Kohle statt Gas

„Sch**ß drauf“: Putin sorgt mit Wut-Rede zur Kontrolle der Atomwaffen für Aufsehen

  • Jens Kiffmeier
    VonJens Kiffmeier
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Russlands Präsident Wladimir Putin spricht beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg – und ledert gegen die Verhandlung zur nuklearen Rüstungskontrolle.

Update vom 16. Juni, 19.53 Uhr: Nukleare Rüstungskontrolle steht bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin nicht hoch im Kurs. Beim internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg lehnte der Kremlherrscher ein Gesprächsangebot der USA mit deftigen Worten ab. „Wir haben mehr solcher Waffen als die Nato-Länder. Sie wissen das und drängen uns die ganze Zeit dazu, dass wir Gespräche über Reduzierungen anfangen“, sagte Putin, kündigte die Stationierung von Atomwaffen in Belarus an und fügte hinzu: „Sch**ß drauf, verstehen Sie, wie man bei uns im Volk sagt.“

„Sch**ß drauf“: Putin wettert gegen Verhandlung zur internationalen Rüstungskontrolle

Unter dem Eindruck seines Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Russland Anfang des Jahres unter internationalem Protest das letzte große Abkommen über atomare Rüstungskontrolle für ausgesetzt erklärt: den „New Start“-Vertrag mit den USA. Dieser begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder und regelt Inspektionen. Anfang Juni dann bot die US-Regierung Russland und auch China Gespräche über nukleare Rüstungskontrolle „ohne Vorbedingungen“ an. Nach der Putin-Rede bemühte sich Kremlsprecher Dmitri Peskow aber um eine Relativierung von Putins Aussagen. „Russland ist bereit, Verhandlungen zu führen“, versicherte er.

Mehr Kohlestrom: Putin macht sich über Habecks Energiepolitik lustig

Update vom 16. Juni, 17.10 Uhr: Russlands Wirtschaft leidet unter den Sanktionen, doch für den Westen hat Präsident Wladimir Putin nur Hohn und Spott übrig: Bei einem Rundgang am Rande des internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg konnte sich der Kremlchef einen Seitenhieb auf die Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken in Deutschland nicht verkneifen. „Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten erfüllen wir alle auf uns genommenen Verpflichtungen in dieser Sphäre. Sogar vorzeitig“, witzelte er mit Blick auf den anstehenden internationalen Klimagipfel in den Vereinigten Arabischen Emiraten. So hätten einige Staaten trotz anderslautender Deklarationen ihre Stromgewinnung aus Kohle zuletzt verstärkt.

Wladimir Putin beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg.

Tatsächlich mussten mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland, im vergangenen Jahr wieder Kohlekraftwerke in Betrieb nehmen. Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war das ein bitteres Unterfangen, denn seine Partei will den Kohleausstieg eigentlich vorzeitig erreichen. Doch im Zuge des Ukraine-Krieges hatte Putin den Gasimport nach Deutschland gestoppt, sodass Habeck verstärkt wieder auf Kohle setzen musste. Dennoch kämpft Putin an der Heimatfront mit eigenen wirtschaftlichen Problemen. Neben Habeck bekam auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sein Fett weg. Putin beschimpfte ihn als „Schande für das jüdische Volk“.

Wirtschaftsforum: Putin verspricht Russlands Bevölkerung soziale Wohltaten

Update vom 16. Juni, 15.51 Uhr: Soziale Wohltaten zum eigenen Machterhalt: Ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl in Russland hat Kremlherrscher Wladimir Putin seinen Landsleuten neue Versprechungen gemacht. So kündigte er bei seinem Auftritt beim internationalen Wirtschaftsforum die Anhebung des Mindestlohns um 18,5 Prozent an. Dies liege deutlich über dem Tempo der Inflation und den steigenden Gehältern, sagte er laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa. Die Inflation liegt in Russland aktuell bei 2,9 Prozent. Darüber hinaus versprach Putin, Müttern Kindergeld bis zum Alter von 1,5 Jahren zu zahlen - unabhängig davon, ob die Mutter in der Zwischenzeit wieder zur Arbeit gegangen oder zu Hause geblieben sei. Doch ob dies die Probleme von Russlands Wirtschaft lösen kann, bleibt abzuwarten.

