Raketenstart in Thüringen und Sachsen

Wagenknechts BSW gräbt der Linken im Osten „schnell und radikal“ das Wasser ab

Das Wagenknecht-Bündnis hat in Thüringen und Sachsen einen Raketenstart hingelegt. Die Linke indes ist massiv abgestürzt. Auffällig finden Experten die Themenauswahl der Partei.

Erfurt – Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bleibt vorerst die Katze im Sack – sowohl für die Wählerinnen und Wähler als auch für potenzielle Koalitionspartner. Vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen war wenig über das Programm bekannt. Die genaue Ausrichtung des BSW ist bis heute ungewiss.

Wagenknecht-Partei BSW zieht in Landtage von Thüringen und Sachsen ein

Trotzdem gelang es der neuen Partei, mit fast 16 Prozent in den Thüringer Landtag und mit fast zwölf Prozent in den sächsischen Landtag einzuziehen. Die Linke hingegen musste bei den Wahlen in Ostdeutschland herbe Verluste hinnehmen. In Thüringen gab es einen Rückgang von fast 18 Prozentpunkten im Vergleich zur Landtagswahl 2019.

Dort dürfte die Partei von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow viel Zustimmung an das BSW verloren haben. „Es überrascht, wie schnell und radikal das BSW der Linken das Wasser abgraben konnte. Zumal die BSW-Mitglieder sich seit der Parteigründung deutlich radikaler äußern als noch zu Wagenknechts Zeiten in der Linken“, sagt Silke van Dyk, Professorin für politische Soziologie an der Universität Jena.

Das BSW unterscheidet sich in vielen Punkten grundlegend von der Linken, aus der es ursprünglich hervorgegangen ist. Insbesondere bei den Themen Migration und Ukraine-Krieg vertritt Sahra Wagenknecht, die Namensgeberin der Partei, bei öffentlichen Auftritten immer wieder deutlich rechtskonservative beziehungsweise härtere Positionen. Sie fordert mehr Abschiebungen, stellt die Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge infrage und spricht sich gegen Russlandsanktionen aus.

Rechtsruck bei BSW kein Vorteil für Linke in Thüringen und Sachsen

Vor der Thüringen-Wahl wurde dieser Rechtsruck bei der Linken als Vorteil für die eigene Partei gesehen. Doch das Wahlergebnis zeigt, dass diese Annahme falsch war. „Viele sind von der Rechnung ausgegangen: je weiter nach rechts das BSW rückt, desto weniger schadet es der Linken. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen“, erklärt van Dyk.

Auffällig ist, dass das BSW im Wahlkampf in Thüringen wenig auf Landesthemen gesetzt hat. Kurz vor der Wahl kritisierten Bürgermeister und Landräte in einem offenen Brief, dass das BSW und die AfD viel über das politische Weltgeschehen sprachen, aber wenig über Thüringen. „Beim Thema Russland und der Frage nach Frieden wurde deutlich, dass Parteien in diesen Wahlen Fragen in den Fokus rückten, die wirklich nichts mit Landespolitik zu tun haben“, sagt auch Silke van Dyk. „Man muss sich fragen: Geht es den Menschen bei einer solchen Landtagswahl überhaupt noch um die Frage, was Landespolitiker verändern können? Oder sind die Landtagswahlen einfach zu einer Bühne für ganz andere Fragen geworden?“

BSW-Ergebnis auch Denkzettel an die Ampelregierung

Experten sehen das Wahlergebnis auch als Denkzettel für die Ampelregierung. Viele Menschen in Thüringen sind mit ihr unzufrieden, das wird in Gesprächen schnell deutlich. In einigen Gemeinden gibt es regelmäßige Demonstrationen, bei denen Menschen durch die Straßen ziehen und Slogans wie „Jagt die Grünen aus dem Land“ skandieren. Die Wahl des BSW dürfte für viele auch ein Akt des Protests gewesen sein.

Wie sich das BSW im Landtag verhalten wird und ob es stabile Verhältnisse geben kann, ist unklar. Politiker in Thüringen sehen den Einfluss von Sahra Wagenknecht auf die gesamte Partei kritisch. „Wir hatten noch nie in Deutschland eine Partei, die wie eine Person heißt. Das halte ich für einen sehr kuriosen Führungsanspruch“, sagte der bisherige Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) im Interview mit IPPEN.MEDIA kurz vor der Wahl. Seine Partei hat den Einzug in den Landtag verpasst.

Mario Voigt zu Gesprächen mit BSW nur unter einer Bedingung bereit

Die CDU von Mario Voigt ist in Thüringen nun zweitstärkste Kraft und bereitet sich darauf vor, die Regierung zu bilden. Das dürfte nur gemeinsam mit dem BSW und der SPD gelingen. Voigt signalisierte im Gespräch mit unserer Redaktion Gesprächsbereitschaft. Aber: Solange aus Berlin oder Saarbrücken – Wagenknecht lebt im Saarland – entschieden werde, was in Thüringen gemacht werden solle, gebe es keine Gesprächsgrundlage. „Sahra Wagenknecht ist gemeinhin dafür bekannt, dass sie Dinge eher kaputt macht, als dass sie Dinge aufbaut“, so Voigt. (pen)

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