Verfassungsänderung

So soll das Grundgesetz geändert und die Schuldenbremse gelockert werden

  • VonKilian Beck
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Union und SPD möchten mit den Mehrheiten des alten Bundestages die Schuldenbremse umgestalten. Dafür braucht es eine Verfassungsänderung.

Berlin – Noch im März wollen CDU, CSU und SPD das Grundgesetz ändern, um schuldenfinanzierte Investitionen in Aufrüstung und Infrastruktur zu ermöglichen. Darauf einigten sich beide Parteien in Sondierungsgesprächen. Am kommenden Donnerstag (13. März) soll der Bundestag in erster Lesung zwei Stunden lang über den Antrag debattieren, am 18. März soll das Paket beschlossen werden.

Für einen Beschluss bräuchten beide Parteien Stimmen von den Grünen. Inzwischen sollen sich Union und SPD, einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge, auf zwei Formulierungen für die Grundgesetzänderung geeinigt haben. Das planen die Parteien konkret.

Reform der Schuldenbremse: 500 Milliarden für Infrastruktur-Investitionen und Ausnahme für Rüstungsausgaben

Das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastruktur-Investitionen soll im Artikel 143h des Grundgesetzes verankert werden. „Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für Investitionen in die Infrastruktur mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten“, schreiben die Parteien in ihrem Gesetzentwurf. 100 Milliarden Euro davon dürften auch zur Finanzierung von „Investitionen der Länder in deren Infrastruktur“ verwendet werden. Zusätzlich soll die noch härtere Schuldenbremse der Länder an die aktuell geltende Regelung des Bundes angepasst werden. Das Sondervermögen ist auf zehn Jahre angelegt.

Die Aufrüstungsinvestitionen sollen in Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes – der eigentlichen Schuldenbremse – verankert werden: „Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Verteidigungsausgaben 1 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen.“ Das ist Juristendeutsch für: Alle Rüstungsausgaben, die mehr als einem Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands entsprechen, werden nicht auf die Regeln der Schuldenbremse angerechnet. Diesen zufolge darf sich der Bund derzeit nur um 0,35 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes verschulden. Den Ländern soll dies nun auch ermöglicht werden, aktuell sind ihnen reguläre Schulden verboten.

Deutschlands Schuldenbremse: EU-weit einzigartiges Konstrukt zur Begrenzung der Staatsausgaben

Die deutsche Schuldenbremse ist ein in Europa in dieser Form einzigartiges Konstrukt. Alle EU-Staaten dürfen sich nach den sogenannten Maastricht-Kriterien jährlich um drei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes verschulden. Nutzt die Politik diesen finanzpolitischen Spielraum, hätte sie einen bis zu zehnmal größeren Investitionsspielraum verglichen mit der aktuellen Regelung. Auch deshalb behalfen sich die meisten Bundesregierungen seit Einführung der Schuldenbremse 2011 mit verschiedenen Formen von Schattenhaushalten oder Notlagenschlüssen, die eine Umgehung der Bestimmungen erlaubten.

Übrigens wäre eine Verschuldung von einer Billion Euro über ein Jahrzehnt noch völlig von den Maastricht-Kriterien der EU gedeckt und würde Deutschland nicht über den Durchschnitt der Eurozone hinaus verschulden.

Union und SPD, die die Schuldenbremse 2011 durchsetzten, begründeten die Infrastruktur-Investitionen schmallippig mit der „politischen Handlungsfähigkeit“ des Staates und dem Ziel, „das mittelfristige Wirtschaftswachstum zu stärken und damit den Wohlstand in Deutschland auch zukünftig zu sichern“. Die Reform der Schuldenbremse selbst sei nötig, da damit gerechnet werden müsse, „dass die USA ihr künftiges Engagement in Europa überprüfen“ und die europäischen Nato-Staaten „Fähigkeitslücken schließen“ müssten. Hierfür bräuchte es substanziell mehr Geld.

Beschluss der Schuldenbremsenreform noch im alten Bundestag? Rechtlich wohl möglich, politisch sicher unglücklich

Union und SPD wollen die Änderungen noch mit dem bestehenden, 2021 gewählten, Bundestag mit den Stimmen der Grünen beschließen. Im noch nicht konstituierten, im Februar gewählten Parlament, müssten sie auch mit der Linken verhandeln. Die Partei ist für die Abschaffung der Schuldenbremse und kritisiert die Regel, seit sie existiert, als neoliberale Einschränkung der staatlichen Handlungsfähigkeit. Jetzt will sie sich aber gegen einen „Blankoscheck für Aufrüstung“ stellen, wie die Bundestagsfraktion erklärte. Zudem prüfte die Partei eine Klage gegen den Beschluss, da dies dem neuen Bundestag vorzubehalten sei.

Wenn richtig viel Geld gebraucht wird, verschulden sich Staaten. Das ist ganz normal. In Deutschland muss dafür das Grundgesetz geändert werden.

Da es kein einschlägiges Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe gibt, beschreitet die Partei hier Neuland, berichtete die Tageszeitung taz. Einige Juristinnen und Juristen halten den Beschluss mit alten Mehrheiten nicht nur demokratietheoretisch für verwerflich, sondern unter Rückgriff auf das Demokratieprinzip im Grundgesetz für verboten.

Mehrheitlich ist man in der Rechtswissenschaft allerdings der Meinung, dass der bestehende Bundestag weiterhin das Grundgesetz ändern kann, beschrieb der Göttinger Staatsrechtler Florian Meinel auf dem Fachportal Verfassungsblog. Nach einer parlamentslosen Zeit nach Zerbrechen der sozialliberalen Koalition unter Altkanzler Willy Brandt wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass dem Parlament dieser Weg grundsätzlich offen steht.

Reform der Schuldenbremse – Kleinstparteien könnten Druck im Bundesrat machen

Offen ist hingegen, ob der Vorschlag von Union und SPD, sollte er die Zustimmung im Bundestag finden, auch in der Länderkammer, dem Bundesrat, besteht. Wegen der besonderen Mehrheitsverhältnisse und Abstimmungsregeln könnten auch Kleinstparteien, die an Landesregierungen beteiligt sind, dort Druck ausüben. Das Bündnis Sahra Wagenknecht in Brandenburg ließ am Freitag genauso wie die Freien Wähler in Bayern offen, ob der Vorschlag ihre Zustimmung findet. Kann sich eine Landesregierung nicht einigen, muss sie sich im Bundesrat enthalten, was als Ablehnung gewertet wird.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte vor der Wahl betont, die Schuldenbremse einhalten zu wollen. Nun steht er parteiintern unter Druck, CDU-Inhalte in den Sondierungen mit der SPD, die bald abgeschlossen werden sollen, durchzusetzen. (kb mit afp)

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