Wirtschaft am Abgrund: Zwangsarbeit zeigt Russlands wahre Probleme

Erstmeldung vom 16. Juni, 1428 Uhr: St. Petersburg - Es gibt keine Lebensmittelknappheit, in den Geschäften liegt die neueste Sommermode und es herrscht nahezu Vollbeschäftigung: Russlands Wirtschaft brummt - trotz der vom Westen verhängten Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges. Dieses Bild dürfte Präsident Wladimir Putin jedenfalls in seiner Rede auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg zeichnen. Doch auch wenn einige Entwicklungen im Jahr 2023 nicht von der Hand zu weisen sind, so steuert das Land wohl doch in Zukunft auf eine ernsthafte Krise zu. In diesem Punkt sind sich die Experten einig.

Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Putin preist Russlands Kraft

Am Freitag wird in St. Petersburg das mehrtägige Wirtschaftsforum fortgesetzt. Insgesamt 17.000 Teilnehmer aus 130 Nationen sollen daran teilnehmen, wie die Organisatoren auf Telegram verkünden. Die Veranstaltung findet zum 26. Mal statt. Höhepunkt dürfte die mit Spannung erwartete Rede von Russlands Präsidenten Wladimir Putin sein.

Sucht für Russlands Wirtschaft nach Lücken in den Sanktionsgesetzen: Präsident Wladimir Putin.

Seit knapp 16 Monaten führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, seit knapp 16 Monaten wird das Riesenreich dafür mit weitreichenden westlichen Sanktionen bestraft. Doch seit Beginn des Ukraine-Krieges wird Putin nicht müde zu betonen, dass Russland den westlichen Strafmaßnahmen nicht nur trotze, sondern angeblich sogar gestärkt und unabhängiger daraus hervorgehe.

Praktisch Vollbeschäftigung? Experten bezweifeln Russlands Statistik

Gerne zieht Moskau zur Bekräftigung dieses Arguments auch Statistiken zu Hilfe, deren Aussagekraft Kritiker als zumindest fragwürdig einstufen. So ist es beispielsweise zwar durchaus richtig, dass die Arbeitslosigkeit in Russland mit 3,3 Prozent zuletzt ein historisches Tief erreichte. Faktisch herrscht nun wie zu Sowjetzeiten Vollbeschäftigung in dem Land.

