade die ihr zugeschrieben Kompetenz für Arbeitsmarkt-Themen, für die die Union gewählt wurde. Nun wird wieder ein SPD-Minister im Arbeitsministerium sitzen – wer immer den Posten auch erhält. Im Gespräch sind der jetzige Arbeitsminister Hubertus Heil und Bärbel Bas.
An einem SPD-Politiker liegt es somit jetzt auch, die im Koalitionsvertrag beschlossene Reform des Bürgergelds umzusetzen. Die SPD, die das Bürgergeld in der Ampel einst eingeführt hat, muss es also nun wieder abschaffen. Streit zwischen Union und SPD könnte da programmiert sein.
Als Vorausschau auf drohende Konflikte kann ein Kommentar von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch vom Donnerstag im ARD-Morgenmagazin verstanden werden: Ein Koalitionsvertrag sei „nicht die Bibel und auch kein Gesetz“, betonte er, es handle sich um „Absichtserklärungen“. Auch Grünen-Politikerin Ricarda Lang sieht in einem Interview mit dem Tagesspiegel die Gefahr, dass sich der Dauerstreit der Ampel-Koalition in der neuen schwarz-roten Regierung fortsetzt. Im Koalitionsvertrag lese sie „Formelkompromisse, wie sie die Ampel nicht schlimmer hätte formulieren können“.
Koalitionsvertrag von Merz: Konfliktpunkte mit SPD bei Mütterrente und Mindestlohn
Streitpotential birgt auch das Thema Mindestlohn, wo schon einen Tag nach der Einigung auf den Koalitionsvertrag unterschiedliche Deutungen zwischen Union und SPD offenkundig wurden: Vize-Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) zweifelte am Donnerstag (10. April) die Aussage im schwarz-roten Koalitionsvertrag an, wonach ein Mindestlohn von 15 Euro schon 2026 erreichbar sei.
Auch beim Prestige-Projekt von Markus SödersCSU, der Mütterrente, sieht die SPD das letzte Wort noch nicht gesprochen: Für SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ist deren Realisierung abhängig vom „Finanzierungsvorbehalt“, sagte Miersch zu Politico. Den „Finanzierungsvorbehalt“ haben sich Merz und Klingbeil in den Koalitionsvertrag geschrieben. Er bedeutet: Jetzt geplante Vorhaben werden nur umgesetzt, wenn sie finanzierbar sind. (smu)