Kritik an Finanzminister
„Menschlich ekelhaft“: Linken-Chefin Wissler will nach Bauern-Rede den Rücktritt Lindners
VonMarcus Giebelschließen
Christian Lindner tritt beim Bauernprotest in Berlin auf und will die Demonstranten besänftigen. Für die Chefin der Linken eine Skandal-Rede.
Berlin – Christian Lindner mühte sich redlich, um sich bei Eiseskälte vor dem Brandenburger Tor Gehör zu verschaffen. Einfach war das nicht, trotz mehrerer Mikrofone und allerhand Lautsprechern. Denn die Tausenden Bauern, zu denen der FDP-Chef und Finanzminister sprach, machten ordentlich Lärm. Sie tröteten und pfiffen, buhten und schimpften in Richtung Bühne.
Finanzminister Lindner bei Bauernprotest: „Habe ein Gefühl für Ihre Situation“
So musste Lindner seine Stimme beim finalen Bauernprotest noch deutlicher als gewohnt erheben, wollte er doch seine Botschaft anbringen. Einerseits Verständnis zeigen für den Unmut der Landwirte infolge der von der Ampel geplanten Abschaffung der Subventionen für Agrardiesel, andererseits für Verständnis für die politischen Entscheidungen werben, die im Geldbeutel zu spüren sind.
Zwischen „Lügner“-, „Heuchler“- und „Hau ab“-Rufen der Protestler versuchte er ein bisschen Nähe zu schaffen. „Nach vielen Gesprächen habe ich ein Gefühl für Ihre Situation“, ließ Lindner wissen. Ebenso: „Ich will, dass die Politik den Landwirtinnen und Landwirten vertraut, statt in die Betriebe hineinzuregieren.“ Er selbst komme „aus dem Bergischen Land. Ich bin neben Wiesen, Feldern und dem Wald aufgewachsen.“
Lindner spricht in Berlin vor Bauern: Kritik an Klimaaktivisten und Bürgergeld-Empfängern
Doch als Brückenbauer war Lindner nicht erfolgreich. Was am Tag nach dem denkwürdigen Auftritt eher hängenblieb, waren andere Sätze. Wie der Vergleich mit den Klimaaktivisten der „Letzten Generation“: „Was ein Unterschied zwischen den Bauern und den Klimaklebern: Die Klimakleber haben das Brandenburger Tor beschmiert. Die Bauern haben das Brandenburger Tor geehrt.“ Ein bisschen Bauchpinselei von höchster Stelle also.
Außerdem rief er den Massen entgegen: „Es ärgert mich, dass ich vor Ihnen als dem fleißigen Mittelstand über Kürzungen sprechen muss, während auf der anderen Seite in unserem Land Menschen Geld bekommen fürs Nichtstun.“ Ein frostiger Gruß an die Bürgergeldempfänger.
„Soziale Reformen sind schwer. Aber auch da müssen wir ran“, legte Lindner nach: „Deshalb kürzen wir die Leistungen für Asylbewerber, deshalb sparen wir eine Milliarde Euro beim Bürgergeld. Denn wir dürfen es nicht länger tolerieren, wenn Menschen sich weigern, für ihr Geld zu arbeiten.“ Dies sei nicht nur „eine Frage des Geldes, das ist eine Frage der Gerechtigkeit und wir beantworten sie“.
Wissler kritisiert Lindner für Rede: „Politisch verantwortungslos und menschlich ekelhaft“
Ob diese Worte in der Menge verfangen haben, wird sich erst noch zeigen müssen. Janine Wissler hat jedenfalls genau hingehört. Und ist empört. „Ein Bundesminister, der sich vor protestierende Landwirte stellt und keinen einzigen Vorschlag zu deren Anliegen macht, aber stattdessen gegen Erwerbslose und Geflüchtete hetzt („Geld fürs Nichtstun“), der wird nicht nur zu Recht ausgebuht, der ist als Minister untragbar“, kritisiert die Linke-Chefin im Spiegel.
Lindner führe eine Ablenkungsdebatte und versuche, Menschen gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen. Dies sei „politisch verantwortungslos und menschlich ekelhaft“. Für sie ist die Rede ein weiterer Tiefpunkt: „Wie bereits bei der Absage des Klimagelds nimmt Lindner Leistungsbezieher ins Visier.“
Auch die Verschiebung dieser Unterstützung wegen der zusätzlichen Belastungen der Bürger wird ohnehin kontrovers diskutiert. So sagte Katharina Dröge, Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen: „Wir brauchen das Klimageld.“ Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, stellte in der Neuen Osnabrücker Zeitung klar (Artikel hinter einer Bezahlschranke): „Wir fordern, dass das Klimageld noch in diesem Jahr kommt.“ (mg)
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