Wladimir Putin: Der Aufstieg von Russlands Machthabern in Bildern

Wladimir Putin ist seit dem 24. Februar 2022 auch Kriegsherr – auch wenn in Russland nach offizieller Lesart nur von einer militärischen „Spezialoperation“ in der Ukraine gesprochen wird.
Am 24. Februar 2022 befahl Wladimir Putin den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine. Setdem ist er nicht nur Präsident Russlands, sondern Kriegsherr – auch wenn in Russland der Ukraine-Krieg nach offizieller Lesart nur eine militärische „Spezialoperation“ genannt wird. © Mikhail Klimentyev/Imago
Wladmir Putin mit Flottenchef Kurojedow
Von 1975 bis 1982 war der am 7. Oktober 1952 geborene Putin KGB-Offizier, von 1984 bis 1985 besuchte er die KGB-Hochschule in Moskau. Ab 1985 war er in der DDR tätig, hauptsächlich in Dresden. Danach ging es wieder zurück nach St. Petersburg. Vom 25. Juli 1998 bis August 1999 war Putin Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB. In dieser Eigenschaft traf er sich im November 1998 mit Flottenchef Wladmir Kurojedow (rechts). © Stringer/dpa
So sah Wladimir Putin im Alter von 40 Jahren aus, als er an der Eröffnung der Honda Motor Show 1992 in St. Petersburg teilnahm.
Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt Wladimir Putin im Jahr 1992 im Alter von 40 Jahren, als er an der Eröffnung der Honda Motor Show 1992 in St. Petersburg teilnahm. Zwei Jahre später wurde er von einem der Vizebürgermeister zum ersten Vizebürgermeister der Stadt ernannt. Sein politischer Aufstieg nahm Formen an. © Russian Look/IMAGO
Dieses Foto zeigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Jahr 1994 in seinem Büro. Damals war er 42 Jahre alt und Vizebürgermeister von St. Petersburg.
In seinem ersten Jahr als erster Vizebürgermeister der Stadt St. Petersburg im Jahr 1994 wurde Wladimir Putin in seinem Büro fotografiert. Damals war er 42 Jahre alt. Von körperlichen Beschwerden aus dieser Zeit ist nichts bekannt. Putin war zudem bereits seit seiner Jugend sportlich und ging unter anderem dem Kampfsport Judo nach, in dem er sich einen Schwarzen Gurt verdiente. © Russian Look/IMAGO
Drei Jahre später enstand dieses Foto von Wladimir Putin zusammen mit Anatoly Sobchak, ehemaliger Bürgermeister von St. Petersburg.
Dieses Foto entstand drei Jahre später, 1997, und zeigt Wladimir Putin – damals 45 Jahre alt – zusammen mit Anatoly Sobchak, dem ehemaligen Bürgermeister von St. Petersburg. © Russian Look/IMAGO
Wladimir Putin mit Boris Jelzin im Kreml.
Im Jahr 1999 übernahm Putin zum ersten Mal das Amt des Ministerpräsidenten – mit Option auf die Nachfolge von Präsident Boris Jelzin (links). Als Jelzin am 31. Dezember 1999 sein Amt niederlegte, übernahm Putin kommissarisch auch die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Im Mai 2000 wurde Putin dann regulär zum Präsidenten Russlands gewählt. © dpa
Im Jahr 2000 wurde Putin zum ersten Mal Präsident der Russichen Föderation. Das Foto zeigt den damals 48-Jährigen zusammen mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin.
Im Jahr 2000 wurde Wladimir Putin erstmals zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt. Das Foto zeigt den damals 48-Jährigen zusammen mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in Berlin. Die Beiden sollte im weiteren Verlauf eine innige Freundschaft verbinden, die auch über Schröders politische Karriere hinaus Bestand hatte. © Thomas Imo/IMAGO
