Seit Kriegsbeginn

Trotz Russland-Sanktionen: EU-Rekord bei Flüssigerdgas-Importen

Die Europäische Union möchte seit Kriegsbeginn unabhängig werden von russischem Gas. Trotz Sanktionen importiert sie Flüssigerdgas in Rekordsummen und ist sogar der größte Kunde Russlands.

Brüssel – Eigentlich will die EU unabhängig von russischem Gas werden. Stattdessen bricht sie nun sogar einen Rekord beim Import von russischem Flüssigerdgas, auch LNG genannt. Der Import aus Russland ist seit Beginn des Ukraine-Kriegs um 40 Prozent gestiegen – trotz Sanktionen.

Die NGO Global Witness veröffentlichte die Zahlen mit ihrer Studie am vergangenen Mittwoch (30. August). Die Studie basiert auf Daten des Branchendienstleisters Kpler. So hätten EU-Staaten von Januar bis Juli insgesamt 22 Millionen Kubikmeter an russischen LNG importiert.

Flüssiggas: Spanien, Belgien und Frankreich importieren am meisten

Verglichen mit dem selben Zeitraum 2021, also vor der russischen Invasion in der Ukraine, ist das ein Anstieg um 40 Prozent. Rund 52 Prozent des russischen LNG-Exports wurden in den ersten sieben Monaten in die EU eingeführt, im Vergleich zu 49 Prozent der Exporte im vergangenen Jahr und 39 Prozent im Jahr 2021.

Am meisten importiert Spanien. Das Land hat von Januar bis Juli 7,5 Millionen Kubikmeter russisches Flüssigerdgas gekauft. Das sind 18 Prozent des gesamten russischen LNG-Exports. Das einzige nicht EU-Land, das mit 20 Prozent mehr importiert hat, ist China. Belgien und Frankreich folgen Spanien mit 7,1 Millionen und 4,5 Millionen Kubikmetern. Die spanische Energieministerin Teresa Ribera nannte die Situation „absurd“ und forderte ein Embargo für LNG. Allerdings gibt es in der EU Sorgen, ein Einfuhrverbot für russisches LNG könnte zu einem erneuten Preisschock auf dem europäischen Energiemarkt führen.

Die Sanktionen gegen Russland haben eine Lücke

Eigentlich importiert die EU seit ihrer Sanktionen gegen Russland kein Erdgas mehr aus Russland. Rohstoffe sind die Haupteinnahmequelle Russlands. Die Embargos gelten auch für Kohle, Rohöl und Diesel. Die Lieferung von Gas durch Pipelines, für viele EU-Länder eine der wichtigen Energieträger, beendete Russland im vergangenen Sommer zum Teil selbst.

Umstrittene Technik: Das LNG-Shuttle-Schiff „Coral Fraseri“ vor der Küste von Binz.

Um das zu kompensieren, setzt die EU auf die Lieferung von Flüssigerdgas, das statt über Pipelines per Schiff kommt und dann raffiniert wird. Russisches Flüssigerdgas ist von den Sanktionen ausgenommen. EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte die Mitgliedsstaaten im März zu einem Importstopp aufgefordert, jedoch ohne Erfolg. Hauptimporteure sind nach Angaben von Global Witness die Energieunternehmen Shell und Total. 

EU-Kommission will bis 2027 gar kein russisches Gas importieren

„Es ist schockierend zu sehen, dass sich viele EU-Länder von russischem Gas via Pipelines unabhängig gemacht haben, nur um es dann durch LNG per Tankschiff zu ersetzen“, zitiert die Financial Times den Global-Witness-Experten Jonathan Noronah-Gant. Weiterhin würden damit europäische Unternehmen Milliarden an Wladimir Putins Kriegskasse überweisen. So habe Russland mit den Importen Einnahmen von mehr als fünf Milliarden Euro erzielt.

Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2027 gar kein russisches Gas mehr zu importieren. Mit 16 Prozent hat Russland aktuell den zweitgrößten Anteil an den LNG-Importen der EU. Den größten Anteil liefern die USA. Viele Länder haben Langzeitverträge, die sie zu russischen Gas-Importen verpflichten. Die Kommission hat einen Plan vorgelegt, nach dem jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden soll, ob er die Einspeisung von Flüssiggas aus Russland in sein Gasnetz erlaubt. Das Vorhaben ist allerdings noch nicht mit dem EU-Parlament abgestimmt.

Die EU wehrt sich gegen den Bericht und betont, dass der Import fossiler Brennstoffe aus Russland deutlich zurückgegangen ist. Flüssiggas mache insgesamt einen niedrigen Anteil der Energieimporte aus. (Baha Kirlidokme)

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