Wladimir Putin während einer Trainingssession in Sotschi im Jahr 2019. Der russische Präsident gilt als großer Judo-Fan und hat im Jahr 2000 in Tokio den Titel des sechsten Dan des „Kodokan-Judo“ verliehen bekommen.
Wladimir Putin während einer Trainingssession in Sotschi im Jahr 2019. Der russische Präsident gilt als großer Judo-Fan und hat im Jahr 2000 in Tokio den Titel des sechsten Dan des „Kodokan-Judo“ verliehen bekommen. © Mikhail Metzel/Imago
Am 7. Mai 2000 legte Putin seinen Amtseid ab.
Am 7. Mai 2000 legte Putin unter den Augen von Boris Jelzin seinen Amtseid ab. Mit einer Ausnahme einer Zeit als Regierungschef von 2008 bis 2012 hat Putin seither das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation inne.  © Imago
Wladimir Putin und Bill Clinton bei der Unterzeichnung eines Vertrages in New York.
Im September 2000 führte Putin der Weg in die USA. Bill Clinton (rechts) war der erste US-Präsident, mit dem er es in den kommenden Jahren zu tun bekam. in seiner Mit dem damals noch amtierenden US-Präsidenten B © Imago
Mit einer Umarmung begrüßen sich Gerhard Schröder und Wladmir Putin im Foyer des Taschenbergpalais in Dresden.
Als Russlands Präsident reiste Putin im September 2001 zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Deutschland. Im Foyer des Taschenbergpalais in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden begrüßte ihn auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (links). Die beiden verstanden sich offensichtlich schon damals ausnehmend gut. Die Freundschaft hat auch heute noch Bestand. © Jan-Peter Kasper/dpa
Der schwarze Labrador von Wladimir Putin läuft beim Treffen seines Herrchens mit Angela Merkel durchs Zimmer.
Putin spielt gerne psychologische Spielchen – so auch 2007 mit Kanzlerin Angela Merkel. Bei ihrem Treffen in Sotschi am Schwarzen Meer ließ Putin während einer gemeinsamen Pressekonferenz eine Labradorhündin ohne Leine herumlaufen. Merkel, einst in ihrer Jugend von einem Hund gebissen worden, fühlte sich sichtlich unwohl.  © Dmitry Astakhov/dpa
George Bush und Wladimir Putin spazieren auf dem Gelände von Putins Sommerresidenz Bocharov Ruchei.
George W. Bush (rechts) war der zweite US-Präsident, mit dem es Putin zu tun bekam. Im April 2008 trafen sich beiden Staatschefs auf dem Gelände von Putins Sommerresidenz Bocharov Ruchei. © Imago
Wladimir Putin neuer russischer Regierungschef.
Am 7. Mai 2008 löste Dmitri Medwedew nach zwei Amtszeiten Putin im Amt des russischen Präsidenten ab. Einen Tag danach wählte die Duma Putin auf Vorschlag des neuen Präsidenten zum neuen Regierungschef. Putin blieb auch in dieser Position der starke Mann. © dpa
Im Jahr 2009 ließ sich Putin mit freiem Oberkörper auf einem Pferd sitzend zur Demonstration von Macht fotografieren, als er durch die südsibirische Republik Tuwa ritt.
Im Jahr 2009 ließ sich Wladimir Putin mit freiem Oberkörper auf einem Pferd sitzend fotografieren, als er durch die südsibirische Republik Tuwa ritt. Mit solchen Fotos pflegte Putin sein Macho-Image. Er wollte er laut Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ Wirkung in der russischen Bevölkerung erzielen und auch international demonstrieren, dass er ein starker Gegner ist. © epa Alexey Druzhinyn
Bekleidet mit olivgrüner Jagdhose und einem dazu passenden Sonnenhut präsentiert sich Wladimir Putin beim Angeln in den sibirischen Bergen im Jahr 2017. Geht es nach dem russischen Präsidenten, hat der Oberkörper aber freizubleiben.
Bekleidet mit olivgrüner Jagdhose und einem dazu passenden Sonnenhut präsentiert sich Wladimir Putin beim Angeln in den sibirischen Bergen im Jahr 2017. Geht es nach dem russischen Präsidenten, hat der Oberkörper aber freizubleiben. Das gilt für Reiten wie offenbar auch fürs Angeln. © Aleksey Nikolskyi/Imago
Putin und Obama stoßen miteinander an.
Am 7. Mai 2012 wurde Putin erneut zum Präsidenten gewählt. Sein Verhältnis zu US-Präsident Barack Obama war von Distanz geprägt. Das war auch im September 2015 bei einer Veranstaltung der Vereinten Nationen in New York der Fall.  © Amanda Voisard/dpa
Wladimir Putin in einem camouflage-farbendem Tauchanzug während eines Ausflugs in der russischen Republik Tuwa in Sibirien im Jahr 2017. Das Foto zeigt den russischen Präsidenten während einer Verschnaufpause.
Wladimir Putin in einem camouflage-farbendem Tauchanzug während eines Ausflugs in der russischen Republik Tuwa in Sibirien im Jahr 2017. Das Foto zeigt den russischen Präsidenten während einer Verschnaufpause. © Alexei Nikolsky/Imago
Putin trifft Trump beim Apec-Gipfel in Vietnam.
Als Donald Trump die US-Wahl 2016 gegen Hillary Clinton gewann, hatte Russland wohl seine Hände mit im Spiel. Putin hatte sicher seinen Grund. Mit Donald Trump kam er jedenfalls gut zurecht. Im November 2017 begrüßten sie sich Familienfoto im Rahmen des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Da Nang (Vietnam) herzlich.  © Mikhail Klimentyev/dpa
Der chinesische Präsident Xi Jinping (r) und der russische Präsident Wladimir Putin (l) geben sich am 04.07.2017 im Kreml in Moskau (Russland) bei einem Gespräch die Hände
Unter Putin sind sich Russland und China zuletzt immer nähergekommen. Ein wichtiger Termin war der 4. Juli 2017, als der chinesische Präsident Xi Jiping im Kreml in Moskau zu Besuch war. Damals wurden mehrere Verträge und Wirtschaftsabkommen unterzeichnet. © Sergei Ilnitsky/dpa
Wladimir Putin und Olaf Scholz am Tisch im Kreml.
So pflegt Putin inzwischen seine Gäste zu empfangen – vor allem die aus dem Westen. Am 15. Februar 2022 reiste Kanzler Olaf Scholz nach Moskau. Damals hatte der Ukraine-Krieg noch nicht begonnen. Putin ließ sich von Scholz aber nicht beeindrucken. © Kremlin Pool/Imago
Wladimir Putin im Kreml.
Putin forcierte in seiner dritten Amtszeit die kriegerischen Auseinandersetzungen. Seit dem 21. März 2014 betrachtet Russland die Krim als Teil des eigenen Staatsgebiets, seit September 2015 unterstützt die russische Luftwaffe im Militäreinsatz in Syrien den syrischen Präsidenten Assad im dortigen Bürgerkrieg.  © Sergei Ilnitsky/dpa
Wladimir Putin (links) und Joe Biden schütteln sich bei ihrem Treffen in der „Villa la Grange“ die Hand.
Anlässlich der Genfer Gipfelkonferenz traf sich Putin am 16. Juni 2021 mit US-Präsident Joe Biden zu einem Gespräch. Schon damals waren die russischen Truppenaufmärsche an der Grenze zur Ukraine ein Thema. © Denis Balibouse/dpa
Wladimir Putin lacht
Genutzt hat das Gipfelgespräch wenig. Am 24. Februar 2022 begann mit dem Einmarsch der russischen Truppen ins Nachbarland der Ukraine-Krieg. Putin wusste es wohl schon in Genf.  © Denis Balibouse/dpa
Selbst wenn sich der Kreml-Chef nahe den Gewässern Russlands erholt, sind die Kameras der russischen Staatspresse nicht weit entfernt. Schnappschüsse von einem schwimmenden Wladimir Putin, wie hier im Jahr 2017, würde ihnen sonst glatt entgehen.
Selbst wenn sich der Kreml-Chef nahe den Gewässern Russlands erholt, sind die Kameras der russischen Staatspresse nicht weit entfernt. Schnappschüsse von einem schwimmenden Wladimir Putin, wie hier im Jahr 2017, würde ihnen sonst glatt entgehen. © Alexei Nikolsky/Imago

Doch ein wesentlicher Grund dafür ist die Massenflucht vor allem junger Russen vor Putins Mobilmachung seit dem vergangenen Herbst. Ein weiterer, dass Hunderttausende tatsächlich an der Front sind. Seitdem gibt es vielerorts nicht nur wenige Arbeitslose - sondern auch zu wenige Fachkräfte. In einigen Firmen wurden deswegen bereits Strafgefangene als Zwangsarbeiter verpflichtet, etwa beim Autohersteller Lada.

Entwicklung von Russlands Wirtschaft: Zwangsarbeit übertüncht viele Probleme

Für Osteuropa-Experten ist diese Entwicklung aber eher ein Ausdruck der Verzweiflung in Russlands Wirtschaft. „Strafgefangene sind extrem unproduktiv und unzuverlässig. Für die meisten Firmen werden sie eher eine Belastung sein“, sagte Alexander Libman, Politologe an der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit dem Nachrichtensender ntv. Ähnlich sieht es Russland-Fachmann Gerhard Mangott. Abgesehen davon, dass es keine gesetzliche Grundlage für das Anheuern von Strafgefangenen gebe, stelle dieses Vorgehen die Unternehmen durchaus vor ein Sicherheitsrisiko, sagte er ebenfalls zu ntv.

Doch diese Tricks haben Putin erst einmal dabei geholfen, Russlands Wirtschaft im Großen und Ganzen an die Sanktionen anzupassen. Russische Geschäftsleute seien zäh und überlebensfähig, urteilt die renommierte Moskauer Wirtschaftswissenschaftlerin Natalja Subarewitsch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Zumindest im Alltag seien Engpässe bei der Versorgung jedenfalls nicht zu spüren.

Parallel-Importe tricksen die Sanktionen aus

Dabei geholfen haben auch die Neuregelungen der russischen Regierung zum „parallelen Import“. Demnach können Waren ohne die Erlaubnis des Markenbesitzers nach Russland eingeführt werden - oft über Drittländer. Diese eröffneten dem Business neue Nischen - trotz Sanktionen. Und so kommen die Computer nun eben nicht mehr aus Europa, sondern aus dem zentralasiatischen Kirgistan oder Armenien im Südkaukasus, Autos und Maschinen aus der Türkei und Kasachstan - und natürlich ganz viele Waren aus China. So schaffen es auch deutsche Computer-Chips in russische Panzer.

Problematisch aus russischer Sicht ist dabei allerdings die enorm gewachsene Abhängigkeit von China. Ein Viertel des russischen Außenhandels läuft inzwischen über den Nachbarn im Südosten. Beim Export - hier vor allem Rohstoffe - sind es etwa 20 Prozent, beim Import sogar mehr als 30 Prozent. Das macht Russland anfällig.

Sanktionen treffen Russlands Wirtschaft im Jahr 2023 unterschiedlich

Auch ein Blick auf die verschiedenen russischen Branchen ergibt für das Jahr 2023 ein ambivalentes Bild. Auf der einen Seite gibt es regelrechte Kriegsgewinner: In Regionen mit starker Rüstungsindustrie - beispielsweise dem Ural - brummt der ökonomische Motor. Doch bei weitem nicht alle Sektoren konnten sich nach dem Abzug westlicher Partner erfolgreich umstellen. Allen voran die Autoindustrie steckt weiter tief in der Krise. Versuche, das zu kaschieren, gehen nach hinten los: Der im vergangenen Winter von Staatsmedien gefeierte Neustart der sowjetischen Marke Moskwitsch etwa entpuppte sich letztendlich als Kopie des chinesischen Kleinwagens JAC JS4.

Enorme Probleme gibt es nach dem Exodus westlicher Firmen auch mit der Produktion von Haushaltsgeräten und Werkzeugen. Der Einzelhandel hat zwar neue Lieferketten aufgebaut, aber der Konsum ist weiterhin schwach. Vielen Menschen fehlt nach dem letztjährigen Inflationsschub schlicht das Geld, um sich neben Lebensmitteln noch etwas zu leisten.

Prognose für Staatshaushalt löst in Russland Sorgen aus

Und nicht zuletzt schweben viele Fragezeichen über dem russischen Staatshaushalt. Das Minus in der Kasse ist deutlich höher als ursprünglich veranschlagt. Die Einnahmen aus Öl und Gas, die im vergangenen Jahr noch sprudelten, sind angesichts von EU-Embargo und -Preisdeckel merklich zurückgegangen. Für Aufregung unter russischen Unternehmern sorgt der Plan der Regierung, das Haushaltsloch zumindest teilweise durch eine Firmen-Sondersteuer zu stopfen. Ende Juni will die Staatsduma über diese „Kriegsabgabe“ abstimmen, die insgesamt 300 Milliarden Rubel (3,3 Milliarden Euro) einbringen soll.

Für das laufende Jahr wird das Geld wohl noch reichen, um die einzelnen Regionen zu finanzieren - inklusive der neu annektierten und stark zerstörten ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk, die ein Viertel der regionalen Subventionen verschlingen. Insbesondere mit Blick auf die Präsidentenwahl, die im kommenden Jahr ansteht, ist es wichtig, etwa Lehrern und Beamten zuverlässig ihr Gehalt zu zahlen und sie bei Laune zu halten. (jkf/mit Material der dpa)

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